Die Euro-Untergrenze sei ein gefährliches Unterfangen, das nicht aufgehen könne, sagt der US-Starökonom und Ex-Reagan-Berater Steve Hanke.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hielt per Mitte 2012 Devisenreserven von insgesamt 365 Milliarden Franken, was einer Zunahme von 59 Milliarden Franken gegenüber Ende Mai entspricht, wie den neusten SNB-Daten zu entnehmen ist.
Schon im Mai war ein Plus von 66 Milliarden Franken vermeldet worden. Der scharfe Anstieg ist primär auf die Bemühungen der Schweizer Währungshüter zurückzuführen, die Euro-Untergrenze von 1.20 Franken am Devisenmarkt zu verteidigen.
Für den amerikanischen Ökonomen Steve Hanke dürfte dieses Unterfangen in einem Desaster enden, wie er gegenüber finews.ch am Rande der 8. Gottfried-Haberler-Konferenz in Vaduz FL sagte.
Absehbare Interressenskonflikte
Die SNB betreibe mit ihrer teilweisen Anbindung (Englisch: peg) des Franken an den Euro sowohl eine Wechselkurs- als weiterhin auch eine Geldpolitik. Dies führe, so Hanke, über kurz oder lang zu Interessenskonflikten und habe sich in der Vergangenheit nie bewährt.
Hanke weiss wovon er spricht. Er beriet in den frühen achtziger Jahren unter anderem US-Präsident Ronald Reagan in Privatisierungsfragen. Vor allem aber war er später, in den neunziger Jahren, in zahlreichen Ländern (Argentinien, Estland, Bulgarien, Bosnien und Herzegowina, Ecuador, Litauen und Montenegro) bei Währungsreformen als Regierungsberater tätig.
Heute lehrt der Wirtschaftsprofessor an der Johns-Hopkins-Universität im amerikanischen Baltimore. Daneben ist er auch als Investor und Verwaltungsrat im Hedge-Fund-Bereich tätig.
Aufgeblähte Geldmenge
«Die SNB spielt mit dem Feuer», sagte Hanke gegenüber finews.ch und: «Wenn sich die Schweiz zu festen Untergrenzen bekennt, kann sie nicht gleichzeitig noch eine unabhängige Geldpolitik verfolgen.» Dies führe mittelfristig zu einer künstlich aufgeblähten Geldmenge, so Hanke weiter, was wiederum die Wahrscheinlichkeit von Interessenskonflikten erhöhe.
Aus Hankes Sicht sind in diesem Umfeld auch die verschärften Eigenkapitalanforderungen an die Schweizer Banken falsch. Zwar findet auch er höhere Vorgaben grundsätzlich richtig. Doch der Zeitpunkt dafür sei nun schlecht gewählt. «Wenn man mitten in einem Konjunkturtief den Banken vorschreibt, ihre Aktiven abzubauen, schrumpft auch die Geldmenge, insbesondere die von Privaten gehaltene Geldmenge. Das ist sicherlich nicht förderlich für eine Erholung der Gesamtwirtschaft», so Hanke.
«Das schwächt die Banken bloss. Und wenn die Schweizer Behörden die Rekapitalisierung noch beschleunigen oder verschärfen wollen, machen sie es ihren Banken noch schwerer», sagte der Amerikaner.
Rund 90 Zentralbanken überflüssig
Insgesamt plädiert Steve Hanke für eine international möglichst weit reichende Vereinheitlichung der Geldpolitik. Und seine Forderung ist radikal: «Rund 90 Zentralbanken könnte man sofort schliessen», sagt er, «weil sie nicht kompetent genug sind, die Inflation im Griff zu haben und für tiefe Zinsen zu sorgen.»
Vor diesem Hintergrund sollten möglichst viele Staaten ihre Währungen entweder an den Dollar oder an den Euro anbinden, und gleichzeitig sollten die USA und die EU ein staatlich kontrolliertes Kurszielband von 1.20 bis 1.40 Dollar für 1 Euro einführen. Damit wäre eine gewisse Absehbarkeit im Devisensektor gewährleistet, was wiederum die Inflations- und Zinspolitik in vielen Ländern der Welt vereinfachen würde, so Hanke.
Heisser Herbst befürchtet
Angesichts der anhaltend anspannten Situation in Europa befürchtet der US-Ökonom einen schwierigen Herbst. «Die amerikanische Notenbank (Fed) unterhält mehrere Swap-Linien mit ausländischen Zentralbanken, die im Herbst auslaufen respektive erneuert werden müssen. Mit diesen Kontrakten gleichen die Währungshüter Angebot und Nachfrage ihrer jeweiligen Devisen aus.»
Hanke unterstreicht, dass diese Swap-Linien in der jüngsten Vergangenheit durchaus effektiv waren, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden – beispielsweise beim Lehman-Kollaps im Herbst 2008. Sollte nun aber der Vorwurf aufkommen, die Fed subventioniere die Probleme in der Euro-Zone, könnte die ganze Swap-Praxis zu einem politischen Thema aufkochen und in den US-Präsidentschaftswahlkampf hineinspielen.
Mitt Romneys Programm ist diffus
«Der Herbst könnte für einige Überraschungen sorgen», sagt Steve Hanke entsprechend. Vorläufig geht er davon aus, dass Barack Obama das Rennen machen wird. Unter veränderten Rahmenbedingungen könnte aber plötzlich doch der Republikaner Mitt Romney obsiegen, wenngleich dessen Programm völlig diffus und unklar sei, wie selbst der eher rechtskonservative Hanke findet.
Jedenfalls gebe es in den USA weit und breit keinen Politiker, der an den verstorbenen US-Präsidenten Ronald Reagan herankomme, sagt Steve Hanke, der im Range eines Senior Economist für ihn gearbeitet hat.
Keiner reicht an Reagan heran
Reagan habe stets den Eindruck vermittelt, dass man sich schon lange kannte. «So war es einfacher, miteinander zu arbeiten», sagt Hanke. Wirtschaftspolitisch habe er eine kohärente Strategie gefahren, habe sich für tiefe Steuern, Arbeitsplätze, Liberalisierung und «gesundes Geld» eingesetzt.
Der viel zitierte Vorwurf, Reagan sei nur ein Filmstar gewesen, lässt Hanke nicht gelten. Vielmehr habe es Reagan verstanden, die Menschen mit Kompetenz und Schlagfertigkeit zu überzeugen. Sein grösster Verdienst sei aber sicher sein Umgang mit dem letzten Sowjet-Führer Michail Gorbatschow gewesen. Der habe letztlich zum Ende des Kalten Krieges geführt.