Bei der ehrwürdigen Privatbank ist es nicht nur zu einem Führungswechsel gekommen – Pictet umarmt nun auch die Errungenschaften der neuen Arbeitswelt.
Es war eine der letzten Amtshandlungen von Nicolas Pictet als geschäftsführender Partner. Der scheidende «primus inter pares» unter den Teilhabern der Genfer Privatbank richtete sich vergangenen Frühling in einem Brief an die Belegschaft.
Wie die Westschweizer Tageszeitung «Tribune de Geneve» (Artikel bezahlpflichtig) unlängst berichtete, sorgten die Zeilen dort für einiges Aufsehen: Pictet liess nämlich verlauten, dass das Institut jetzt Teilzeitarbeit ermöglicht.
Und nicht nur das. Die grösste der Genfer Privatbanken umarmt dem Schreiben zufolge auch so neumodische Konzepte wie Jahres-Arbeitszeit, Home Office und unbezahlten Urlaub. Kurz – bei Pictet hält nach über 200 Jahren mit calvinistischem Arbeitsethos die neue Arbeitswelt Einzug.
Zirkel für junge Väter
Wie weiter berichtet wird, mag man beim als sehr konservativ geltenden Institut dem Braten teils nicht so recht trauen. So befürchten manche Mitarbeitende, dass Teilzeiter bei Lohnerhöhungen und Beförderungen eher übergangen würden.
Andererseits anerkennt das Personal, dass das traditionsreiche Unternehmen auf die Wünsche einer jüngeren Mitarbeitergeneration eingeht – so gibt es bei Pictet offenbar einen Gesprächszirkel, wo sich junge Banker-Väter über ihre Erfahrungen austauschen können.
Noch keine Bestnoten
Auf der Mitarbeiterbewertungs-Plattform Kununu erhält Pictet hinsichtlich der Work Life Balance trotzdem noch keine Bestnoten. Das Unternehmen pendelt dort zwischen drei und vier von möglichen fünf Punkten.
Allerdings kommt Pictet auch gar nicht umhin, bei den Anstellungsbedingungen mit der Zeit zu gehen. Denn ausserhalb des Hauptquartiers an der Route des Acacias 60 in Genf ist die Arbeitswelt in Bewegung.
Wer heute die besten Talente an sich binden will, muss von den langen Präsenzzeiten, aber auch von vielen anderen tradierten Mustern im Banking Abstand nehmen, wie auch finews.ch schon analysierte (etwa hier und hier).
Zu 80 Prozent an der Kundenfront
So haben die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse, die zahllose Private Banker beschäftigen, schon länger auf Teilzeit umgeschwenkt. Ein Pensum von 80 Prozent gilt bei der UBS etwa an der Beraterfront als vertretbar. Auch die Genfer Konkurrenz bewegt sich. Bei Lombard Odier wurde schon 2017 eine Initiative lanciert, um der work-life-balance der Angestellten besser Rechnung zu tragen.
Dennoch herrscht gerade unter den Männern im Bankfach noch einige Zurückhaltung gegenüber Teilzeitpensen. Bei Lombard Odier etwa ist laut dem Bericht nur jeder vierte Teilzeitler männlich; bei der CS und der UBS ist es nur einer von zehn Teilzeitbeschäftigten.