Es gibt wenige Berufe, in denen man sich aufgrund des externen Umfelds immer wieder komplett neu erfinden muss. Für den Private Banker gilt dies ohne Zweifel.

Von Ian Cramb, Chief Operating Officer, Union Bancaire Privée

Obwohl die Beratung und das Vertrauensverhältnis zu den Kunden weiterhin die Quintessenz des Berufs sind und auch bleiben werden, hat der Relationship Manager (RM) von heute nicht mehr viel mit jenem von vor der Krise 2008 gemein.

Der offensichtliche Hauptgrund für diese Umwälzung ist die Überholung der regulatorischen und fiskalischen Rahmenbedingungen durch nationale Regulierungsbehörden, Steuerverwaltungen und supranationale Akteure. Lange ist es her, dass ein Private Banker in verschiedenen Ländern Kunden anwarb, ohne sich Gedanken über Grenzen zu machen und mehrere hundert Kunden betreute.

Unzählige Vorschriften

Innerhalb von weniger als zehn Jahren wurden neue Verordnungen, Richtlinien und Gesetze (wie MiFID II, Fatca, AIA, Fidleg) erlassen, die grenzüberschreitende Tätigkeiten äusserst komplex gemacht haben. Die unzähligen Vorschriften, die ein RM heute bis ins letzte Detail kennen muss, begrenzen seinen Handlungsspielraum eindeutig. Sowohl die Kommunikation mit dem Kunden als auch die Art von Beratung und die empfohlenen Produkte hängen vom Finanzprofil und dem Herkunftsland des Kunden ab. Als Folge davon ist die Compliance-Abteilung zum engsten Verbündeten geworden. Auch sie musste ihre Tätigkeiten auf spezifische Regionen und einen begrenzten Kundenkreis ausrichten.

Darüber hinaus stellen die Kunden im aktuellen Finanzumfeld mit anhaltend niedrigen oder sogar negativen Zinsen und der wieder steigenden Marktvolatilität ganz neue Anforderungen. Sie erwarten nicht nur Vorschläge zu alternativen Instrumenten zur Erzielung einer Rendite, sondern erwarten auch Transparenz und eine strikte Risikoverwaltung. Dementsprechend haben die Banken Neuerungen eingeführt und ihr Produktangebot mit komplexeren Anlagelösungen diversifiziert, die mehr technische Fähigkeiten erfordern.

Wo alle Fäden zusammenlaufen

So wurde der RM zu der Person, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Er kennt die Bedürfnisse seines Kunden – so spezifisch sie auch sein mögen – und kann ihn an die entsprechenden Spezialisten innerhalb der Bank weiterleiten.

Noch ein weiterer Faktor hat zum Wandel des Berufs beigetragen: der Vormarsch verantwortungsbewusster Anlagen.

Waren sie vor einigen Jahren noch recht selten, nimmt das Interesse der Kunden an Lösungen, die finanzielle Rendite und nachhaltige Anlagen vereinen, inzwischen stetig zu. Dies motiviert die Banken, ihr Angebot und ihre Verwaltungsverfahren zu überdenken. Für den RM bedeutet das ein neues Anlageuniversum, mit dem er sich vertraut machen muss.

Unverzichtbare Tools

Ein letztes Element, das den Beruf in eine neue Ära katapultiert hat, ist die digitale Revolution. Insbesondere die neue Konkurrenz in Form der «Neobanken» und eine Generation von Kunden, die mit digitalen Technologien vertraut sind. Zu Beginn dieses Jahrtausends war der Private Banker die Anlaufstelle für den Kunden. Man rief ihn auf seinem Festnetzanschluss im Büro an, da Mobiltelefone aus Sicherheits- und Vertraulichkeitsgründen nicht genutzt wurden.

Heute sieht die Situation ganz anders aus. Kein RM kann seinen Job noch ohne Tools machen, mit denen eine Kommunikation auf Distanz möglich ist. Während der Pandemie haben sich diese Tools sogar als unverzichtbar herausgestellt. Führende Bankinstitute haben ihr E-Banking um Module erweitert, über welche die RM Videokonferenzen mit ihren Kunden abhalten können und Instruktionen sicher übermittelt werden. Die Technologie erlaubt inzwischen sogar die Authentifizierung neuer Kunden über ein Smartphone. Digitalisierung der Prozesse, Wegfallen von Papierdokumenten und Online-Zugang zu Informationen – der digitale Wandel hat das Verhältnis zwischen dem RM und seinen Kunden revolutioniert.

Personalabteilungen sind gefordert

Die beschriebenen Entwicklungen sind auch deshalb unumkehrbar, weil sie den Erwartungen der Kunden entsprechen: In einer Studie zur Zukunft der Privatbanken in Europa sprechen sich laut McKinsey 71 Prozent der Kunden für eine «Multi-Channel-Kommunikation» mit ihrer Privatbank aus; 25 Prozent von ihnen wünschen sich sogar einen vollständig digitalen Ansatz mit der Möglichkeit, bei Bedarf die Hilfe eines Mitarbeitenden in Anspruch nehmen zu können.

Angesichts dieser Umwälzungen war in den Privatbanken notgedrungen die Unterstützung der Personalabteilungen gefragt. Letztere haben sich diesbezüglich stark engagiert: Sie sehen die Fortbildung und Zertifizierung der RM als wichtige Investition, um sicherzustellen, dass deren Kenntnisse und Fähigkeiten weiterhin höchste Qualitätsstandards erfüllen. Seit mehreren Jahren stellen sie erhebliche Mittel bereit, zum Beispiel für einen im englischsprachigen Raum bereits gut etablierten Ansatz für berufliche Weiterentwicklung, das so genannte Continual Professional Development (CPD).

Die Verwandlung hat ihren Preis

Auch die RM investieren viel Zeit und Energie in diese verschiedenen Programme. Das ist der Preis für die Verwandlung vom traditionellen Private Banker zum modernen Kundenberater, der neben seinen zwischenmenschlichen Fähigkeiten über zahlreiche – digitale, finanzielle, juristische, fiskalische – Kompetenzen verfügt, die allesamt unerlässlich sind.

Der Finanzplatz Schweiz hat von diesen Entwicklungen profitiert. Durch die Anpassung an das neue Paradigma konnte er seinen exzellenten Ruf bewahren und die Herausforderungen meistern, um seine Position in den internationalen Rankings zu behaupten, sowohl in Bezug auf Grösse als auch auf Wettbewerbsfähigkeit. Damit wäre der Beweis, dass es dem Schweizer Private Banker gelungen ist, sich neu zu erfinden, erbracht.


Ian Cramb 519

Ian Cramb ist seit 11 Jahren als Chief Operating Officer (COO) für die Genfer Union Bancaire Privée (UBP) tätig. Zuvor arbeitete er 17 Jahre für die amerikanische Citigroup, unter anderem als Risk Manager, Head of Human Ressources, Chief of Staff und COO. Seine Studien schloss er mit einem Lizentiat an der britischen Universität von Durham ab, nachdem er zuvor einen Bachelor of Arts in modernen Sprachen an der Manchester Grammar School erlangt hatte.