Während betroffene Investoren vor die Gerichte ziehen, hat sich der Markt für Pflichtwandelanleihen nach dem Abschreiber bei der Credit Suisse bestens erholt. Papiere von Schweizer Banken würden kaum noch zu einem Risikoaufschlag gehandelt, sagt Fondmanager Luca Evangelisti von Jupiter Asset Management zu finews.ch.
Der Abschreiber auf Pflichtwandelanleihen der früheren Credit Suisse (CS) hat mittlerweile ein globales Nachspiel. Wie auch finews.ch berichtete, klagen in den USA mehrere Hedgefonds gegen die UBS als neues Mutterhaus der Krisenbank. Die Profispekulanten machen dabei geltend, über die Werthaltigkeit der so genannte AT1-Bonds getäuscht worden zu sein.
Dies, nachdem Hunderten Investoren bereits im vergangenen Sommer eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht hatten. Sie werfen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), beim fast 16-Milliarden-Franken-teuren Abschreiber unverhältnismässig gehandelt zu haben.
In höchster Not befohlen
Im März 2023 hatte die Finma die Massnahme in höchster Not befohlen, um den Zwangsverkauf der CS an die UBS mit zusätzlichem Kapital zu flankieren.
Während also die einstige AT1-Investoren vor die Gerichte ziehen, könnten die übrigen Anleger in die auch als «Cocos» bekannten Pflichtwandel-Anleihen von Banken gelassener nicht sein. «Bei der aktuellen Bewertung gibt es kaum keine Prämie auf Papieren von Schweizer Banken», sagt Luca Evangelisti (Bild unten) zu finews.ch.
(Bild: Jupiter AM)
Robuster Start ins Jahr
Der Italiener kennt sich mit den Pflichtwandlern von Grossbanken aus wie kaum ein Zweiter: Er leitet beim britischen Fondshaus Jupiter Asset Management seit Jahren den Financials Contingent Capital Fonds, der sich just auf solche Wertschriften spezialisiert hat.
Der Jupiter-Fonds investiert rund 110 Millionen Dollar in AT1-Bonds und weitere Instrumente, die gemäss den geltenden Vorschriften zur Stabilisierung von Grossbanken im Krisenfall bereitliegen. Der Markt für solche Instrumente hat nach dem ersten Schrecken des CS-Abschreibers floriert und ist laut Evangelisti robust ins Jahr 2024 gestartet: Seit vergangenem Januar warfen solche Instrumente bis zu 3 Prozent Rendite ab.
Widerholung des Falls CS unwahrscheinlich
So könnte es weiter gehen, glaubt man dem Fondsmanager, der früher unter anderem für die führende Bonitätswächterin Moody’s arbeitete. «Dass wir mittelfristig einen Event wie der Notrettung der CS erleben, wird am Markt als sehr unwahrscheinlich erachtet», sagt er.
Derweil bereitet sich die Schweiz auf genau dieses Szenario bei der neuen UBS-CS vor. Anfang April hat der Bundesrat in einer gross angelegten Evaluation auf mehr Eigenkapital bei der neuen Megabank gedrängt – und damit die Bankführung um UBS-Präsident Colm Kelleher und CEO Sergio Ermotti aufgescheucht, die solches kategorisch ablehnt.
UBS liess sich Wandlungskapital bewilligen
Während hierzulande das politische Tauziehen beginnt, hat Anleihen-Experte Evangelisti die Rechnung schon gemacht. Er erwartet, dass die Schweiz die Kapitalanforderungen besonders für systemrelevante Banken verschärfen wird, was vermutlich zu einem Anstieg der Emissionen von AT1-Anleihen führen werde. «Bei der UBS sehen wir eine klaren Bedarf zur Neuemission solcher Instrumente», blickt der Finanzprofi nach vorne.
Tatsächlich hat sich die UBS an der Generalversammlung von vergangener Woche Wandlungskapital von bis zu 70 Millionen bewilligen lassen, von dem sich die Bank mehr Spielraum für die Ausgabe von AT1-Bonds verschaffen kann. Das scheint die These des Fondsmanagers zusätzlich zu untermauern.
Anfang 2023 ausgestiegen
Während Evangelisti bei der Ausgabe zukünftiger UBS-Pflichtwandler zugreifen könnte, hat sein Fonds sich rechtzeitig aus den AT1-Bonds der CS zurückgezogen. Glücklicherweise habe man Anfang 2023 sämtliche Positionen verkauft, sagt er. Schon zuvor habe man die Papiere der Schweizer Grossbank im Fondsportfolio untergewichtet.
Dafür habe der Jupiter-Fonds vorrangige Anleihen der CS erworben, die dank der Übernahme durch die UBS kräftig profitiert hätten, blickt er zurück.
«Die Hierarchie wurde missachtet»
Wäre es also jetzt, gut ein Jahr nach der Notrettung der zweitgrössten Schweizer Bank, angezeigt, rund um das AT1-Debakel zur Tagesordnung überzugehen? Nicht ganz, folgt man dem Fondsverwalter.
Auch er konzediert, dass das Vorgehen der Schweizer Behördendie Investoren erschreckt habe. «Die vorgegebene Hierarchie, wonach erst die Aktionäre und erst dann die Anleihenhalter ihren Einsatz verlieren, wurde missachtet», sagt Evangelisti.
Notenbank der Notenbanken wird aktiv
Das Fanal vom März 2023 hallt denn auch nach. So führt derzeit niemand Geringeres als die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) – die Notenbank der Notenbanken – eine Konsultation zur Zukunft von AT1-Papieren durch. Dabei geht die BIZ auch der Frage nach, ob sich das Umfeld für die Instrumente mit dem Fall CS grundlegend verändert hat.
Ebenfalls treibt die Regulatoren die Frage um, warum die Pflichtwandler immer erst so spät «getriggert» wurden. Bei der CS wie auch spanischen Banco Popular Español im Jahr 2017 gelangten sie erst zum Einsatz, als die Banken nur noch verkauft werden konnten.
Es bräucht erst eine Konsens
Dass sich im Geschäft mit AT1-Anleihen die Rahmenbedingungen rasch ändern, glaubt Evangelisti jedoch nicht. Dazu bräuchte es zumindest europaweit einen Konsens. Darüber hinaus würde eine mögliche Anhebung der derzeitigen Auslöseschwelle für AT1-Anleihen das Risiko des Instruments erhöhen. Dies würde wiederum dazu führen würde, dass die Anleger deutlich höhere Renditen verlangen.
Letzteres könnte sich für die Grossbanken als prohibitiv teuer erweisen