Sarasin muss um einen 70-Millionen-Euro-Kredit an die Energiefirma Windreich bangen. Einen solchen Kredit hätte es laut Politik der Bank gar nie geben dürfen.
Nach der Durchsuchung von Sarasin-Filialen in Deutschland wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung droht der Basler Bank nun noch mehr Ärger im nördlichen Nachbarland. In Gefahr ist ein Kredit in der Grössenordnung eines Jahresgewinns, wie Recherchen von finews.ch ergaben.
Diesen Kredit hätte die Basler Bank eigentlich nicht sprechen dürfen. Er verletzt ihre Kreditpolitik.
Zu gross und zu unsicher
Es geht nicht nur um die schiere Grösse des Kredits: Sarasin hat beim deutschen Windenergie-Pionier Windreich mindestens 70 Millionen Euro ausstehend. Dies geht aus einem Ratingbericht von 2011 hervor: Diese «endfälligen Darlehen der Bank Sarasin in Höhe von summiert rund 70 Mio. EUR», wurden in der Folge von der Bank Sarasin sogar noch verlängert. Heute sprechen Insider von 75 Millionen Euro, die bald fällig werden sollen.
Dazu kommen Ungereimtheiten zwischen dem Rating-Bericht der Firma Creditreform, Äusserungen von Willi Balz, dem Hauptaktionär von Windreich, und dem Geschäftsbericht 2011. Ausserdem ist auch festzustellen, dass die deutsche Buchführungspraxis in diesem Fall in der Schweiz gar nicht zulässig wäre.
Vorkehrungen angebracht
Die Summe von mehr 70 Millionen Euro liegt in der Grössenordnung eines Jahresgewinns bei Sarasin: Zur Erinnerung: Das Halbjahresergebnis 2012 belief sich auf 48,2 Millionen Franken.
Sollte die Bank eine entsprechende Rückstellung tätigen müssen, wäre der Gewinn weg. Nach Massgabe der angespannten finanziellen Situation bei der Firma Windreich wäre eine entsprechende Vorkehrung durchaus angebracht. Dafür gibt es verschiedene Indizien.
Ratingagentur setzte Rating aus
Die Creditreform hatte ihr Rating zweier Anleihen der Firma Windreich zwischenzeitlich ausgesetzt und erst am 13. Dezember wieder aufgenommen. Die Ratingagentur stufte die Windreich-Anleihen neu ganze drei Stufen tiefer ein – und zwar als «Non Investment Grade»: BB+ (zuvor BBB+).
Ausserdem kritisierte die Creditreform die mangelnde Transparenz im Firmengeflecht des ehemaligen Shoppingcenter-Erbauers und Windreich-Gründers Willi Balz. Sie stellte fest, dass Windreich ihren Geschäftsbericht 2011 erst im September 2012 veröffentlichte. Ausserdem waren rund 80 Prozent des ausgewiesenen Umsatzes so genannte «Innenumsätze» mit nicht-konsolidierten Tochtergesellschaften; Umsätze, die nicht Cashflow-wirksam sind.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der aktuell im Internet publizierte Jahresbericht 2011 vom Revisor nicht unterzeichnet ist.
Exklusive Oldtimer-Sammlung
Zudem kritisierte die Creditreform schon früher die «enge Verquickung von Geschäfts- und Privatsphäre» bei Willi Balz und Windreich. Darüber berichtete auch das deutsche Finanzmagazin «Finance».
So bezog Balz im Jahr 2009 Darlehen von total 48,5 Millionen Euro von seiner Firma. Die Ratingagentur schrieb in ihrem Bericht, dass dieses Geld «im Wesentlichen zum Erwerb historischer Rennfahrzeuge verwendet wurde». Einen Oldimer inklusive Transporter im Wert von 3,61 Millionen Euro hatte Balz für seine Sammlung zunächst sogar mit Firmengeld gekauft. Das Gefährt war 2009 Teil des Anlagevermögens der Firma. Später verkaufte Windreich die Kredite an die FC Windenergy GmbH, für welche die Oldtimer von Willi Balz als Sicherheit dienen.
Firmengründer bezog Kredite
Geschehen ist das Gegenteil: Der im Windreich-Geschäftsbericht 2011 ausgewiesene Privatkredit an Balz stieg auf 66 Millionen Euro.
Absturz der Windreich-Anleihen
Umgekehrt garantiert der im Immobiliengeschäft reich gewordene Balz mit seinem Privatvermögen diverse Windreich-Geschäfte im Wert von mehr als 182 Millionen Euro.
Zwei Anleihen von Windreich im Nominalwert von total 149 Millionen Euro werden an der Stuttgarter Börse mit einem grossen Abschlag gehandelt, nur mehr als etwas über 50 Prozent ihres Nominalwerts bei der kürzer laufenden Anleihe (bis 2015) respektive zu unter 50 Prozent bei der Anleihe mit Laufzeiten bis 2016.
Revisor warnt: Die Liquiditätslage ist «sehr angespannt»
Im Geschäftsbericht 2011 warnten die Revisoren zudem vor der «sehr angespannten» Liquiditätslage: «Der Fortbestand des Konzerns ist entscheidend davon abhängig, dass die eingeleiteten Finanzierungsmaßnahmen der Windreich-Gruppe erfolgreich sind und die Mittelzuflüsse aus den erwarteten Verkaufserlösen im On- und Offshore-Bereich so eintreffen, wie sie in der Unternehmensplanung prognostiziert werden.»
