Die Finanzmarktaufsicht hat vergangenen Sommer grosse Banken einem Stresstest unterworfen. Dabei simulierte die Behörde auch eine zweite Pandemie-Welle – wie sie jetzt eingetreten ist.
Mark Branson mag seine Beaufsichtigen auch einmal loben. Anlässlich der Publikation des diesjährigen Risikomonitors stellte der Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) den Banken am Mittwoch ein gutes Zeugnis in der Coronakrise aus. «Operativ haben die Banken im Frühjahr brilliert», erklärte Branson vor Medienvertretern.
Noch mehr: Die Finanzmarkt-Teilnehmer seien inzwischen noch besser gewappnet als zu Beginn der ersten Pandemie-Welle.
Szenario ist eingetroffen
Der Finma-Direktor stützte die Aussage unter anderem auf Stresstests, die seine Behörde vergangenen Sommer bei den grossen Banken des Landes durchführte. Dabei gingen die Aufseher von einem Negativszenario aus, dass sich inzwischen zu Teilen bewahrheitet hat: Die von der Finma angenommene zweite Welle im letzten Jahresviertel ist tatsächlich eingetroffen. Und erneut wird im Land nach einem Notkredit-Programm für KMU und Gewerbe gerufen.
Überraschend gut gehalten hätten sich in diesem Umfeld aber einerseits der Immobilienmarkt und damit das Hypothekargeschäft der Banken, stellte Branson nun fest. Anderseits herrsche an den Börsen eine positive Stimmung – ein Einbruch wie letzten März sei bisher ausgeblieben. Die Gründe für die Resilienz ortet der oberste Bankenaufseher bei den anhaltend tiefen Leitzinsen sowie den massiven staatlichen Interventionen.
Nicht ganz ohne Schmerzen
«Wir hatten im Sommer mit einem viel schlimmeren Adverse-Szenario gerechnet», so Branson zu den Vorgaben des Stresstests. Angesichts der oftmals guten Gewinne im Handel hätten die Banken ihre Risikopuffer in den letzten Monaten noch weiter auszubauen vermocht: «Es sollte den Instituten deshalb möglich sein, kommende Verluste abzufedern.»
Ganz ohne Schmerzen werde die zweite Welle allerdings nicht über die Branche hinwegrollen, mahnte der Behördenchef. «Wehtun» könnte etwa eine erneute Panikreaktion am Geldmarkt, wie Branson ausführte.
Das «Junk»-Risiko der Versicherer und Banken
Letzten März hatte es einen weltweiten Run auf Liquidität gegeben, der sich insbesondere auf den Dollarmarkt konzentrierte. Auch hierzulande horteten die Banken Geld, wie finews.ch recherchierte. Nur dank massiven Interventionen insbesondere der amerikanischen Notenbank Fed war es möglich gewesen, den zugefrorenen Geldmarkt für die Refinanzierung wieder aufzutauen.
Ein neues Risiko sieht die Finma in ihrem Monitor diesbezüglich in den ausländischen Kreditmärkten: Aufgrund der Jagd nach Rendite im Tiefzinsumfeld haben hiesige Versicherer stark in Hochverzinsliche investiert. Diese «Junk-Bonds» von minderer Bonität, aber höherer Rendite sind bei einem erneuten wirtschaftlichen Abschwung besonders von einem Ausfall gefährdet.
Als Emittenten und im Vertrieb von Hochverzinslichen stünden die Banken hier ebenfalls im Risiko, fügte Branson an.
Faule Rohstoffinanzierungen
Mit Firmenkrediten einen ersten «Schuh herausgezogen» haben einzelne Schweizer Geldinstitute bereits während der ersten Pandemie-Welle. Dies insbesondere bei der Finanzierung von Rohstoffgeschäften, wo sich die Abschreiber auf Bankenseite laut der Aufsicht auf rund 500 Millionen Franken summieren. Zu denken ist das etwa an die Auslandsbank BNP Paribas und an die UBS, die Opfer eines Betrugs wurde.
«Es wird zu weiteren Wertberichtigungen und Kreditausfällen kommen», mahnte Branson nun am Mittwoch. «Wir wissen nur noch nicht, wann und wie.»