Das Klima ist vergiftet, die Furcht vor Entlassungen allgegenwärtig, und Talente suchen das Weite: Dies ist das niederschmetternde Resultat einer repräsentativen Umfrage unter Bankern, die finews.ch exklusiv vorliegt.
«Die Sell-Side ruhe in Frieden», «die Banken zerstören ihren Talent-Pool», «Erfahrung wird nicht mehr belohnt»: Diese Aussagen fielen nicht etwa in einem Banker-Stamm in einer der vielen Bars rund um den Zürcher Paradeplatz.
Nein. Es handelt sich vielmehr um den «Beifang» der Anfang Jahr von der Beratungs-Firma Options Group durchgeführten «Global Spring Survey». An der repräsentativen Befragung nahmen mehr als 3'000 Kader bei Banken, Asset Managern und Hedge Funds weltweit teil – von der Wall Street bis zur Zürcher Bahnhofstrasse, von London bis Singapur.
In der Schweiz füllten rund 150 Bankangestellte den Fragebogen aus.
Zutiefst vergiftetes Klima
Die in New York anässige Options Group erfragte dabei nicht nur die für das Jahr 2015 erwarteten Lohntrends. Sie liess die Teilnehmer auch frei Stellung nehmen zum Zustand der Branche. Diese Wortmeldungen in der Studie liegen finews.ch exklusiv vor. Und sie sind, gelinde gesagt, niederschmetternd.
Glaubt man jenen Aussagen, haben die Finanzkrise und der damit verbundene Strukturwandel den Berufsalltag der Banker gründlich aus den Fugen gebracht. So sprechen viele der Befragten – Profis, die teils Jahrzehnte im Metier sind – von einem zutiefst vergifteten Klima insbesondere bei den Univeralbanken.
Brachiale Machtspiele
«In einem Umfeld, wo Entlöhnung und Boni stagnieren, greifen das Einheimsen fremder Lorbeeren und brachiale Machtspiele rapide um sich», klagt ein Investmentbanker mit 14 Jahren Berufserfahrung, der nach eigenen Angaben seine Stelle am liebsten verlassen würde. Kollegen auf allen Stufen reagierten auf dieses Umfeld zunehmend mit Frust – und wanderten reihum zu Start-ups, Finanzboutiquen und in fremde Branchen ab, berichtet der Banker weiter.
Mit der Meritokratie, die einst die langen Arbeitsstunden und die exorbitanten Saläre in der Branche rechtfertigen sollte, ist es demnach nicht mehr weit her.
Der Job ist Bonus genug
In den von Sparübungen besonders betroffenen Sparten findet kaum noch jemand Zeit, um über entgangene Boni zu jammern. «Der Trend sieht gar nicht gut aus», sagt ein Trader bei einer europäischen Bank. «In vielen Fällen ist Dein Bonus, dass Du den Job überhaupt behalten kannst.»
Die Angst ist offenbar nicht unbegründet. Laut der Umfrage rechnen vor allem die Beschäftigten im Handel mit Rohstoffen, Zinspapieren und Schwellenland-Aktien verstärkt mit einem Stellenabbau. Aber auch in nachgelagerten Bereichen wie der IT – und interessanterweise auch im Risk Management und in der Compliance – geht zunehmend die Furcht vor Entlassungen um.
Zeit, zu gehen
Bei vielen Bankern hat sich offenbar so viel Frust aufgestaut, dass sie nun nur noch den Ausgang suchen. «Es ist Zeit, in andere Industrien zu wechseln», bemerkt etwa ein Vertriebsmann bei einem europäischen Institut. «Die Banken können mit dem Wandel nicht umgehen, es bräuchte einen tiefgreifenden Gesinnungswandel, damit das Geschäft wieder in Schwung käme.»
Tatsächlich nimmt auch in der Schweiz die Anzahl der Banker zu, die der Branche den Rücken kehren und auf eigene Faust ein Unternehmen gründen – bevorzugt im Fintech-Bereich, wie finews.ch wiederholt berichtete (jüngst wieder hier und hier).
Drangsalieren ist Alltagssport
Den Banken droht damit ein «Brain Drain». Dies umso mehr, als Jungtalente offenbar nur noch wenig Lust verspüren, bei grossen Geldhäusern anzuheuern.
Banken und Broker gälten unter seinen Kollegen nicht mehr als gute Karriere-Optionen, gibt ein MBA-Student in der Umfrage zu bedenken. «Die besten Talente interessieren sich für den Technologie-Sektor».
Und wer sich doch fürs Bankfach interessieren sollte, bekommt von gestandenen Berufsleuten Schauermärchen vorgesetzt. «Es gibt hier wirklich viele böse Leute», warnt etwa ein Hedgefonds-Manager mit 20 Jahren Erfahrung. «Für die ist das Ausnutzen und Drangsalieren von Mitarbeitern Alltagssport.»