Der Chef der britischen Barclays Bank in der Schweiz verantwortet ein riesiges Einzugsgebiet, das bis in den Nahen Osten reicht. In seiner Funktion verbindet Rahim Daya jahrhundertealte Traditionen und aufstrebende Dynamik. In diesem Kontext soll «seine» Bank als Kompass dienen, sagt er im Gespräch mit finews.ch.
Rahim Dayas Funktion ist zweifelsohne ungewohnt und auch sehr grosszügig bemessen: Der Engländer ist seit April 2021 CEO der britischen Bank Barclays in der Schweiz und darüber hinaus zuständig für die Region im Nahen Osten der global tätigen Private-Banking-Einheit von Barclays.
Damit verantwortet er zwei Märkte, die gegensätzlicher kaum sein könnten: neue Welt hier, alte Welt dort – zwischen aufstrebender Dynamik und jahrhundertealten Traditionen.
Für Daya kein Problem, der 2021 mitten in der nicht einfachen Covid-Zeit von Dubai, wo er zuvor Chef gewesen war, nach Genf umzog. Zudem brachte er in seinem Rüstzeug auch eine gehörige Portion Erfahrung als Transformationsmanager im Banking mit – Know-how, das er sich in seiner insgesamt 13-jährigen Zeit bei Barclays zugelegt hatte. Umso eher versteht er seine heutige Rolle als Chance, an der Schnittstelle von sich wandelnden Gegebenheiten und Kundenbedürfnissen zu (inter-)agieren.
Eifrig am Expandieren
Die Barclays Private Bank ist nicht nur an Standorten in Europa und Asien vertreten, sondern versteht sich auch als Drehscheibe für Kunden in Schwellenländern wie dem Nahen Osten und Afrika. Denn: Die Schweiz ist laut Daya nach wie vor ein unvergleichlicher Anziehungs- und Knotenpunkt, ein Hort der Sicherheit und Stabilität, für vermögende Personen und Familien aus aller Welt, die aufgrund der Aufbruchsstimmung im Nahen Osten ihren Fokus aus Diversifikations- und Investitionsüberlegungen immer stärker auf die Golfregion richten.
Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, wie sich Barclays Private Bank als Auslandsbank in der Schweiz zum hiesigen Standort bekennt, während andere Banken ihre Zelte hierzulande abbrechen, wie auch finews.ch erst kürzlich wieder berichtete. Für die Briten steht dies nicht zur Diskussion.
Im Gegenteil, sie sind unter der Dayas Ägide eifrig am Expandieren, sprich, sie haben ihr Personal aufgestockt. Die Bank hat in der Schweiz eine Vielzahl von neuen Frontleuten, primär Privatkundenberaterinnen und -berater sowie Produktspezialisten, angestellt.
Abkommen mit der Creedit Suisse
Noch vor dem Ende der CS als eigenständige Bank, schloss Barclays mit ihr einen Empfehlungsvertrag ab. Dies ermöglichte es der CS, Vermögensverwaltungskunden in Subsahara-Afrika (ohne Südafrika) an Barclays zu verweisen. «Rund 200 Kunden sind so zu uns gestossen, und etwa 20 Mitarbeiter in Dubai, Zürich und London», erklärt Daya im Gespräch mit finews.ch.
Barclays versteht sich auch hierzulande als aktiver Player und spricht potenzielle Kundinnen und Kunden an, die mit einer global tätigen Bank mit Verbindungen zum Vereinten Königreich zusammenarbeiten möchten. «Viele von unseren Kunden haben eine Beziehung zu Grossbritannien und London. Sie haben oft dort eine Weile gelebt, dort studiert oder gearbeitet oder sogar eine Immobilie dort», erklärt Daya.
Ausbau in Zürich
Angesichts der internationalen Population in der Schweiz ist dieses Kundensegment nicht zu unterschätzen. Insbesondere nicht seit dem Niedergang der CS. Die epochalen Veränderungen in der Bankenwelt verunsichern viele Leute, sagt Daya, «sie fühlen sich verloren. Und da ist es die Aufgabe einer Bank, als Kompass zu dienen», sagt der Brite im Gespräch.
Unter diesen Prämissen ist es nicht verwunderlich, dass Daya in seinem Einzugsgebiet ein riesiges Marktpotenzial ortet. Obschon Daya in Genf sitzt, liegt ihm sehr viel daran, dass auch der Standort in Zürich wächst, nachdem er dort die Anzahl Mitarbeitenden von 6 auf mehr als 20 Personen ausgebaut hat.
Delikates Unterfangen
Das Metier der Vermögensverwaltung versteht Daya heutzutage als Auftrag, einer Vielzahl von höchst unterschiedlichen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. «Zwischen den Ansprüchen älterer Kundinnen und Kunden sowie der jungen Generation gehen die Vorstellungen oft diametral auseinander», sagt Daya. «Die sogenannte Next-Gen erwartet Nachhaltigkeit, ESG und gleichzeitig innovative, unkonventionelle Investment-Ideen (Technologie, Künstliche Intelligenz, Private Equity und Club-Deals), während die gesetztere Klientel meist Bargeld und Obligationen vertraut.»
Verwunderlich ist das nicht, herausfordernd ist vielmehr, diesen Gegebenheiten wirklich gerecht zu werden. In grossen, wohlhabenden Familien erweisen sich diese unterschiedlichen Vorstellungen und Erwartungen als delikates Unterfangen.
Rückhalt des Mutterkonzerns
Doch gerade dafür sei eine Bank da, besonders wenn sie den Rückhalt eines Mutterkonzerns geniesse und sich auf dessen Bilanzsumme abstützen könne, sagt Daya.
In dieser Hinsicht würden sich die Bedürfnisse der Kundschaft in der Schweiz und derjenigen im Nahen Osten nur unwesentlich unterscheiden. Insofern könne es durchaus Sinn machen, wenn eine Person zwei so unterschiedliche Marktregionen verantworte, findet Daya.