Und weiter: «Um die Liquiditätslage kurz- und mittelfristig zu verbessern, werden verstärkt Verhandlungen mit verschiedenen Banken über unterschiedliche Arten von Kreditierungen bis zu einem Volumen in dreistelliger Millionenhöhe geführt; ebenso wie mit Nachdruck Verhandlungen mit Investoren über den Erwerb von On- oder Offshore-Parks sowie anderen Investitionen geführt werden.»
Kein nachhaltiges Geschäft
Offenbar schenkte die Bank Sarasin ihrer eigenen «Nachhaltigkeits-Strategie» in diesem Fall eher wenig Beachtung. Vielmehr liess sie sich vom Unternehmer Willi Balz (im Bild rechts) blenden, und gleichzeitig wähnte sie sich wohl in Sicherheit, nachdem der ehemalige Sarasin-Finanzchef Matthias Hassels (im Bild links) in gleicher Funktion zur Firma Windreich gewechselt war. Nach nur anderthalb Jahren schied Hassels allerdings im Mai 2012 abrupt – wie schon sein Vorgänger – aus.
Neuer Finanzberater schon wieder weg
Balz holte zuletzt den früheren Telekom-Finanzchef Karl Gerhard Eick, damit dieser einen Börsengang organisiere. Jetzt hat dieser nach nur drei Monaten sein Mandat ebenfalls niedergelegt. Balz sagte gegenüber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», er habe ihn «gefeuert». Und: Er fühle sich «ausspioniert» und fürchte sich vor einer feindlichen Übernahme.
Auch im Aufsichtsrat von Windreich kam es zu Rochaden. Regionale Politgrössen und prominente Wissenschafter gaben sich die Klinke in die Hand. Auch deswegen wäre seitens Sarasin eine erhöhte Vorsicht geboten gewesen.
Verstoss gegen eigene Kreditpolitik
Dies umso mehr als die Bank mit der Vergabe und auch mit der Erhöhung ihres Kredits an Windreich gegen die eigene Kreditpolitik verstiess. In den Richtlinien heisst es nämlich: «Die Bank Sarasin betreibt nahezu ausschliesslich das vermögensverwaltungsnahe Kreditgeschäft mit Private Banking-Kunden. Im Vordergrund stehen der Lombardkredit und das Hypothekarkreditgeschäft.» Letzteres vornehmlich in der Schweiz.
Und weiter: «Die Vergabe von Krediten mit erhöhter Ausfallwahrscheinlichkeit bei entsprechend höherer Verzinsung bildet nicht Gegenstand der Kreditpolitik.» Nichts anderes sind aber die Kredite von Sarasin an die Firma Windreich respektive an deren Tochterfirmen.
Kreditlinien sukzessive ausgedehnt
Die ausstehende Kreditsumme kam in zwei Etappen zusammen: Für die erste Kredit-Tranche von Sarasin an die Windreich-Tocherfirma FC Consulting bürgte noch die Mutterfirma, also die Windreich AG. Die zweite Tranche besteht aus Kreditlinien, die Windreich für die Projektierung der Windparks in der Ostsee zog.
Im Windreich-Geschäftsbericht für 2011, der erst kürzlich veröffentlicht wurde, steht dazu folgendes: «Eine Intensivierung der Geschäftsbeziehung erfolgte mit der Bank Sarasin AG, die die bereitgestellten Kreditlinien im Zusammenhang mit der Projektzunahme sukzessive ausgedehnt und die Finanzierung wichtiger Schlüsselprojekte übernommen hat.»
Finanzierung lässt auf sich warten
Dabei handelt es sich gemäss Informationen aus einem Prüfungsbericht um den geplanten Windmühlenpark «MEG 1» in der deutschen Nordsee.
Noch etwas hatte sich Sarasin für das Kreditgeschäft eigentlich vorgenommen: «Die Kreditvergabe erfolgt fast ausnahmslos nur gegen leicht verwertbare Sicherheiten.» In der Nordseee dreht sich allerdings noch keine Windmühle. Und nur schon die endgültige Finanzierung des Projekts MEG-1 lässt auf sich warten, derweil der Firma das Geld auszugehen droht.
Ein Fall für die Finma?
Die Kredite an die Firma Windreich, die den Vergaberichtlinien Sarasins wohl zuwiderlaufen, könnten das Interesse der Finma wecken. Seit der Hausdurchsuchung in Deutschland steht Sarasin ohnehin in permanentem Kontakt mit der eidgenössischen Finanzaufsichtsbehörde.
Bei Sarasin will man zu den Krediten an Windreich nichts sagen: «Zu einzelnen Geschäftsbeziehungen sowie zu den Details von allfälligen Kreditgeschäften nehmen wir generell keine Stellung», sagte ein Banksprecher auf Anfrage von finews.ch.
Die Bank Sarasin, vormals im Besitz der holländischen Rabobank, wurde in diesem Jahr von der brasilianischen Finanzgruppe Safra übernommen. Zu einem allfälligen Preisanpassungs-Mechanismus im Verkaufsvertrag heisst es: «Zur Verkaufstransaktion zwischen der Rabobank und Safra gilt es zu ergänzen: Diese ist vollzogen, ebenso das Pflichtangebot. Allfällige Preisanpassungsmechanismen hätten im Pflichtangebot publiziert werden müssen.»