Eine weniger bekannte Aufgabe von Bankchef Sergio Ermotti lautet: Er muss innerhalb der UBS drei valable Personen für seine eigene Nachfolge finden. Ein Kriterium wird dabei besonders wichtig – und dieses hilft den meistgehandelten Kandidaten nur bedingt.
Sergio Ermotti hat eine beeindruckende To-do-Liste vor sich. Bis in zwei Jahren muss der CEO der UBS die Integration der Credit Suisse (CS) abgeschlossen und 13 Milliarden Dollar eingespart haben. Dann verbleiben ihm zwei weitere Jahre Zeit, um die kombinierte Grossbank zu einer 5-Billionen-Dollar-Vermögensverwalterin zu formen.
Mit 67 Jahren wäre der Top-Banker, den die UBS im April 2023 nochmals an ihre Spitze berufen hatte, dann tatsächlich in der Lage, kürzer zu treten.
Drei valable Vorschläge
Doch bis dahin wartet noch eine weitere Aufgabe auf ihn: Er muss dem Verwaltungsrat mehrere valable Kandidaten für die eigene Nachfolge präsentieren.
So wünscht es sich Colm Kelleher, der Präsident des Bankriesen. Wie er kürzlich in einem Interview bestätigte, hält er diese Lösung für ideal. «Ich hätte gerne drei interne Kandidaten», erklärte der Ire an der Spitze der Schweizer Marktführerin. In vier Jahren sei die Integration abgeschlossen, und dann könne die Bank sich voll auf die Zukunft konzentrieren.
Externe Lösung als Variante
Eine externe Lösung behält sich der UBS-Verwaltungsrat zwar vor; um die Kandidaten von aussen müsste das Gremium aber selber besorgt sein.
Als Vorbild für die bankinterne Nachfolgeplanung könnte der UBS die amerikanische Grossbank Morgan Stanley dienen. Das Wallstreet-Haus hat über die vergangenen Jahre hinweg sorgfältig drei interne Kandidaten für den Langzeit-Chef James Gorman aufgebaut. Im Herbst 2023 entschied sich das Institut schliesslich für Edward «Ted» Pick.
Der UBS-Präsident gibt unumwunden zu, dass ihm «die Idee gefällt», wie er im Interview erklärte. «Aber das muss Sergio entscheiden.»
Selber Kandidaten aufgebaut
Sinnigerweise hatte Kelleher vor seiner Berufung zur UBS Karriere bei Morgan Stanley gemacht. Er war dabei selber in den Aufbau der Kandidaten involviert. «Ich holte Andy Saperstein aus der Vermögensverwaltung und machte ihn zu meinem operationelle Leiter. Wir haben Ted Pick in den Vorstand von Smith Barney geholt. Wir wechselten die Leute, damit sie breite Erfahrung sammeln können», blickte der Wallstreet-Veteran zurück.
Daraus lässt sich das Prinzip vom Morgan Stanley ablesen: Mehrere Manager wurden durch möglichst viele Ämter rotiert, um ihnen eine breite Führungserfahrung zu verschaffen. Erst damit qualifizierten sie sich für das Amt des Konzernchefs.
(Bild: UBS)
Alte Grabenkämpfe
Offenbar hegt nun UBS-Ermotti für seine Nachfolge ähnliche Ansprüche. Doch wie er kürzlich an einer Investorenkonferenz erklärte, sei es in einer Grossbank schwierig, unter den zahlreichen Spezialisten Talente auszumachen, die über ein breiteres Verständnis für das Geschäft verfügten.
In der UBS könnte das zum Problem werden. Dies einerseits aufgrund der Historie der Bank. Trotz globalem Anspruch war das Institut lange von Gräben zwischen dem Ausland- und Inlandgeschäft geprägt. Hinzu kamen grosse kulturelle Unterschiede zwischen der Investmentbank angelsächsischer Prägung und dem Private Banking, wo die Swissness hochgehalten wurde.
Ein neues Silo
Erst in den jüngsten Jahren hat sich eine einheitliche Konzernkultur etabliert, bei der Kunden überall auf der Welt die gleiche Art von Betreuung vorfinden und Mitarbeitende mühelos zwischen Kontinenten wechseln. Mit der Integration der CS-Kräfte, zumal in der Vermögensverwaltung, kommt nun aber nochmals eine ganz andere Kultur und ein neues «Silo» hinzu, das erst absorbiert werden muss.
