Guy de Picciotto, Chef der Union Bancaire Privée, über die Coutts-Integration, negative Überraschungen während des Kaufprozesses, seine US-Pläne, und warum er glaubt, auf den Schultern eines Riesen zu stehen. 


Herr de Picciotto, warum passt die Bank Coutts International zur Union Bancaire Privée (UBP)?

Die Kundenvermögen von Coutts International stellen für uns eine interessante Grösse dar, um in zwei wichtigen Märkten signifikant zu wachsen; nämlich in Hongkong und Singapur, wo wir im Private Banking bisher kaum aktiv waren. Darüber hinaus können wir mit den Kundengeldern von Coutts unsere Plattform besser auslasten und unsere Kosten senken. Es gibt kaum Doppelspurigkeiten, und grösstenteils sind es bereits deklarierte Gelder oder solche, die es schnell sein werden.

Wie viel von den insgesamt 32 Milliarden Franken an Coutts-Kundengeldern – davon etwa 12 Milliarden Franken in Asien – werden der UBP zufliessen?

Soll ich Ihnen offen antworten? Ich weiss es nicht. Grundsätzlich spielt das auch keine Rolle, da wir mit der Muttergesellschaft, der Royal Bank of Scotland (RBS), vereinbart haben, nur das zu bezahlen, was wir effektiv übernehmen werden. Ich gehe davon aus, dass es zwischen 60 und 70 Prozent sein werden.

Das ist weniger als beispielsweise bei Ihrer vorherigen Akquisition von Lloyds Private Banking (Schweiz).

Richtig. Man muss jedoch bedenken, dass sich der Verkaufsprozess bei Coutts enorm in die Länge gezogen hat. Während dieser Zeit verliessen zahlreiche Kunden und Mitarbeiter das Unternehmen. Letztlich geht es aber, wie gesagt, weniger um die effektive Summe, als darum, dass wir über genügend Mitarbeiter verfügen um diese Kunden effizient zu betreuen.

«RBS hat damit notorisch Geld verloren»

Damit ist auch gesagt, dass wir weniger Leute beschäftigten werden als Coutts bisher. Die RBS hat mit dem internationalen Geschäft von Coutts notorisch Geld verloren. Wir wollen mit diesen Vermögen etwas verdienen, und dies führt leider über gewisse Personalabgänge.

Wie viele Mitarbeiter von Coutts International werden Sie übernehmen?

Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das noch nicht sagen. Es hängt davon ab, wie viele Kundenberater und Kundengelder effektiv zu uns kommen. Sie wissen ja auch, dass es in letzter Zeit substanzielle Personalabgänge bei Coutts gegeben hat. Die Zahl der Kundenbetreuer ist bereits gesunken. Wir übernehmen auch keine Leute aus der IT oder aus dem Support-Dienst, die zum Teil oder vollumfänglich bei der RBS verbleiben.

Wie hoch wird somit der Abbau bei Coutts International sein?

Das kann ich noch nicht sagen. Wir werden am 25. Juni 2015 über die geplante Struktur informieren. Danach wird es in den einzelnen Abteilungen zu den entsprechenden Verpflichtungen und Abgängen kommen.

Mehrere hochrangige Kundenberater bei Coutts haben unmittelbar nach dem Verkauf die Bank verlassen, obschon sie zuvor ihre Absicht bekräftigt hatten, bei der Bank zu bleiben. Wie erklären Sie sich ein solches Verhalten?

Im Laufe des Verkaufsprozesses gab es tatsächlich einige negative Überraschungen. Wir hatten diesen Punkt bei den Verhandlungen zur Sprache gebracht, da wir gewisse Gerüchte hörten. Während einige Fälle offen diskutiert wurden und voraussehbar waren, gab es dennoch Ausnahmen. Wenige Wochen später kam es dann doch zu verschiedenen Abgängen, was mich verärgert hat.

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Wo steht die Integration von Coutts International heute?

Es gibt drei Bereiche: Erstens die Integration von Coutts International in der IT, in unseren Support-Dienst und in unsere Kundenberatungs-Teams, verbunden mit dem Übertrag aller Kundendaten. Das verläuft nach Plan, so dass das Schweizer Geschäft bis voraussichtlich Ende Oktober integriert sein sollte. Es kommt uns zustatten, dass wir nach der Übernahme von ABN Amro und Lloyds recht grosse Erfahrung bei der Integration anderer Banken haben. Ohne überheblich wirken zu wollen, bin ich da recht zuversichtlich.

