In Schweizer Grossbankenkreisen sind Übernahmen wieder ein heisses Thema, wie verschiedene Aussagen in jüngster Zeit illustrieren. Selbst wenn der grosse UBS-CS-Deal wenig realistisch bleibt, gibt es eine Menge anderer Optionen, wie die von finews.ch erstellte Roadmap 2021 zeigt.
Eine neue Lust geht um in Schweizer Bankenkreisen – die Lust auf Übernahmen. Anders lassen sich die unmissverständlichen Äusserungen von UBS-Präsident Axel Weber und Credit-Suisse-CEO Thomas Gottstein kaum deuten. In kurzer Kadenz haben beide bekundet, an gewissen Übernahmen interessiert zu sein.
«Wir sind auch immer offen und opportunistisch, Akquisitionsmöglichkeiten zu prüfen, insbesondere im Private Banking», sagte CS-Konzernchef Gottstein vergangene Woche in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur «Bloomberg», und Axel Weber liess sich am vergangenen Wochenende von der «NZZ am Sonntag» mit den Worten zitieren, die UBS als Nummer eins in der globalen Vermögensverwaltung wolle ihren Marktanteil weiter steigern, allenfalls auch mit Übernahmen.
Personalinterne Exzesse
Das ist insofern bemerkenswert, als dies bis vor kurzem keine Option war. Weder bei der UBS, noch bei der CS, da beide mehr oder weniger mit sich selbst beschäftigt waren; die UBS eher in personalinternen Fragen bezüglich der Nachfolge von Sergio Ermotti sowie in der juristischen Problematik des drohenden Milliarden-Prozesses in Frankreich, während die CS ihrerseits einen der grössten Turnarounds in ihrer Geschichte vollzog und sich in der Folge ebenfalls mit personalinternen Exzessen befassen musste.
Doch nun ist alles anders. Die Zeit ist reif für den Blick nach vorn und für damit verbundene Ambitionen. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass dieser Zeitpunkt ausgerechnet jetzt heranrückt – mitten in der wohl grössten (Wirtschafts-)Krise der vergangenen 75 Jahre. Doch die Zeichen stehen tatsächlich auf Deals, auf Mergers & Acquistions (M&A), also auf Zusammenschlüsse und Übernahmen.
Differenzierte Betrachtung
Zu gross sind mittlerweile die Schwierigkeiten für eine einzelne europäische Grossbank, im totalen Alleingang die Zukunft zu meistern. Rückläufige Margen, schwindende Marktanteile aufgrund der Digitalisierung, strengere Richtlinien und Bestimmungen und damit auch unaufhaltsam steigende Kosten, ebenso für die IT; und als ob das alles nicht schon genügte, rückt die übermächtige US-Konkurrenz immer näher.
Was für Optionen bleiben also den beiden Schweizer Grossbanken übrig? Soviel ist klar: Der ganz grosse Deal ist nicht die Lösung, weil er gar nicht realistisch ist. Vielmehr liefert die von der finews.ch-Redaktion erstellte Roadmap 2021 eine differenzierte Betrachtung der Dinge, die sich im nächsten Jahr ereignen könnten.
1. Option: Die Vordenker winken ab
Das Projekt soll sogar einen Namen gehabt haben: Laut Medienberichten loteten UBS-Strategen im vergangenen September unter dem Projektnamen «Signal» die Machbarkeit einer Fusion mit der CS aus. Seither hat sich UBS-Präsident Weber allerdings mehrmals von solchen Plänen distanziert – dies nach einem Aufschrei in der Bevölkerung und einigem Kopfschütteln von Experten.
Tatsächlich ist eine Fusion der beiden grössten Schweizer Banken eine Knacknuss sondergleichen. Aus Anlegerperspektive – sowohl die UBS wie auch die CS handeln an der Börse unter Buchwert – erscheinen zwar der Grössen- und Effizienzgewinn als reizvoll. Ebenfalls ist klar, dass im Schweizer und europäischen Banking Überkapazitäten bestehen.
In der Praxis sind die Opportunitätskosten eines Mergers aber (zu) hoch: Der Aufwand einer Fusion und die Lähmung des operativen Geschäfts wären immens. Von den politischen, regulatorischen und wettbewerbsrechtlichen Hürden ganz zu schweigen. Am ehesten hätte noch die Abspaltung und Fusion einzelner Teilbereiche wie der Investmentbank oder des Fondsgeschäfts eine Chance. Solche Pläne wurden wiederholt von Finanzinvestoren vorgebracht und dürften auch in Zukunft nicht verstummen.
- Wahrscheinlichkeit: 50 Prozent
2. Option: Zugriff von Aussen: Ein ausländischer Bankenriese schlägt zu
(Frankfurt am Main, Bild: Shutterstock)
Aufgrund ihrer tiefen Bewertung an der Börse sind sowohl die UBS wie auch die CS potenzielle Übernahmeziele für ausländische Grossbanken. In Europa ist die Fusionswelle in einzelnen Ländern bereits angerollt: Caixabank und Bankia haben sich zum Marktführer in Spanien zusammengeschlossen. Auch die Institute BBVA und Sabadell führen dort nun Fusionsgespräche. In Italien ist es zwischen Intesa und der UBI Banca zu einem bedeutenden Zusammenschluss gekommen, während sich in Deutschland Pläne über eine Verschmelzung von Deutsche Bank und Commerzbank verflüchtigt haben.
Bald könnten Grossbanken-Übernahmen auch Landesgrenzen überspringen – die Europäischen Zentralbank (EZB) hält dies zur Stärkung des Sektors sogar für erwünscht. Die Latte für den Sprung über die Schweizer Grenze hinaus dürfte dabei nochmals höher liegen – während von UBS-Präsident Weber bekannt ist, dass er gerne mit der UBS einen «europäischen Champion» bauen würde.
Allerdings könnten die UBS und die CS in einem solchen Konstrukt auch der Juniorpartner sein. Das wiederum dürfte den Reflex nach einem Schweizer Deal wieder verstärken (vgl. dazu Option 1).
- Wahrscheinlichkeit: 40 Prozent
3. Option: Regionaler Deal mit Signalwirkung
(Basel, Bild: Shutterstock)
Die beiden Grossbanken könnten auch Akquisitionen abseits der grossen Firmennamen tätigen, um bestimmte Märkte noch gezielter zu bearbeiten – etwa das Dreiländer-Eck um Basel, wo viele, sehr vermögende Privatkunden nach wie vor eher eine lokale und eingesessene Bank bevorzugen. Die Übernahme eines solchen Instituts wäre von den Dimensionen her nicht sonderlich spektakulär, hätte aber gerade in der Schweiz eine enorme Signalwirkung.
Denkbar wäre auch, dass eine Grossbank bestimmte Vermögen eines anderen Instituts übernimmt, also einen sogenannten Assset-Deal macht, wie dies vor einigen Jahren auch die liechtensteinische Fürstenbank LGT vollzog, als sie sich verwaltete Kundenvermögen von der HSBC Private Bank Schweiz sicherte.
Wahrscheinlichkeit: 30 Prozent
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