Die Banklizenz ist weg. Jetzt steht das Luxemburger Bankhaus unter Zwangsverwaltung der Finanzaufsicht CSSF. Ins Zentrum des Interesses rückt der Eigentümer: Stammvater David «Spotty» Rowland drohen aufsichtsrechtliche Sanktionen. Und offenbar will die UBS seine britische Milliardärsfamilie vor die Tür stellen.
Die Banque Havilland durchläuft derzeit das, was man in der Atomphysik wohl als Kernschmelze bezeichnen würde:
Vor einem knappen Monat wurde ruchbar, dass die luxemburgische Aufsichtsbehörde CSSF und die Europäische Zentralbank (EZB) dem Luxemburger Finanzinstitut nach der Lizenz trachten. Was finews.ch am 23. Juli zuerst schrieb, wurde am 1. August Realität: Die EZB-Bankenaufsicht als dafür zuständige Behörde entzog der Banque Havilland in Luxemburg mit ihren über hundert Mitarbeitern die Banklizenz – eine Entscheidung, die das Institut juristisch anficht.
Freiwillige Liquidation in Liechtenstein
Kurz zuvor, am 30. Juli 2024, kündigte die Liechtensteiner Tochtergesellschaft der Banque Havilland, die auch eine Zweigstelle in Zürich betreibt, die Rückgabe ihrer eigenen Banklizenz sowie die freiwillige Liquidation an. Mit der hiesigen Liquidation betraut ist KPMG als Liquidator zusammen mit Jean-François Willems, dem Verwaltungsratspräsidenten am Luxemburger Hauptsitz, sowie Gruppen-CEO Marc Arand.
Ihren Kunden sowie der Öffentlichkeit gegenüber sagte die Banque Havilland anfangs August: «Wir verstehen, dass viele Fragen auftauchen werden, und wir sind entschlossen, zeitnah und transparent zu informieren.»
In Luxemburg: Zwangsverwaltung
Davon kann allerdings bislang eher nicht die Rede sein.
Die Bank hat bis dato keine Begründungen für ihre existentiellen regulatorischen Schwierigkeiten geliefert. Und auch die Regulatoren halten sich, einem Eiertanz gleich, bedeckt. Die Ankündigung des Lizenzentzugs erfolgte ohne die Spur einer Begründung.
«Schwerwiegende und wiederholte Verletzungen»
Immerhin: Erste Hinweise bietet jetzt das Gerichtsverfahren zur Einleitung der Zwangsverwaltung der Bank durch die Aufsichtsbehörde CSSF, das letzte Woche vor dem «Tribunal d’Arrondissement de et à Luxembourg» stattfand.
Das Luxemburger Blatt «Reporter» berichtet (Artikel bezahlpflichtig), dass die Bank die Zwangsverwaltung zwar nicht juristisch angreife, sich aber dennoch gegen die im Raum stehenden Vorwürfe verwahre, dass «die CSSF bei Vor-Ort-Kontrollen auf schwerwiegende und wiederholte Verletzungen in Sachen Unternehmensführung und Dispositiv gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung» gestossen sei.
Advokat Fisch waltet seines Amtes
Damit scheint mittlerweile erstellt, dass es beim Lizenzentzug um Fragen der Governance und der Geldwäsche geht. In Luxemburg sind Ernst & Young sowie der Advokat Laurent Fisch und seine Gesellschaft mit der Zwangsverwaltung betraut.
Weiter heisst es in dem Urteil, das auch finews.ch in anonymisierter Form vorliegt, die Bank verwahre sich auch dagegen, dass «Person 4 sanktioniert werden soll, weil sie die erwähnten Verletzungen orchestriert und ermöglicht haben soll».
Wer ist «Person 4»?
Bei «Person 4» handelt es sich laut der Luxemburger Publikation «Reporter» um keinen Geringeren als David «Spotty» Rowland, den britischen Milliardär, der die Banque Havilland in Luxemburg im Jahr 2009 aus den Überresten der infolge der Finanzkrise konkursiten Kaupthing Bank aus Island herausgekauft hatte.
Persönlicher Freund des seinerseits skandalumwitterten Prinz Andrew, der international Türen für Havilland öffnete, Grossspender und kurzzeitiger Kassier (Treasurer) der konservativen Tory-Partei, und nach eigener Darstellung früher auch Vertrauter der Premierministerin Margaret Thatcher: David Rowland ist sicherlich eine der farbenprächtigsten Figuren der an Charakteren reichen englischen Wirtschaft.
Nähe zu problembehafteten Russen
Aber, und damit wären wir wieder bei der Banque Havilland, er scheint auch eine schwierige geschäftliche Nähe zu als problematisch wahrgenommenen Figuren aus Russland zu pflegen.
Da weder die Bank noch die Regulatoren in dieser Affäre reinen Wein einschenken, möchte finews.ch die These in den Raum stellen, dass David Rowland und seine Bank sanktioniert werden sollen, weil der Eigentümer der Bank einen zu grossen Risikoappetit bei Kundenbeziehungen zu russischen Oligarchen an den Tag legte.