«In Zürich zieht ein Teil des Personals an die Claridenstrasse 22 um»

Der zweite Bereich ist Asien, wo es noch unklar ist, ob wir Singapur und Hongkong gleichzeitig oder gestaffelt integrieren. Denn in Hongkong haben wir vergangene Woche (8. Juni 2015) wie geplant ein Gesuch für eine Banklizenz eingereicht. Das wird den Zeitplan beeinflussen. Ich denke, dass es im Interesse aller ist, dass die Integration in Asien so schnell wie möglich über die Bühne geht. In Singapur dürfte die Integration vor Jahresende, in Hongkong bis Mitte des nächsten Jahres abgeschlossen sein, aber Änderungen sind immer noch möglich.

Und drittens arbeiten wir an der organisatorischen Struktur. Bis Ende dieses Monats wollen wir allen Mitarbeitenden von Coutts kommunizieren, wo sie stehen.

Durch Coutts erhalten Sie auch eine erheblich grössere Präsenz in Zürich. An ihrem prominenten Standort an der Bahnhofstrasse 1 hat es allerdings nicht für alle Leute Platz. Was machen Sie?

Das ist so. Darum beziehen wir zusätzliche Geschäftsräumlichkeiten an der Claridenstrasse 22. Den Mietvertrag haben vor wenigen Tagen unterzeichnet. An der Bahnhofstrasse 1 werden wir die kundenseitigen Bereiche haben, während der Support und das Asset Management an der Claridenstrasse domiziliert sein werden. Unseren bisherigen Standort an der Tödistrasse geben wir auf. Den Coutts-Sitz beim Zürcher Stauffacher übernehmen wir nicht. Er ist für unsere Begriffe zu gross und zu teuer. Ausserdem wird ihn die RBS teilweise selber beanspruchen.

Viele Schweizer Banken warten immer noch auf eine Regelung im Steuerstreit mit den USA. Wo steht die UBP als Bank der Kategorie 2 in diesen Verhandlungen mit dem Department of Justice?

Ich würde gerne eine Regelung in diesem Sommer sehen. Wir erlitten insofern einen Rückstand auf die Marschtabelle, als dass der für uns zuständige US-Beamte Ende 2014 in Pension ging. Selbst er hatte nicht damit gerechnet, dass sich das ganze Verfahren so lange hinziehen würde! Seit Januar haben wir einen neuen Verantwortlichen und versuchen, etwas Zeit aufzuholen.

«Der Nächste ist immer einer von uns»

In unserem Hause sind wir es uns gewohnt, Probleme beim Schopf zu packen und sie zu lösen. Wir können Probleme nicht auf später verschieben und hoffen, dass sich der Nächste darum kümmert. Zumindest bei einem Familienunternehmen geht das nicht. Der Nächste ist immer einer von uns. Insofern waren die für die Verhandlungen mit dem US-Justizministerium aufgewendete Zeit sowie die eingesetzten Ressourcen sehr belastend für uns.

Was hat Sie dieser Rechtsstreit bisher gekostet?

Wahrscheinlich 15 bis 20 Millionen Franken. Ich habe eine Vorstellung, wie hoch die Busse ausfallen könnte, werde Ihnen das aber nicht verraten.

Sie haben 100 Millionen Franken zurückgestellt.

So steht es im Geschäftsbericht.

Müssen Sie noch drauflegen?

Nächste Frage? Oder anders gesagt: Wenn man sich die Settlements anschaut, die es bisher gegeben hat, dann bin ich «naiv optimistisch». Allerdings lässt sich aus den bisher gefällten Urteilen kein Muster ableiten.

Inwiefern belastet diese ungelöste Situation Ihr Tagesgeschäft?

Mir liegt sehr viel an einer Lösung dieses Problems, da wir eine Präsenz in den USA aufbauen möchten – allein schon wegen unseren lateinamerikanischen Kunden, etwa aus Brasilien oder Mexiko.

Das müssen Sie uns etwas genauer erklären.

Viele lateinamerikanische Kunden ziehen ihr Geld nun aus der Schweiz ab, weil sie damit rechnen, dass die Schweiz den Automatischen Informationsaustausch auch mit diesen Ländern einführen wird. Im Gegensatz dazu werden die USA nie einen Informationsaustausch mit anderen Ländern einwilligen.

