Das erzwungene Home Office hat die Arbeit der Private Banker massiv erschwert – könnte man meinen. Die Messungen des Zürcher Startup Atwork bei fast zweitausend Berufsleuten zeigen ein ganz anderes Bild, wie finews.ch erfahren hat.
Keiner kennt die derzeitige Gemütsverfassung der Swiss Private Banker wohl besser als Marco Meister (Bild unten, rechts neben Co-Gründer Philipp Blumer). Dabei ist der in Deutschland und Grossbritannien aufgewachsene Schweizer selber nicht vom Bankfach, sondern Startup-Gründer – die von ihm geführte Jungfirma Atwork mit Sitz in Altstetten ZH entwickelt Software-Anwendungen fürs Personalwesen.
Mit der Technologie kommt Atwork jedoch exakt dorthin, wo der Einfluss der Bankchefs endet: ins Zuhause der Angestellten. Also dort, wo sich wegen der Coronakrise immer noch ein guter Teil des Bankpersonals aufhält.
Meisters Mannschaft baut Online-Instrumente, die das Engagement der Mitarbeitenden nicht nur messen, sondern auch in Massnahmen übersetzen und diese wiederum auf ihre Wirksamkeit prüfen. Basis dafür ist die Anwendung «Pulse», mit dem Unternehmen ihre Angestellten auf regelmässiger Basis – zuweilen jede Woche – zu diversen Themen befragen.
Selber überrascht
Laut Meister werden die kurzen Umfragen, die freiwillig und anonym erfolgen, bereits von zehn Schweizer Banken angewandt. So auch in der Coronakrise: Atwork befragte auf diese Weise knapp 1’950 Mitarbeitende von Privatbanken zu ihrem Befinden in der Krise. Die Umfrage erfolgte noch während des Shutdown vom letzten April und dauerte bis Mitte Mai an.
Vom Resultat war Meister selber überrascht, wie er im Gespräch mit finews.ch erklärt. «Ich hätte einen schlechteren Bescheid erwartet». Stattdessen stellte er fest: das Wohlbefinden der Banker im Shutdown erwies sich als relativ gut, das Home Office als «durchaus beliebt». Nur ein Viertel der befragten Banker sah die Arbeit von zuhause aus als Herausforderung an.
Noch mehr: eine Mehrheit der Umfrage-Teilnehmer schätzte die eigene Produktivität zuhause besser ein als im Büro. Ob sich dies auch mit der Sicht des Arbeitgebers deckt, ist offen. Jedenfalls sollte dieser Befund den Bankchefs gehörig zu denken geben.
Aufreibendes Home-Schooling
Wer sich im Home Office schwer tat, erlebte dies zumeist nicht aufgrund des Lärms dort, der Enge oder sonstigen Störungen bei der Arbeit. Ein knappes Drittel der «Unzufriedenen» bemängelte stattdessen die mangelnde technische Unterstützung. Vor allem aber fehlten die Kollegen: 19,7 Prozent vermissten den sozialen Austausch, 23,1 Prozent das Teamwork (siehe Grafik unten). Der Banker, das soziale Wesen.
Auch das Trennen von Privatsphäre und Job fiel manchen Befragten nicht leicht zuhause. Von denjenigen, die sich im Home-Office während des Shutdown weniger produktiv fühlten, beaufsichtigten zwei Drittel Kinder oder bedürftige Familienmitglieder.
Die Banken denken um
Alles in allem erwies sich das Home Office auf der Höhe der Krise als Erfolg, folgt man den Erhebungen von Atwork. Und dies, obschon auch der im Private Banking enorm wichtige Kundenkontakt nur sehr begrenzt stattfinden konnte.
Der Wissenschafter in Meister sagt zwar: «Man sollte das Befinden im Home Office nach dem Shutdown nochmals evaluieren. Die Situationen sind kaum zu vergleichen.» Trotzdem ist für ihn klar, dass spätestens seit der Krise die Arbeit von zuhause aus zur ernstzunehmenden Alternative zum Büro avanciert ist. «Die Banken sind nun bereit, sich vertieft damit auseinanderzusetzen.»
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