Die Liquiditätsspritze der SNB ist ein Befreiungsschlag für die Credit Suisse. Doch die Regulierungsbehörden machen im Umgang mit dem CS-Schlamassel und der internationalen Bankenkrise eine schlechte Figur.
Was die Credit Suisse (CS) fast gebetsmühlenartig von sich gewiesen hat, ist nun schockartig eingetreten: Die Bank konnte ihre Stabilität in der sich international ausweitenden Bankenkrise nicht mehr aus eigener Kraft sichern und klopfte deshalb bei den Schweizer Behörden an. Sie sollten helfen, die Zweifel um die Liquidität und Solidität der Bank zu zerstreuen.
Das Rettungspaket, das an den Umfang zum Schutz der UBS in der Finanzkrise 2008 erinnert, ist umfassend und stark. Es erfüllt die wichtigste Anforderung an einen veritablen Befreiungsschlag.
(Zu) spätes Eingreifen?
Die Gefahr des «too little» ist also gebannt. Ist es aber nicht «too late»? Oder hätte bei einem früheren und entschiedeneren Eingreifen die Stützungsaktion weniger massiv ausfallen können?
Nicht wenige Beobachter sind überzeugt, dass ein beherzteres Vorgehen angezeigt gewesen wäre. Allerdings hat nicht nur die CS selbst mit ihrer Sanierungsmannschaft die Lage zu lange zu rosig dargestellt. Auch die Behörden müssen sich im Rückblick den Vorwurf gefallen lassen, allzu sorglos agiert zu haben.
Untrügliche Warnzeichen
Vor allem der überstandene Bank-Run der CS im vergangenen Herbst wurde falsch eingeordnet, wie Teodoro Cocca auf finews.ch kritisiert. Nach seinem Urteil war klar, dass sich die Fundamentaldaten der Bank nicht rasch genug verbessern konnten, um einen zweiten Ansturm auf die Bank schadlos zu überstehen.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hätte deshalb genauer hinschauen müssen und von der systemrelevanten Bank öffentlich eine rigorosere Sanierung einfordern müssen.
Dann wären die Chancen besser gestanden, dass die CS mit der von den USA ausgehenden Bankenkrise nicht rasch ins Gerede kommt und sich die Zweifel auf die Aktien- und Anleihenpreise der Bank übertragen.
Ein naheliegendes Opfer
Weil zu lange zugeschaut wurde, war es aus der Kapitalmarkt-Logik nur eine Frage der Zeit, dass sich die Investoren nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) und zweier anderer Regionalbanken in den USA auf andere schwächelnde Finanzinstitute stürzten und dabei die CS als möglichen nächsten fallenden Dominostein ins Visier nahmen.
Kritik müssen sich die Finma und Schweizerische Nationalbank (SNB) freilich auch gefallen lassen, weil der späte Eingriff beinahe einer Vollkasko-Versicherung für systemrelevante Banken mit Managementversagen gleichkommt.
Wortbrüchige USA
Allerdings gingen unmittelbar zuvor die USA mit einem schlechten Beispiel voran. Es ist ein kühner Schwenker, dass die USA mit dem Zusammenbruch der SVB von ihren eigenen Regeln abgewichen sind und nicht nur die ersten 250’000 Dollar, sondern sämtliche Kundeneinlagen der Bank garantieren.
Zunächst wurde die in Kalifornien ansässige Startup-Bank als zu klein angesehen, um den Regeln zu unterliegen, die eine Wiederholung der globalen Finanzkrise von 2008 verhindern sollen.
Gefährliche Präzedenzfälle
Zwar ist nicht völlig von der Hand zu weisen, dass ein Verzicht auf die vollständige Rettung der Einleger ein grösseres Risiko bedeutet hätte. Die nachträgliche Einstufung der SVB als systemrelevant ist jedoch fragwürdig und schafft einen gefährlichen Präzedenzfall für weitere Rettungsaktionen von nicht versicherten Einlagen.
Auch die Europäer, die den Amerikanern jetzt Vorhaltungen machen, müssen vor der eigenen Türe wischen. So war etwa das Verhalten der Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Rettung der staatlichen Bank Monte dei Paschi ebenfalls nicht lupenrein.
Lockeres Spiel mit der Systemrelevanz
Das lockere Spiel mit der Systemrelevanz lässt befürchten, dass weltweit vereinbarte Regelungen untergraben werden, die nach der Finanzkrise 2008 zu einem grundlegenden Wandel im Umgang mit dem Zusammenbruch von Banken geführt hatten.
Im Zentrum der geltenden Vorschriften steht die Auferlegung von Verlusten auf Eigentümer, Anleihegläubiger und andere ungesicherte Gläubiger, einschliesslich Einleger mit Geldern, die die Garantiegrenze ihres Landes übersteigen.
Aufgeweichte Regeln
Werden diese Regeln weiter aufgeweicht, werden die Kosten von Bankrettungen ausgeweitet. Dann treffen sie zulasten der Preisstabilität die ganze Wirtschaft oder bei staatlichen Rettungsschirmen den Steuerzahler. So hat die Finanzstabilität einen hohen Preis.