Das Bundesstrafgericht in Bellinzona tagt zum Fall des mutmasslichen Datendiebs Hervé Falciani. Ohne den Angeklagten zwar – dafür mit erhellenden Zeugen.
Die Bundesrichter in Bellinzona entscheiden diese Woche, ob sich Hervé Falciani der Bankgeheimnis-Verletzung, des wirtschaftlichem Nachrichtendienstes und weiterer Anklagepunkte schuldig gemacht hat. Dumm nur: Der Ex-Angestellte der HSBC Privatbank in Genf, der nach einer erstmaligen Einvernahme 2008 Hals über Kopf das Land verliess, ist dem Prozess bisher fern geblieben.
Das hinderte das Bundesstrafgericht (Bild) nicht, sich diverse Zeugen anzuhören. So einen ehemaligen IT-Kadermann der HSBC, der mit dem franko-italienischen Informatiker Falciani zusammegearbeitet hatte.
Hoher Geltungsdrang
Der Zeuge, der heute für den Kanton Genf arbeitet, zeichnete laut der Agentur «AWP» ein ambivalentes Bild des mutmasslichen Datendiebs. Demzufolge war Falciani ein «geselliger Kerl» – und ein guter Techniker.
Gleichzeitig stellte der Ex-Kollege im Zeugenstand einen hohen Geltungsdrang bei Falciani fest. «Er strich gerne heraus, dass er gute Ideen habe und dass er Anerkennung brauche.» Falciani habe sich darüber beschwert, dass er in der Schweiz zum Lohnniveau von Monaco arbeiten müsse.
Sauer aufgestossen
Ebenfalls sauer aufgestossen dürfte dem selbst ernannten Whistleblower sein, dass er mehrere Monate in ein Projekt zur Übertragung von Kundendaten investierte – das von der HSBC abrupt auf Eis gelegt wurde.
Es waren just diese Daten – Kundennamen mit Geburtsdaten –, die später die Grundlage zu den berüchtigten «Falciani-Listen» bildeten. Diese wurden seither von zahlreichen Behörden für die Suche nach Steuersündern genutzt und brachten 2015 schliesslich den «Swiss Leaks»-Skandal in ins Rollen.
Kein Vertrauen in Schweizer Justiz
Weitere Details über das fatale Datenleck bei der HSBC in Genf sind auch in den nächsten Tagen zu erwarten; die Bundesrichter tagen noch bis Freitag. Dann fällen sie ihr Urteil.
Für Falciani stand dieses offensichtlich schon im vornherein fest. An einer Konferenz auf der französischen Seite des Genfersees – die pikanterweise von Schweizer Journalisten ausgerichtet wurde – stellte er fest, kein Vertrauen in die Schweizer Justiz zu haben.