Im ersten Halbjahr 2016 stand Tidjane Thiam viel gescholten mit dem Rücken zur Wand. Nun deutet einiges darauf hin, dass der Credit-Suisse-Chef seine erste Ernte einfahren kann. Die Fakten.

Für Credit-Suisse-CEO Tidjane Thiam waren die ersten neun Monate des laufenden Jahres kein Sonntagsspaziergang. Erst musste er einen Notfall-Abschreiber hinnehmen und seine Strategie zahlentechnisch revidieren. Dann rauschte der Aktienkurs in den Keller und schliesslich meuterten seine Investmentbanker an der Wall Street, wie auch finews.ch verschiedentlich berichtete.

Erst im Hochsommer entspannte sich die Situation etwas, als der CS-Chef Ende Juli überraschend gute Semesterzahlen vorlegen konnte – dies vor dem Hintergrund einer hoch volatilen Börse, passiver Kunden, dem Brexit und einer immer weniger wirkungsvollen Politik der wichtigsten Zentralbanken.

Bloss ein Strohfeuer?

Immerhin: Mit einem Schlag verstummten die Kritiker, und wer Anfang Jahr bei einem Kurs von 10 Franken in die CS-Aktien investiert hatte, kann nun einen Wertzuwachs von 40 Prozent verbuchen.

War das nun alles bloss ein Strohfeuer? Kaum, denn einiges deutet darauf hin, dass Thiam am kommenden Donnerstag (3. November) überdurchschnittlich gute Geschäftszahlen präsentieren wird.

1. Die «Unternehmerbank»

Wie es bereits das Ergebnis der UBS gezeigt hat, läuft das Schweizer Geschäft bei beiden Grossbanken wie geschmiert. Beide Institute haben ihre Anstrengungen verstärkt und konnten vor allem in zwei Bereichen zulegen: Erstens bei Entrepreneurs und Executives, an die sich in jüngster Zeit vor allem die CS mit ihrer «Unternehmerbank» richtet. Zweitens konnte die Bank bei jungen Kunden – zwischen 15 und 25 Jahren – punkten, vor allem angesichts der zahlreichen Angebote im digitalen Bereich (Fintech).

Bereits gut unterwegs ist das Firmenkunden-Geschäft der CS. Last but not least wird der Konzern alles daran setzen, dass die Swiss Universal Bank (SUB), die unter der Leitung von Thomas Gottstein am 21. November ihre Selbständigkeit erlangt, schon jetzt glänzend dasteht.

2. Versöhnung mit den Primadonnen

Die CS hat nach wie vor eine bedeutende Investmentbanking-Sparte, selbst wenn in den vergangenen zwölf Monaten dauernd die Rede davon war, diese zu stutzen. Doch so radikal wie das manche Medien zu wissen glaubten, will Thiam das Investmentbanking gar nicht stutzen. Denn er würde sich damit um wertvolle Erträge bringen. Das illustrierte vergangene Woche die Deutsche Bank, die dank ihrer Investmentbank unerwartet gute Zahlen präsentieren konnte, wie auch finews.ch berichtete.

Die CS ist in diesem Jahr vor allem in zwei Bereichen stark unterwegs. Einerseits in der Beratung von Firmen bei Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions) sowie im Handel mit Finanzprodukten. Es würde überraschen, wenn die CS nicht auch wie die Deutsche Bank am Donnerstag überraschend gute Zahlen vorlegt. Insofern dürfte sich Thiam mit seinen Investmentbankern versöhnt haben.

3. Das heimliche Powerhouse

Hierzulande kommt noch zu wenig zum Ausdruck, dass die CS in Asien, wo die Division in relativ grosser Selbständigkeit operiert, sehr gut unterwegs und vermutlich jene Bank ist, welche regionl die höchsten Wachstumszahlen erzielt. Das Konzept der «Unternehmerbank», das derzeit in der Schweiz intensiviert wird, bewährt sich im asiatischen Raum bereits.

Zudem hat die CS in Asien eine Personaloffensive lanciert, die darauf abzielt, mit guten Kundenberatern mehr Neugeld zu akquirieren als dies mit einer (möglicherweise riskanten) Übernahme der Fall wäre. Die Asien-Division unter Helman Sitohang wird noch für einige positive Überraschungen sorgen.

4. Turnaround erreicht und jetzt?

Im vergangenen Sommer schaffte Iqbal Khan mit seiner Einheit International Wealth Management (IWM) nach schwierigen Monaten den Turnaround, wie auch finews.ch meldete.

Damit legte er die Basis für steigende Einnahmen, die sich mit dem dritten Quartal noch deutlicher manifestieren sollten – selbst wenn der Weg zu einem Vorsteuergewinn von 2,1 Milliarden Franken bis Ende 2018 noch weit und beschwerlich ist.

5. Starke personelle Akzente

Neben den zahlreichen operativen und strategischen Weichenstellungen ist es der CS seit Anfang Jahr tatsächlich gelungen, eine Vielzahl von Top-Leuten anderer Banken zu gewinnen, wie finews.ch verschiedentlich berichtete. Das spricht ebenfalls dafür, dass die Bank Perspektiven bietet, die auf einen nachhaltigen Turnaround schliessen lassen.

Doch: Risiken bleiben

Natürlich wäre es einseitig, nur Positives zu vermelden. Grosse Herausforderungen bleiben: Die CS wird auch künftig mit enormen Sanktionen konfrontiert sein, die sich auf Grund früherer Verfehlungen ergeben. Diese Bussen nagen am Eigenkapital respektive am Gewinn, der den Aktionären ausbezahlt wird.

Und: Weil sich die Rahmenbedingungen generell eher verdüstern als aufhellen und dies tendenziell das Ertragswachstum reduziert, wird auch die CS nicht umhin kommen, weitere Sparmassnahmen zu initiieren. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich angesichts der fortschreitenden Technologie und des verschärfen Wettbewerbs die Margen weiter verengen.

Zurückhaltung schlägt in Ernüchterung um

Am meisten zu schaffen machen dürfte den Banken aber, dass viele Kunden in einer Lethargie verharren, also nicht bereit sind, einen Teil ihres Vermögens in neue Finanzanlagen zu investieren. Solange diese Passivität vorherrscht, verdienen die Banken weniger, was sich unweigerlich in den Ereignissen niederschlägt.

Diese Zurückhaltung, die zunehmend in Ernüchterung umzuschlagen droht, könnte an den Börsen auch zu einem massiven Rückschlag führen. Auch das wäre für die Banken generell schlecht.