Zwei Top-Oligarchen als Kunden
Wie finews.ch exklusiv berichten kann, gehörte Gennady Timchenko – mit dem von Bloomberg geschätzten Vermögen von 12 Milliarden Dollar einer der vermögendsten Russen mit direkten Kontakten zum Kreml – bereits zu den Havilland-Kunden in Luxemburg, als er 2014 in einer ersten Ukraine-Sanktionswelle von der amerikanischen OFAC auf die berüchtigte Liste von Specially Designated Nationals (SDN) gesetzt wurde.
Gennady Timchenko besitzt den luxemburgischen Pass und geschäftet seit Langem aus dem Grossherzogtum heraus.
Sanktionen umgangen?
Es gibt zurzeit keine konkreten Hinweise darauf, dass die Luxemburger Bank dem sanktionierten Russen Timchenko bei der Umgehung der Sanktionen Hand geboten hätte.
Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch ein Vorfall zwischen dem Havilland-Eigentümer David Rowland und einem anderen Oligarchen, Boris Rotenberg. Dieser soll bereits in dessen frühen St. Petersburger Zeiten mit Russlands Präsidenten Vladimir Putin dem Boxsport gefrönt haben und stieg später zu einem ansehnlichen Reichtum von rund 4 Milliarden US-Dollar auf.
Treffen auf Rowland-Yacht in Monaco
Auch Rotenberg wurde 2014 in der ersten Ukraine-Sanktionswelle von der amerikanischen OFAC-Behörde auf die schwarze Liste gesetzt, was zum Beispiel die Societé Générale in Alarmstimmung versetzte. Sie beendete die Kundenbeziehung.
Was David Rowland nicht davon abhielt, im Jahr 2017 ein Treffen zwischen dem Oligarchen und seiner Bank auf seiner Familien-Yacht in Monaco anzuberaumen, wo die Banque Havilland ebenfalls eine Tochtergesellschaft unterhält. Besprochen wurden die Eröffnung von Bankkonten für die damals nicht sanktionierte Ehefrau von Boris Rotenberg, Karina (sie ist erst seit 2022 auf den Sanktionslisten).
Konto für die Ehefrau
Gemäss einem grossen Daten-Leak bei Rotenberg, auf welches das «Organized Crime and Corruption Reporting Project» Bezug nahm, hat die Banque Havilland mindestens ein Konto für Karina Rotenberg eröffnet, als ihr Gatte bereits sanktioniert war. Auch die britische «Times» berichtete sinngemäss (Artikel bezahlpflichtig).
Besprochen werden sollte auch die Eröffnung für von Rotenberg kontrollierte Gesellschaften auf den British Virgin Islands. Ob es dazu gekommen ist: ungewiss.
Geschäftsmodell: Umgehung von Russland-Sanktionen?
Das Bild verdichtet sich allerdings zum Eigentümer einer europäischen Kleinbank, der in Luxemburg als Helfer für sanktionierte Russen bereitstand.
Von der zeitlichen Abfolge – das Daten-Leak bei Rotenberg ereignete sich vor gut einem Jahr – wäre es möglich, dass dieser Fall den luxemburgischen Behörden und der EZB als Grund diente, jetzt gegen die Bank einzuschreiten.
Steigerung bei den Bussen
Bereits im Jahr 2018 war die Banque Havilland in Luxemburg wegen – damals immerhin noch unspezifisch genannten – Defiziten bei der Geldwäscherei-Vorkehr mit 4 Millionen Euro gebüsst worden. Wie «Reporter» jetzt schreibt, folgte im Mai 2024, also vor wenigen Monaten, die nächste Busse über 5 Millionen Euro für ein verwandtes Vergehen.
Ist also die Beziehung zwischen David Rowland und russischen Oligarchen der Bank zum Verhängnis geworden?
Handel mit Öl und Gas
Das erscheint nicht unplausibel, wenn man weiter weiss, dass David Rowlands Family Office, die Havilland Group in Luxemburg, neben Rowlands Kronjuwel von Immobilien-Investments im UK und der gleichnamigen Bank auch aus dem in Österreich domizilierten Öl- und Gashändler Liwathon Group besteht.
Die Tatsache, dass David Rowland gemäss «Reporter» auch privat mit Berufsverboten in Luxemburg oder Ähnlichem sanktioniert werden soll, deutet darauf hin, dass er selber die Wurzel der regulatorischen Probleme seiner Banque Havilland ist – obwohl Rowland seit vielen Jahren kein offizielles Mandat bei seiner eigenen Bank innehat.
UBS hat offenbar genug
Wie dem auch sei: Auch die Schweizer Grossbank UBS ist dem Vernehmen nach darum bemüht, sich von dem Rowland-Havilland-Komplex freizuschwimmen. Gemäss Informationen von finews.ch sollen die Lohnkonten der Liechtensteiner Einheit von der UBS blockiert worden sein. Ebenfalls soll die UBS die Familie Rowland als Privatkunden vor die Tür gesetzt haben.
Die UBS gibt wie üblich keine Auskunft zu allfälligen Kundenbeziehungen. Die Banque Havilland will weder zu den Gründen des Lizenzentzugs noch zu ihrer russischen Kundschaft, noch zu der Blockierung ihrer Lohnkonten durch die UBS Auskunft geben. Ebenso wie die CSSF. Und die Familie Rowland ist für eine Stellungnahme nicht erreichbar.