Die grösste Schweizer Bank wird mit der Zwangsübernahme noch viel grösser – vielleicht zu gross für die Schweiz? Allein diese Frage wird 2024 bei der UBS viel zu reden geben und den Finanzplatz in Atem halten.
Jeweils zu Jahresbeginn 2022 und 2023 hatte finews.ch die «Agenda der Angst» bei der Credit Suisse (CS) beschrieben. Die Probleme der zweitgrössten Schweizer Grossbank waren damals schon so zahlreich, dass sie den Finanzkonzern Monat für Monat in ihrem Bann hielten und vom operativen Geschäft ablenkten.
Eine Folge davon war der zunehmende Vertrauensverlust, der schliesslich in einem ersten (im Oktober 2022) und dem zweiten «Bank Run» vom vergangenen März mündete – und im Zwangsverkauf an die Schweizer Konkurrentin UBS.
(Bild: UBS)
Letztere hat mit der CS-Übernahme nun nicht nur die toxische Vergangenheit des Instituts geerbt, sondern packt mit der Integration der neuen Tochterbank eine Aufgabe an, die es bezüglich Komplexität und Risiko so im Bankwesen noch nie gegeben hat.
Und als ob die Herausforderungen noch nicht gross genug wären, muss die UBS-Führung um Bankchef Sergio Ermotti (Bild oben) und Präsident Colm Kelleher diverse externe Risiken im Auge behalten; insgesamt hat die «neue» UBS in den kommenden Monaten gleich mehrere Hürden zu nehmen:
1. Monate voll des mühseligen Klein-Klein
Spätestens seit dem Entscheid zur Vollintegration der CS Schweiz vom vergangenen August ist die Zeit der «Quick wins» für die UBS-Führung vorbei. Nun steht das mühsame Klein-Klein der Integration an, bei der es aber bald um ganz Wesentliches geht: 2024 soll der Transfer von CS-Kunden aus den Kernsparten auf die UBS-Plattform beginnen.
Das ist auch mit Blick auch die IT eine Übung, die in diesem Ausmass noch nie unternommen wurde und für sich selbst genommen vielerlei Risiken birgt, zumal die Gefahr von Verspätungen. Gleichzeitig werden allein 3’000 Entlassungen in der Schweiz erwartet. Die Misstöne rund um die bisher mit Vorschusslorbeeren bedachten UBS werden deshalb lauter werden.
2. Im Frühling droht eine Portion «Populismus»
UBS-Chef Ermotti ist der festen Überzeugung, dass die Schweiz eine noch grössere Grossbank braucht, um im globalen Wettbewerb der Finanzplätze nicht zurückzufallen. Allerdings findet er, dass die neue, um die CS ergänzte UBS, dazu keineswegs mehr Eigenmittel benötigt. «Es braucht nicht noch mehr teures Eigenkapital. Das zu behaupten, ist reiner Populismus», polterte der Manager kürzlich in einem Medieninterview.
(Bild: Parlamentsdienste / Tim Loosli)
Ermottis Standpunkt wird jedoch nicht von allen geteilt, zumal von der zuständigen Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter (Bild oben). Die Bundesrätin will dem Parlament im kommenden Frühling eine Evaluation zur sogenannten «Too big to fail»-Regulierung für systemrelevante Banken vorlegen – und dabei wird die Frage nach zusätzlichen Eigenmittel-Anforderungen für die UBS zentral.
Tabus soll es dabei keine geben: Laut Keller-Sutter werden in der bevorstehenden Evaluation «all die unangenehmen Fragen wirklich diskutiert». Die Bundesrätin hat allerdings anderenPrioritäten als der UBS-Chef. Das oberste Ziel, betonte die Finanzministerin, sei der Schutz des Staates und der Steuerzahlenden.
3. Erhebt der Aktivist an der Generalversammlung seine Stimme?
Die Vision einer UBS als globales «Wealth Management Powerhouse» hat an den Finanzmärkten für viel Fantasie gesorgt. Seit der CS-Übernahme vom vergangenen März kletterte der Börsenwert der UBS beinahe um die Hälfte. Zugekauft haben dabei nicht nur Kleinaktionäre, sondern auch potente Profiinvestoren. Cevian etwa hat im vergangenen Dezember für rund 1,2 Milliarden Euro UBS-Aktien erworben und luftige Hoffnungen geäussert: Die schwedische Finanzinvestorin hält es für möglich, dass die Grossbank ihren Aktienkurs innert nützlicher Frist auf 50 Franken verdoppeln kann.
Cevian ist nicht dafür bekannt, dass sie sich als Grossaktionärin aufs Zuschauen beschränkt. Die Schweden gelten als aktivistische Investoren, die ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen wissen. Die Frage ist nun, ob die Grossaktionäre der Bank an der UBS-Generalversammlung vom 24. April immer noch in Jubelstimmung sind – oder das Management der Bank mit Nachdruck zu noch mehr Tempo antreiben werden.
4. CS-Investoren stellen Milliardenforderungen
Mit dem Zwangsverkauf an die UBS konnte die CS zwar stabilisiert werden. Doch der tiefe Verkaufspreis sowie der Entscheid der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), Pflichwandelanleihen (AT-1-Bonds) der Krisenbank im Gegenwert von fast 16 Milliarden Franken abzuschreiben, führten am Finanzmarkt in der Folge zu einem Aufschrei. Seither formieren sich Sammelkläger, wobei der Fokus für den Moment noch auf der Schweiz liegt.
