Dass Minister Jérôme Cahuzac ein Konto in der Schweiz hatte, erschüttert Frankreich. Der Fall kann sich auch auf den Finanzplatz Schweiz niederschlagen. 3 mögliche Folgen.

Die Affäre Cahuzac ist das grosse Thema in Frankreich, Staatspräsident François Hollande musste zur Mittagszeit eine Erklärung abgeben (aufwändige Live-Berichterstattungen und -Ticker bieten insbesondere «Le Monde» und der «Nouvel Observateur»).

Denn dass der Budgetminister – unter anderem zuständig für den Kampf gegen die Steuerhinterziehung – ein Konto in der Schweiz geführt hatte, führt derzeit zu kritischen Fragen: Wurde Jérôme Cahuzac von François Hollande gedeckt? Sehr lange hatte Cahuzac die Aufdeckungen der Medien (insbesondere des Online-Portals «Médiapart») abgestritten, und Hollande stand dabei hinter ihm.

Der Fall führt so oder so wieder zu Vorwürfen gegen den Finanzplatz Schweiz – und er könnte Folgen haben. Mögliche Tendenzen:

Bankgeheimnis? Die Schweizer sind jetzt bei Steueranfragen sehr hilfsbereit

Cahuzac sah sich offenbar zur Offenlegung gezwungen, nachdem die Schweizer Behörden der französischen Steuerfahndung Unterstützung gewährt hatten. Die zu transferierenden Daten wurden den Anwälten von Cahuzac vorgelegt. Cahuzac rekurrierte dann nicht mehr gegen die Auslieferung, sondern er wechselte nun die Strategie: Gestern gestand er öffentlich ein, dass er rund 600'000 Euro auf Schweizer Konten hatte.

Es ging offenbar sehr schnell. Wie «Le Temps» in Genf meldet, ging bei der Staatsanwaltschaft in Genf am 12. März eine Anfrage zu Cahuzac ein; sie stammte von der Pariser Staatsanwaltschaft. Die Genfer Verfolgungsbehörden holten daraufhin Informationen bei UBS und der Bank Reyl ein. «Le Temps» zitiert den Staatsanwalt Jean-Bernard Schmid mit dem Satz: «Wir haben gefunden, was wir suchten. Die Banken kooperierten, aber sie sind nicht verdächtigt. ... Sie haben einfach auf unsere Fragen geantwortet, und wir fanden, was wir suchten.» («Le Temps»-Artikel hinter Paywall; siehe auch «Le Nouvel Observateur»)

Die klassische Bankgeheimnis-Frage, ob man es hier mit Steuerhinterziehung oder Steuerbetrug zu tun habe, spielte zu diesem Zeitpunkt offenbar keine starke Rolle.

Wichtig ist allerdings, dass die Schweizer Behörden offenbar noch keine Daten nach Paris übermittelt haben. Jean-Bernard Schmid betonte gegenüber der «Tribune de Genève», dass «kein einziges Dokument nach Frankreich transferiert wurde». Der erste Schritt genügte aber, um Cahuzac zur Offenlegung zu drängen.

Abschleichen? Die erste wahre Spur nach Singapur

Im Zank mit den deutschen Behörden war öfters von einer Singapur-Spur die Rede: Schweizer Banken würden Steuerhinterziehern dabei helfen, Gelder nach Singapur zu transferieren. Dies wurde stets dementiert, und die Deutschen konnten auch nicht einmal ansatzmässig Belege für die These vorlegen.

Im Fall Cahuzac ändert das Bild. Dort klärt sich der zeitliche Ablauf sich immer mehr. Laut Informationen, die dem «Canard enchainé» zugespielt wurden, schloss Jérôme Cahuzac sein Konto bei der UBS im Jahr 2000 und transferierte das Geld zur damaligen Vermögensverwaltungsgesellschaft Reyl & Cie. Im Jahr 2010 wurde das Konto bei Reyl – inzwischen eine Bank mit Lizenz – geschlossen und nach Singapur transferiert («Canard enchainé»-Artikel nicht online. Ausschnitte auf «Rue89»).

Noch ist unklar, ob es sich dabei ebenfalls um ein Reyl-Konto handelte. Tatsache aber ist, dass Reyl just im Juni 2010 die Lizenz für eine Tochtergesellschaft in Singapur erhielt und danach dort eine Niederlassung gründete – mit Fokus auf vermögende Kunden. 

Eine Stellungnahme der Bank Reyl war bislang nicht erhältlich. Jérôme Cahuzac hat angekündigt, er werde seine Verhältnisse gegenüber den Behörden in Frankreich offenlegen. Die Singapur-Spur und die entsprechenden Vorgänge dürften demnach mit grösster Sicherheit geklärt werden.

Altlasten? Ein Problem bleibt akut


Mit der Affäre Cahuzac kam der Finanzplatz Schweiz einmal mehr wegen Schwarzgeldern in den europäischen Fokus. Notabene sind Schweizer Konti jetzt gerade auch in Spanien ein grosses Polit-Thema: Der Schatzmeister der Regierungspartei PP – so kam nun heraus – führte zwischen 2001 und 2005 ein Schwarzgeldkonto bei der Dresdner Bank (Schweiz).

Eine erste Lektion, die sich aus diesen Fällen ergibt und in ganz Europa gestreut wird, lautet: Ein Schweizer Bankkonto garantiert alles Mögliche, aber definitiv nicht mehr Diskretion.

Die zweite Lektion: Das Thema beruhigt sich nicht, die Querelen wegen früheren Steuerfällen halten an. Fehlbare Anlagen in der Schweiz werden auch 2013 noch und noch für brisante Affären sorgen – und wohl auch in den Jahren danach.

• Französische Nationalversammlung, 6. Dezember 2012: Jérôme Cahuzac dementiert, dass er je ein Konto in der Schweiz gehabt habe.