Urs Rohner könnte damit anfangen, öffentlich kundzutun, dass die CS sich dazu bekennt, immer, überall und mit jedem Partner und Kunden immer das Richtige zu tun. Und dass die Werte der CS im Zentrum aller Handlungen stehen.

Die CS sagt, dass die Beschattungen isolierte Vorfälle gewesen seien.

Möglicherweise haben Personen weggeschaut oder haben nicht in Betracht gezogen, dass es effektiv ein Problem gibt.

«In einer Bank, die im Prinzip Vertrauen verkauft, ist Bespitzelung das Letzte, was man will»

Aber das ist keine Entschuldigung. Der Satz «Wenn Du etwas bemerkst, dann sollst Du es sagen!» ist hier sehr wichtig.

Wo sehen Sie Beschattungen auf einer Liste der schlimmsten ethischen Sünden von Unternehmen?

Die Sorgen von Unternehmen, dass Angestellte geistiges Eigentum oder Kundenbeziehungen beim Austritt mitnehmen, sind berechtigt. Darum verwenden viele Unternehmen auch entsprechende Verträge mit solchen Einschränkungen oder Wettbewerbsklauseln.

Aber gehören Beschattungen zu den legitimen Methoden, die Einhaltung solcher Abmachungen sicherzustellen?

Das Problem mit Beschattungen, Bespitzelungen oder Spionieren ist, dass diese Wörter an einem Unternehmen haften bleiben. Im Internet werden sie immer da sein. In einer Bank, die im Prinzip Vertrauen verkauft, ist das das Letzte, was man will.

Spionieren ist für eine Bank okay, solange sie damit nicht in Verbindung gebracht wird?

Es muss einen legalen und einen ethischen Weg geben, der sicherstellt, dass Angestellte das Unternehmen nicht mit Kunden oder geistigem Eigentum verlassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Spionieren dafür das richtige Werkzeug ist.

Wie ist die Situation für Urs Rohner?

Die kommenden Monate werden die kritischsten seiner Amtszeit überhaupt werden. Sein Vermächtnis hängt nun davon ab, was er tun oder nicht tun wird.

«Man kann in 14 Monaten viel erreichen»

Stellen Sie sich vor, er wird an der Generalversammlung im April 2021 sagen, er habe einen messbaren Erfolg im Aufbau und der Entwicklung eines ethisch handelnden Management erzielt und eine starke Unternehmenskultur etabliert.

Genügen ihm dafür die 14 Monate, die ihm noch bleiben?

Man kann in 14 Monaten viel erreichen. Man kann in der gesamten CS auf jeder Hierarchiestufe ethisches Handeln und Führen trainieren, man kann eine Nulltoleranz gegenüber unethischem Handeln einführen und man kann in allen Unternehmensbereichen Mitarbeiter einstellen oder befördern, die über entsprechende Charaktereigenschaften verfügen.


Bruce Weinstein ist ein Ethik-Coach und für seine Fans schlicht «The Ethics Guy». Er ist CEO des Institute for High-Character Leadership in New York. In seiner Kolumne im amerikanischen «Forbes»-Magazin schreibt er regelmässig über ethische Unternehmensführung. Weinstein ist auch Autor mehrerer Bücher.