«Wir würden gerne in die USA»

Lateinamerikanische Kunden, die den Schutz ihrer Privatsphäre anstreben, sehen also einen Vorteil darin, ihr Vermögen in die USA zu transferieren, die sich auch noch in der gleichen Zeitzone befinden. Unter diesen Prämissen möchten wir einen Ableger in den USA aufbauen, der es uns erlaubt, private Vermögen zu verwalten und Broker-Dienstleistungen anzubieten.

Wie viel bringt Ihre lateinamerikanische Kundschaft aktuell auf die Waage?

Etwa 8 Milliarden Franken. Allerdings sind wir mit Coutts und unserer Expansion in Asien vorläufig zu beschäftigt, als dass wir eine weitere Front eröffnen wollen. Kommt hinzu, dass unsere personellen Ressourcen in der Geschäftsleitung begrenzt sind.

Die Rahmenbedingungen im Swiss Banking haben sich in den vergangenen Jahren radikal verändert. Besitzt unser Land noch genügend Anziehungskraft für ausländische Kunden?

Das Bankgeheimnis war für die ausländische Kundschaft nie das einzige Argument, um in die Schweiz zu kommen. Ebenso zählten die Verlässlichkeit der Banken, der Schutz der Privatsphäre, das gute Rechtssystem, die stabile politische Situation, der harte Franken sowie die tiefe Inflation. Ich glaube nicht, dass man den ausländischen Kunden aktiv gesagt hat: «Kommt in die Schweiz, weil ihr hier Euer Geld nicht versteuern müsst.»

Das war doch in der Kundenbeziehung implizit enthalten.

Nein. Nehmen Sie die Kunden aus dem Nahen Osten. Sie sind von der ganzen Steuerthematik überhaupt nicht tangiert und trotzdem kommen sie seit Jahrzehnten in die Schweiz – wegen der erwähnten Vorteile, welche die Schweiz bietet.

Diese Vorzüge scheinen zusehends zu verschwinden. Was zeichnet das Schweizer Bankdienstleistungsangebot denn noch aus?

An Ihrem Anzug findet sich vielleicht auch noch ein Etikett mit dem Aufdruck «Made in Italy», obschon der grösste Teil der Herstellung in Vietnam oder China erfolgt ist. So ist es auch im Banking. Schweizerisch und damit unersetzlich sind die Kundenbeziehung, also die Nähe zu den Kunden, die damit verbundene Qualität sowie das Vertrauen.

«Würden Sie sich von einem Roboter ein Medikament verschreiben lassen?»

Das alles ist heute wichtiger denn je, denn praktisch überall auf der Welt haben die Leute das Vertrauen in das globale Finanzsystem grösstenteils verloren. In der Schweiz mag das bis zu einem gewissen Grad auch zutreffen. Aber unser Angebot und unsere Rahmenbedingungen in der Schweiz sind nach wie vor deutlich besser als in den meisten anderen Ländern auf dieser Welt.

Kundennähe definiert sich zunehmend über technologische Tools, über Roboter, welche die Vermögensberatung übernehmen. Braucht es da noch Kundenberater?

Lassen Sie mich für diese Antwort etwas ausholen: Um fit zu bleiben, können sie nach draussen joggen gehen. Trotzdem ziehen es viele Leute vor, ein Fitnessstudio aufzusuchen und bisweilen sogar einen Personal-Trainer zu haben. Sie schätzen also die persönliche Betreuung. Noch ein Beispiel: Werden Sie krank, gehen Sie zum Arzt und lassen sich behandeln. Würden Sie sich von einem Roboter ein Medikament verschreiben lassen? Kaum, und so verhält es sich auch mit dem Vermögensmanagement.

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Tatsache ist aber, dass die technologischen Entwicklungen unter dem Schlagwort «Fintech» stark im Kommen sind.

Viele Banken sähen es gerne, dass es so wäre, weil sie auf diese Weise Kosten sparen könnten, besonders im Kleinkundengeschäft. Ich möchte Fintech nicht kleinreden, weil ich durchaus der Meinung bin, dass die Bankbranche von der Digitalisierung profitieren kann, vor allem was die Kommunikation mit der Kundschaft, die Abwicklung von einfachen Finanztransaktionen sowie die Informationsvermittlung anbelangt. Und da lassen sich auch gewiss Kosten sparen.

«Man darf die Digitalisierung nicht überschätzen»

Doch sobald die Bedürfnisse komplexer werden und wir uns eingestehen, dass uns die Informationsflut restlos überfordert, kommt das Know-how einer guten Bank zum Zug. Dass dabei auch die Digitalisierung eine Rolle spielen kann, bestreite ich nicht, man darf sie aber nicht überschätzen.