Einerseits reichten Tausende CS-Aktionäre am Zürcher Handelsgericht Musterklagen gegen das Umtauschverhältnis von CS- zu UBS-Aktien beim Verkauf der Bank ein; gefordert wird mithin das Doppelte dessen, was die UBS für die CS zahlte.
Anderseits haben AT-1-Investoren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen die Finma lanciert, die den Abschreiber der Pflichwandelanleihen per Notrecht durchgedrückt hatte. Dabei argumentierten die Beschwerdeführer mit der Verhältnismässigkeit des Vorgehens; sie könnten aber auch eine unrechtmässige Enteignung geltend machen, womit der Bund und damit der Steuerzahler für eine Entschädigung in die Pflicht genommen würden.
Beide Komplexe sind für die UBS relevant. Die Musterklagen der Aktionäre zielen direkt auf die Grossbank und fordern eine höheren Preis für die CS-Titel. Bei der Beschwerte vor dem Bundesverwaltungsgericht ist die UBS derweil nur eine involvierte Partei. Würden die AT-1-Gläubiger jedoch mit ihren Forderungen bei der Instanz durchdringen, müsste der ordnungsgemässe Zustand wieder hergestellt werden und die AT1-Anleihen erneut aktiviert werden – diesmal aber in den Büchern der UBS.
Die buchhalterischen Sondergewinne, welche die Bank im Jahr 2023 einfahren konnte, würden sich damit wohl in Luft auflösen.
5. Auch die Altlasten geben noch zu reden
Setzte die CS unter ihrem langjährigen Ex-Präsidenten Urs Rohner auf maximale Gegenwehr bei Klagen, unternimmt es die UBS nun, die juristischen Altlasten der neuen Tocherbank möglichst rasch vom Tisch zu bekommen. Im Komplex rund um die Mosambik-Affäre, die Archegos-Pleite und um den Streit mit dem schwerreichen Georgier Bidsina Iwanischwili (Bild unten) konnten teils Fortschritte erzielt werden.
(Bild: PD)
Die zahlreichen Sammelklagen etwa, die in den USA im Vorfeld des CS-Untergangs eingereicht wurden, sind aber noch gar nicht richtig in Fahrt gekommen. Der grössten Schweizer Bank droht damit in den nächsten Monaten eine weitere Front, an der nur dies berechenbar ist: Die Aufarbeitung der CS-Altlasten wird Schlagzeilen-trächtig und teuer.
Die Übernahme der Altlasten aus den zahlreichen Skandalen, welche die CS in den vergangenen Jahren erlebt hat, sind beim Kauf der Grossbank von Anfang an «inbegriffen» gewesen. Die UBS hat im Verlaufe des vergangenen Jahres Rückstellungen für CS-Rechtsrisiken im Umfang von mehr als 4 Milliarden Dollar fix eingebucht. Ebenfalls hat das Institut selber mehr als 6,13 Milliarden Dollar für rechtliche und regulatorische Belange zurückgestellt.
6. Französischer Stachel
Im Steuerstreit mit Frankreich ist der UBS vergangenen November der Befreiungsschlag einmal mehr verwehrt geblieben: Die Auseinandersetzung mit der Justiz des Nachbarlandes, bei dem es um Hunderte Millionen Euro geht, ging stattdessen in nach fast zehn Jahren in die nächste Runde.
So hat der Kassationshof in Paris das Urteil der Vorinstanz am Mittwoch in Bezug auf Strafen annulliert und einen neuen Prozess vor dem Berufungsgericht verlangt. Als Rückschlag für die Grossbank war dabei zu werten, dass das letzte Verdikt am Vorwurf der illegalen Kundenwerbung sowie der Geldwäscherei von Erträgen aus Steuerbetrug festhält. Für die UBS ist die Feststellung, kriminell gehandelt zu haben, eine zu gravierende Belastung für die Reputation, um sie akzeptieren zu können.
Insofern scheint die nächste Runde in dem nun schon fast zehn Jahre andauernden Streit unausweichlich, und sie wird Ermotti sehr bekannt vorkommen: Der Gang vor das Berufungsgericht geschah noch in seiner ersten Amtszeit als Chef der UBS.
7. PUK als Schlusspunkt
Eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) soll die Notübernahme der CS und die damit zusammenhängenden Bundesratsentscheide umfassend aufarbeiten. Eingesetzt wurde sie bereits im vergangenen Juni, und im Oktober haben die Mitglieder mit dem Beginn der Anhörungen ihre Arbeit aufgenommen. Zum Jahresende 2023 hat PUK-Präsidentin Isabelle Chassot (Bild unten) allerdings angekündigt, dass der Bericht Kommission erst Ende 2024 vorliegen wird – also am Ende der erwarteten Frist von zwölf bis 15 Monaten nach der formellen Einsetzung.
(Bild: Keystone)
Die Verlängerung ist für die in die CS-Rettung involvierten Parteien eher ungünstig; bei vielen kritischen Arbeiten und Entscheiden wird jeweils auf das Resultat der PUK verwiesen, das erst noch abgewartet werden müsse. Die Folge ist Stillstand, während es eigentlich gälte, die neue Schweizer Megabank mit Hochdruck abzusichern und aus der Rettungsaktion Lehren für die Zukunft zu ziehen.