Anderseits ist die Bank – trotz Bemühungen hin zu mehr Agilität – weiterhin von starren Prozessen und Hierarchien geprägt. Die Rückkehr Ermottis, der in seiner ersten Amtszeit als CEO bei der UBS noch eine zusätzliche Führungslinie einzog, unterstreicht dieses Merkmal eher noch. Auch das kann sich als Hindernis für Talente erweisen, die über ihren jeweilige Bereiche und Sparten hinaus Führungserfahrung sammeln möchten.
Für kulturelle und digitale Transformation zuständig
Die vier Jahre, die bis zur Ermotti-Nachfolge noch bleiben, könnten sich vor diesem Hintergrund als knapp bemessen erweisen. Derweil stellt sich die Frage, ob die bereits heute als Top-Kandidaten gehandelten Mitglieder der Geschäftsleitung über das Rüstzeug verfügen, um das Breite-Kriterium zu erfüllen.
Aus diesem Managerkreis scheint dies bei der gegenwärtige Schweiz-Chefin der kombinierten Grossbank, Sabine Keller-Busse (Bild oben), schon leidlich der Fall zu sein. Als einstige McKinsey-Beraterin brachte sie bereits ein breites Spektrum zur Grossbank mit; in ihrer vorherigen Position als operationelle Chefin der Gruppe (COO) oblag ihr die Verantwortung für globale Funktionen wie Technologie, Personalwesen und den rückwärtigen Dienst.
In dieser Rolle hatte sie sowohl die digitale wie auch die kulturelle Transformation der Gruppe voranzubringen. Von 2019 bis 2021 war sie zudem für das Geschäft in der Region Europa, Nahost und Afrika (Emea) verantwortlich.
Als langjähriges Mitglied des Verwaltungsrats der Börsenbetreibering SIX verfügt sie ausserdem über vertiefte Kenntnis des Finanzplatzes.
Ein Private Banker durch und durch
Demgegenüber ist Iqbal Khan (Bild unten), der Leiter der Globalen Vermögensverwaltung (GWM), ein Private Banker durch und durch.
Er hatte es bei der Beratungsfirma EY rasch zum Partner gebracht, kletterte dann in der Vermögensverwaltung der CS die Karriereleiter bis zum Chef des damaligen internationalen Wealth Management (IWM) hoch, bevor er 2019 von der UBS abgeworben wurde. Seither gilt er zwar als Kronprinz der Grossbank. Jedoch stammt seine Erfahrung vorab aus dem Geschäft mit reichen Privatkunden.
(Bild: UBS)
Seite Neuestem auch für Nachhaltigkeit zuständig
Deshalb: gilt ein breite Erfahrung als Killerkriterium für die Ermotti-Nachfolge, dann hätte im UBS-Management wohl Beatriz Martin Jimenez ausgezeichnete Karten.
«Bea» Martin ist im vergangenen Mai in die Konzernleitung vorgerückt und nimmt seither als Leiterin für den Bereich Non-Core & Legacy, also die nicht mehr benötigten Teile der CS, eine Schlüsselrolle bei der Integration der Tochterbank ein. Zudem wirkt sie als Regionen-Verantwortliche für das Geschäft in Europa, Nahost und Afrika (Emea), als Länderchefin in Grossbritannien und seit diesem März 2024 als Zuständige für Nachhaltigkeit und «Impact» auf Gruppenstufe.
Stabschefin von Andrea Orcel
Zuvor war Martin unter anderem Treasurer der Gruppe, operationelle Leiterin der Investmentbank und Stabschefin des damaligen Spartenchefs Andrea Orcel, der heute die italienische Grossbank Unicredit als CEO führt.
Zuvor hatte die Investmentbankerin sowohl bei Morgan Stanley wie bei der Deutschen Bank Karriere gemacht, blickt also auch auf einen international breiten Werdegang zurück. Die Ernennung der Spanierin war 2023 eine Überraschungen; nun könnte sie dereinst gar das oberste operative Amt der UBS erklimmen. Aber noch sitzt Ermotti fest im Sattel.
Wie sagte Bankpräsident Kelleher nämlich: «Vier Jahre sind eine lange Zeit.»