Wo steht die UBP Bank in Sachen «Fintech»?

Wir hatten bisher andere Prioritäten: das US-Justizministerium, der Niedergang des Schweizer Bankgeheimnisses, die Konsolidierung in der Branche, unsere Akquisitionen, umtriebige Journalisten... im Ernst: Es liegt nicht an uns, den «First Mover» in dieser Entwicklung zu spielen. Das überlassen wir den andern und kaufen die besten Dienstleistungen ein. Man muss nicht zwingend alles selber entwickeln.

Haben Sie keine Angst vor der Google-(Privat-)Bank?

Am liebsten würde ich sie selber gründen. Davor fürchte ich mich wirklich nicht, da wir als UBP in einer anderen Liga spielen. Mit unseren 100 Milliarden Franken an Kundendepots sind und bleiben wir eine Nischenbank. Selbst die dreimal grössere Julius Bär ist im internationalen Kontext noch eine Nischenbank.

«Man wird nicht mehr mit 500'000 Euro in die Schweiz kommen»

Die Kunden, die wir in den verschiedenen Märkten bedienen, sind eine Minderheit. Wir bieten keine Massenkonfektion an, wie dereinst möglicherweise die Google-Bank.

Wie sieht denn der typische UBP-Kunde aus?

Eigentlich gibt es keinen Prototypen. Wir betreuen Familienvermögen, Unternehmer, institutionelle Anleger. Auf Grund unserer diversen Akquisitionen in den vergangenen 15 Jahren haben wir im Vergleich zu anderen Banken vielleicht eine besonders multikulturelle Kundschaft.

Muss man eine bestimmte Summe an Geld haben, um Kunde der UBP zu werden?

Mehr als gestern, weniger als morgen. Mit der Einführung des Automatischen Informationsaustauschs werden europäische Kunden sicherlich nicht mehr mit 500'000 Euro in die Schweiz kommen. Das wird sich erst ab einer Summe von zwei bis drei Millionen Euro lohnen.

Wie nehmen ausländische Kunden die Schweizer Banken inzwischen wahr?

Während Jahrzehnten hatten sie ein geradezu blindes Vertrauen in unsere Banken. Dann kamen die Finanzkrise und das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses.

«Viele Kunden kamen sich verraten vor»

Das hat dazu geführt, dass sich viele Kunden in gewisser Weise verraten vorkamen. Manche von ihnen wurden wütend, andere haben sich damit abgefunden, dass die Schweiz unter dem enormen internationalen Druck gar nicht anders konnte, als einzulenken, nachzugeben.

Mit anderen Worten: Ihr Beruf ist um einiges schwieriger geworden.

Früher war tatsächlich vieles einfacher – zu einfach vielleicht. Allerdings darf man nicht vergessen, dass es die Schweiz und ihre Finanzbranche stets verstanden haben, sich den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Schweizer Bankier ist kein Beruf, den es erst seit gestern gibt. Viele Generationen stehen dahinter. Denken Sie nur an Häuser wie Pictet oder Lombard Odier. Insofern steckt in diesem Swiss Banking schon eine grosse Tradition, die es leichter macht, sich neu zu erfinden.

Mussten Sie Bankier werden?

Musste ich das? Ich sage lieber, ich wurde als Bankier geboren, ohne es zu wissen. In den achtziger Jahren hätte ich gerne etwas im Technologiebereich gemacht – programmieren, kreieren. Doch im Hinterkopf gab es immer diese Option der Bank.

Was gab den Auslöser, Bankier zu werden.

Letztlich die Motivation, ein bereits sehr erfolgreiches Unternehmen auf meine Art weiterzuführen.

Ist es schwierig der Sohn eines Bankgründers zu sein?

Ein Familienunternehmen ist immer eine komplexe Sache. Am Anfang, wenn man noch jung ist, will man die Dinge – wie in jeder Familie – anders machen als die Väter.

«Ich stehe auf den Schultern eines Riesen»

Mit der Zeit passt man sich an, verändert sich, wird vernünftiger. Heute stelle ich fest, wie ich selber manche Verhaltensmuster und Reaktionen von meinem Vater übernommen habe.

Wurde früher am Familientisch auch über die Bank gesprochen?

