Das traditionelle Stelldichein der Schweizer Banken ist in Neuenburg mit einer dramatischen Note über die Bühne gegangen. Die Branche zeigte sich aber am Bankiertag 2022 von einer sprichwörtlich wetterfesten Seite.
Die Klänge einer tickenden Uhr, das Bild eines Kartenhaues und eine Videoanimation mit wachsenden Schuldenbergen setzten den Ton gleich zu Anfang: Die Schweizer Banken durchleben derzeit ernste, wenn nicht gar düstere Zeiten. Dazu passten der sintflutartige Regen über der Stadt Neuenburg und das Referat, mit dem Marcel Rohner (Bild unten) den Bankiertag 2022 am Donnerstag Nachmittag eröffnete.
Faktische Enteignung
Mit 256 Prozent des weltweiten BIP habe die Verschuldung einen weltweiten Höhepunkt erreicht, rechnete der Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) den in einer umfunktionierten Kirche dicht an dicht sitzenden Branchenvertreterinnen und -vertretern vor. Zudem grassiere nun die Teuerung, welche die faktische Enteignung der Sparer, die Entwertung der Altersvorsorge und die Verarmung grosser Teile der Bevölkerung mit sich bringe.
«Wir wissen aus der Geschichte, was dies bedeutet», mahnte der oberste Schweizer Banker.
(Bild: finews.ch)
«Pessimismus hilft keineswegs weiter»
Rohner, der über weite Strecken auf Französisch referierte, liess das Publikum jedoch nicht mit dieser Dystopie zurück; er sieht den Ausweg aus der Schuldenfalle in neuem Wirtschaftswachstum, einer wachstumsfreundliche Standort- und Wirtschaftspolitik sowie im Fokus auf Substanz im Bankengeschäft.
«Wir werden in den kommenden Jahren sehr viel Gegenwind haben. Pessimismus aber hilft keineswegs weiter», erklärte der SBVg-Präsident. «Die Welt wird nicht stillstehen und neue Chancen werden sich ergeben.»
Tatsächlich hatten die rund 350 in Neuenburg erschienen Bankerinnen und Banker Gelegenheit, sich von ihrer wetterfesten Seite zu zeigen. Viele erreichten den Anlass im vom Sturzregen noch dunkler gefärbten Anzügen; die mit dem Zug angereiste Westschweizer Fraktion hatte wegen eines Personenunfalls teils über Bern ausweichen müssen.
Unter Polizeischutz zum Apéro riche
Vor Ort trafen sie auf ein grösseres Polizeiaufgebot und eine kleine, aber hartnäckige Schar von Demonstranten, die bankenkritische Parolen skandierten und dem Anlass auf all seinen Stationen folgten (Bild unten). Den Apéro riche in einem Hotel mit Seeanstoss erreichten die geladenen Finanzprofis dann nur im Schutz eines Polizeikordons.
Von der Widerstandskraft der Branche zeugte am Donnerstag auch der Bankenverband von Neuenburg, der heuer sein 100-jähriges Bestehen feiert und den am Anlass Präsident Mirko Mandola vertrat. Wirtschaftsminister Guy Parmelin überbrachte die Grussbotschaft des Bundesrats und lobte seinerseits die Robustheit des Sektors.
(Bild: finews.ch)
Erfreuliche Erkenntnis
Jörg Gasser, CEO der SBVg, diskutierte mit Lernenden über die verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten und Lehrgänge in einer Bank und schaute mit ihnen in die Zukunft des Metiers. Noch immer gibt es also hoffnungsvolle Berufseinsteiger, die ihre Karriere trotz Gegenwind im Banking starten wollen. Das dürfte wohl mithin eine der erfreulichsten Erkenntnisse des Anlasses gewesen sein.
Gestandene Bankchefs blickten derweil auf den aufgewühlten Neuenburger See hinaus und griffen zu nautischem Vokabular: Keinesfalls lasse man sich jetzt vom eingeschlagenen Kurs abbringen; schliesslich, und das wissen sie aus langer Erfahrung, hat man schon andere Zeiten erlebt.
Generationenwechsel im SBVg-Verwaltungsrat
Kontinuität zeigte schliesslich auch die SBVg selber. Im Vorfeld des Anlasses vom Donnerstag hatte der Banken-Dachverband seine Generalversammlung durchgeführt und neben der Bestätigung der bisherigen Mitglieder des Verwaltungsrats sieben neue Verwaltungsräte und -rätinnen für die Amtsperiode 2022 bis 2025 gewählt. Es sind dies:
- Urs Baumann, Vorsitzender der Generaldirektion (CEO), Zürcher Kantonalbank
- Renaud de Planta, Senior Managing Partner, Pictet
- Lukas Gähwiler, Vizepräsident des Verwaltungsrats, UBS, sowie Vizepräsident SBVg
- Markus Gygax, Verwaltungsratspräsident, Valiant
- Axel P. Lehmann, Präsident des Verwaltungsrats, Credit Suisse
- Anne Marion-Bouchacourt, Chief Country Officer, Société Générale Switzerland
- Daniel Salzmann, CEO, Luzerner Kantonalbank