Die Genossenschaftsbank Raiffeisen will marktgerechte Löhne bezahlen. Das trifft offenbar in erster Linie für den Verwaltungsrat und CEO Patrik Gisel zu.
Der Verwaltungsrat der Genossenschaftsbank Raiffeisen ist im vergangenen Jahr in den Genuss einer deutlichen Lohnerhöhung gekommen. Der «zunehmenden Komplexität» im Geschäft schien er aber nicht gewachsen, wie der Skandal um den ehemaligen CEO Pierin Vincenz nahelegt.
Ein Lohnvergleich von finews.ch im vergangenen März zeigte, dass unter den bedeutendsten Schweizer Banken die genossenschaftlich organisierte Raiffeisen jene ist, welche ihren Mitarbeitern die bescheidensten Löhne bezahlt.
Abgetretener Präsident verdiente mehr
Der am Dienstag veröffentlichte Raiffeisen-Vergütungsbericht zeigt nun, dass die Bank daran offenbar was ändern möchte – jedenfalls, was den Verwaltungsrat betrifft. Dieser verdiente 2017 44 Prozent mehr als im Vorjahr.
Verwaltungsratspräsident Johannes Rüegg-Stürm,der im Zuge des Skandals um Ex-CEO Vincenz inzwischen den Hut genommen hat, verdiente allein 584'300 Franken. Das sind 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Raiffeisen stockte im Laufe des vergangenen Jahres den Verwaltungsrat um zwei auf zwölf Mitglieder auf.
Patrik Gisel holt auf
CEO Patrik Gisel kassierte insgesamt 2,4 Millionen Franken, davon 600'000 Franken als Sozialbezüge. Die Raiffeisen-Geschäftsleitung bezog gut 11 Millionen Franken.
Dabei handelt es sich laut dem jetzigen Präsidenten Pascal Gantenbein um marktgerechte Löhne. Tatsächlich: Gisel ist mit seinem Verdienst in der Liga eines Zeno Staub, CEO von Vontobel, oder Martin Scholl von der Zürcher Kantonalbank (ZKB).
Starke Beanspruchung
Der Raiffeisen-Verwaltungsrat und insbesondere auch Ex-Präsident Rüegg-Stürm wurden jedoch deutlich besser entlöhnt als ihre Pendants bei der ZKB oder bei der Postfinance, die wie die Genossenschaftsbank systemrelevant sind.
Mit der Systemrelevanz versucht Raiffeisen denn auch die deutlich gestiegenen Bezüge zu erklären. Zudem beanspruche die «zunehmende inhaltliche Komplexität» die Verwaltungsrats-Mitglieder immer stärker.
Mangelnde Corporate Governance
Der Lohnanstieg für die Raiffeisen-Verwaltungsräte scheint im Lichte der Affäre Vincenz als schwer zu rechtfertigen. Während noch nicht alle Einzelheiten der mutmasslichen Vergehen des Ex-Chefs bekannt sind, ist es doch offensichtlich, dass Raiffeisen gravierende Corporate-Governance-Probleme hatte und der Verwaltungsrat nicht fähig war, diese rasch zu beheben.
Die Finma führt diesbezüglich ein Enforcementverfahren gegen Raiffeisen durch. Das Resultat ist noch nicht bekannt. Vincenz sitzt weiterhin in Untersuchungshaft.