Nicht über die Bank selber, doch das Geschehen in der Bank war unterschwellig immer präsent. Mein Vater war auch abends noch pausenlos am Telefon, um von Brokern auf der ganzen Welt die Preise für Gold oder bestimmte Aktien zu erfahren. Damals gab es ja noch kein Bloomberg-Terminal. Er gab dann am Telefon seine Orders durch. Das höre ich immer noch.

Stimmt es, dass Ihr Vater in den Büroräumlichkeiten seiner Bank abends das Licht brennen liess, um den Eindruck zu erwecken, eine Heerschar an Leuten würde Tag und Nacht dort arbeiten?

Das hat er zumindest immer so erzählt und es jüngst auch in einem Fernseh-Interview wieder erwähnt. Insofern denke ich schon, dass das wahr ist.

Haben Sie manchmal das Gefühl, auf den Schultern eines Riesen zu stehen?

Ja, zweifelsohne, wobei ich schon betonen möchte, dass unsere Vorfahren ein doch noch einfacheres Bankiersleben führten als wir heute.

Haben Sie gedacht, dass sich die Schweizer Bankbranche so radikal verändern würde?

Als ich 1985 in die Bank eintrat, waren unsere Kundenberater gerade zutiefst deprimiert, weil sie in ihren Unterlagen – dem berühmten Formular A – fortan den vollen Namen ihrer Kunden eintragen mussten. Sie sagten, dies sei das Ende unseres Berufs.

«Es ist sehr schwierig, den Ast abzusägen, auf dem man sitzt»

Heute können Sie CDs mit Tausenden von Kundendaten kaufen. Trotzdem ist unser Berufsstand nicht am Ende. Wir leben immer noch. Veränderungen ja, sie waren über kurz oder lang unvermeidlich, aber sicherlich hat niemand damit gerechnet, dass alles so schnell gehen würde.

Wann haben Sie gemerkt, dass etwas Unwiderrufliches geschieht?

Das erste Signal war die Kontroverse um die nachrichtenlosen Vermögen in den neunziger Jahren. Da haben die Banken wie auch die offizielle Schweiz ungeschickt reagiert. Später hat dann Hans J. Bär mit seinen Bemerkungen zum Bankgeheimnis die ganze weitere Entwicklung vorweg genommen, selbst wenn viele Bankiers dies nicht wahrhaben wollten.

Warum haben sich so viele Bankiers so ungeschickt verhalten?

Es ist immer schwierig, den Ast abzusägen, auf dem man sitzt. Wir haben mit dem Bankgeheimnis dermassen gut gelebt, dass es fast unmöglich war, sich eine andere Welt vorzustellen.

Sie haben zwei erwachsene Söhne. Haben Sie Ihre Nachfolge bereits geregelt?

Nein, ich möchte meine Söhne nicht zu irgendetwas verknurren. Sie sind noch jung, 21 und 23. Der Ältere hat eben als Unternehmensberater bei McKinsey begonnen, der Jüngere arbeitet für ein Startup im Technologiebereich. Ich habe meine Karriere auch als Management-Consultant begonnen und interessierte mich für Technologie.

«Ich habe versprochen, dass wir in den nächsten zwei Jahren keine Akquisition tätigen»

Insofern ist beides nun auf zwei Personen in der Familie verteilt. Das ist gut so. Die UBP ist und bleibt ein Familienunternehmen, das noch viele Generationen überdauern wird.

Mit neuen Akquisitionen?

Vorläufig nicht. Die Übernahme von Coutts wird uns sicherlich noch zwei Jahre beschäftigen. Ian Cramb, der bei uns für die gesamte Integration zuständig ist, habe ich versprochen, dass wir in den nächsten zwei Jahren keine weitere Akquisition tätigen. Und mein Wort möchte ich halten.


Der 54-jährige Guy de Picciotto ist Chief Executive Officer (CEO) der Union Bancaire Priveée (UBP). Nach seinem Studium an der Webster University arbeitete er drei Jahre als Unternehmensberater für die Firma T.C. Team Consult in Genf und Brüssel. Zwischen Januar 1986 und Juli 1988 absolvierte eine bankbachliche Ausbildung bei verschiedenen Instituten wie UBS, Morgan Stanley, Beat Stearns und Sanyo Securities in New York und Tokio. Im Jahr 1988 stiess er zur Compagnie de Banque et d’Investissements (CBI), die sein Vater Edgar de Picciotto 1969 gegründet hatte und später in Union Bancaire Privée umbenannt wurde. Guy de Picciotto schloss zudem verschiedene Management-Kurse an den Hochschulen IMD in Lausanne sowie am INSEAD in Fontainebleau ab.