Bankenkrisen lassen sich nur schwer verhindern. Darum begegnet der Schweizer Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann auch der «neuen» UBS mit einiger Skepsis. Sie könnte für den Schweizer Finanzplatz zu gross werden. Gleichwohl würden einige Vorkehrungen nützen, damit sich ein Debakel wie mit der Credit Suisse in zehn oder 15 Jahren nicht wiederholt.
Knapp eine Woche vor der wichtigsten Ankündigung zur endgültigen Integration der Credit Suisse (CS) in die UBS ist der Schweizer Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann der Meinung, dass es in zehn oder 15 Jahren erneut zu einer grossen Bankenkrise in der Schweiz kommen dürfte. «Die UBS ist nicht sicher», sagte er am vergangenen Mittwoch an einer Tagung der Fachschule für Bankwirtschaft (FSB) in Zürich.
Straumanns gewagte Prognose hängt nicht primär mit der (künftigen) Organisation der UBS zusammen, die am Donnerstag der nächsten Woche vollends enthüllt werden soll, sondern vor allem mit der historischen Logik und dem Vermögen respektive dem notorischen Unvermögen der Aufsichtsbehörden zusammen, wie er weiter ausführte. Dabei legte er eindrücklich dar, in welchem Verhältnis – global gesehen – die Mobilität des Kapitals mit der Anzahl Bankenkrise steht.
Kapitalmobilität entscheidend
Je grösser die Globalisierung in der Welt und damit auch die Kapitalmobilität ist, desto zahlreicher sind die Bankenkrisen. Das zeigte sich beispielsweise bereits zwischen 1880 und 1914, als der Grad an wirtschaftlicher Offenheit in der Welt sehr hoch war. In dieser Zeit kam es auch zu ausserordentlich vielen Bankenkrisen, wie die nachstehende Grafik zeigt.
Rote Linie: Kapitalmobilität, blaue Linie: Anzahl Bankenkrisen (Quelle: Carmen Reinhart, 2010; zum Vergrössern, Grafik anklicken)
Ähnliches wiederholte sich dann in den 1980er- und 1990er-Jahren als die Globalisierung erneut überhandnahm, was schliesslich in der Dotcom-Krise mündete. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich in Zeiten steigender oder hoher Zinsen ebenfalls mehr Bankenkrisen ereignen, was mit Blick auf die nächsten Jahre eher zu Besorgnis führen müsste, wie Straumann weiter erklärte und wie die nachstehende Grafik illustriert.
Zinszyklen in Relation zu Finanzmarktkrisen (Quelle: Bloomberg/FT; zum Vergrössern, Grafik anklicken)
Abwicklung einer Grossbank bleibt ein Abenteuer
Entscheidend, ob es zu einer weiteren Bankenkrise hierzulande kommt, dürfte indessen sein, ob es der Schweizer Regierung und den Behörden gelingt, eine Regulation auf die Beine zu stellen, die rückblickend das jüngste Debakel rund um die CS hätte vermeiden können. In diesem Zusammenhang betonte Straumann, dass man in Bern seit 25 Jahren Massnahmen zur Verringerung von Hochrisikogeschäften der (Gross-)Banken fordere, und verwies dabei etwa auf ein Postulat der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-NR, 98.033) von 1999.
Dass solche Forderungen, die immer wieder aufgebracht werden, ins Leere laufen, hat einen einfachen Grund, den die Ökonomen Armin Jans, Christoph Lengwiler und Marco Passardi in ihrem Standardwerk «Krisenfeste Schweizer Banken» wie folgt formuliert haben: «Trotz aller Vorbereitung wird die Abwicklung einer Grossbank ein Abenteuer bleiben. Deshalb haben sowohl das Management der Bank als auch die Finma starke Anreize, die Einleitung eines Abwicklungsverfahrens so lange wie möglich hinauszuzögern.»
Finanz-Feuerwehr gefordert
Damit bringen die Autoren genau das Dilemma des CS-Debakels auf den Punkt, zumal vieles darauf hindeutet, dass ein früheres und forscheres Eintreten der Finma und auch der Schweizerischen Nationalbank (SNB) möglicherweise einiges hätte verhindern können. Doch so weit kam es nicht. Inzwischen ist es müssig, darüber zu debattieren, gleichwohl lässt sich feststellen, dass eine bessere Abstimmung zwischen der SNB und der Finma durchaus von Nutzen gewesen wäre, wie Straumann erklärte.
Er vergleicht die Vermeidung einer Bankenkrise im übertragenen Sinne mit der Feuerbekämpfung. Neben den Gebäudevorschriften und den Gebäudeversicherungen braucht es vor allem auch eine einsatzstarke Feuerwehr – in diesem Fall eine «Finanz-Feuerwehr», die eingreift, wenn es zu einer Liquiditätskrise respektive zu einem «Bank-Run» kommt, indem sie Obergrenzen für Kapitalbezüge bestimmt, die Sicherheiten für die Klientel ausweitet, strengere Vorschriften erlässt oder Bankfeiertage einführt.
Denkbar wäre auch, wie es der Schweizer Finanzprofessor Heinz Zimmermann postuliert, Schwellenwerte bei den CDS-Spreads (Kreditausfall-Versicherungen) einzuführen, welche die Behörden zum Eingreifen regelrecht zwingen würden.
Kühne Überlegung
Geradezu kühn ist indessen die Überlegung Straumanns, die Eigenkapitalquote dermassen zu erhöhen, dass eine Grossbank wie die UBS ihr internationales Geschäft aus Kostengründen dann ins Ausland verlegt. Natürlich wäre dies zunächst mit allerhand Einbussen verbunden. Doch dabei gilt es auch den Umkehrschluss zu bedenken, dass eine «Super-UBS» wie sie nun am Entstehen ist, ein für den Schweizer Finanzplatz ungünstiges und allzu riskantes Kosten-/Nutzen-Verhältnis darstellen würde. «Eine solche UBS könnte nicht mehr im Sinne des Schweizer Finanzplatzes sein», gab Straumann zu bedenken.
Letztlich dürfte auf mittlere Sicht die Zusammenarbeit zwischen der Finma und der SNB den Ausschlag geben, ob und wie sich eine weitere Bankenkrise abspielen wird. Insofern sind Forderungen, künftig mehr Kompetenz bei der Finma aufzubauen und gleichzeitig die Bereitschaft der SNB zu erhöhen, ihre Autorität vermehrt in den Dienst der bisweilen etwas überfordert wirkenden Aufsicht zu stellen, nicht gleich vom Tisch zu wischen.