Mit dem Krieg in der Ukraine wird der Schutz vor Hacker-Attacken ein noch dringenderes Anliegen. Das ist Wasser auf die Mühlen der israelischen Unternehmerin Shira Kaplan und ihrem exklusiven Club von Cyber-Investoren.
Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs sitzen die Spezialisten für die Cyber-Sicherheit auf Nadeln. Denn mit Russlands Bekenntnis zur «hybriden Kriegsführung» muss auch das Internet als Schlachtfeld gelten.
Glaubt man Medienberichten, ist es bereits zu Kampfhandlungen gekommen.
Windräder ausser Kontrolle
So gerieten zeitgleich mit dem ersten Angriff auf die Ukraine auch Windturbinen in ganz Europa ausser Kontrolle, wie das deutsche «Handelsblatt» (Artikel bezahlpflichtig) aufdeckte. Dies, nachdem der für die Steuerung zuständige Breitband-Satellit KA-Sat ausgefallen war; denselben Satelliten nutzten offenbar auch die ukrainischen Streitkräfte für ihre Kommunikation. Beobachter zählen da eins und eins zusammen.
Hinzu kommt die «gewöhnliche» Cyber-Kriminalität. Wie das Bundesamt für Statistik am (gestrigen) Montag mitteilte, haben die im Internet verübten Straftaten in der Schweiz im vergangenen Jahr um 24 Prozent auf mehr als 30'000 Fälle zugenommen.
Brücke Schweiz-Israel
Aus geschäftlicher Sicht sind dies ideale Zeiten für Firmen, die sich auf die Abwehr von Hackern spezialisiert haben – und für Investoren, die auf den aufstrebenden Sektor setzen. Solche Geldgeber hat auch Shira Kaplan um sich geschart, eine israelische Unternehmerin in Zürich, die mit ihrer Firma Cyverse eine Brücke zwischen Cyber-Jungfirmen in Israel und Schweizer Grossfirmen schlägt.
Der Nahost-Staat gilt als weltweiter Hub für Cyber-Expertise; oftmals haben dort Abwehr-Spezialisten der israelischen Streitkräfte nach ihrer Demobilisierung Startups gegründet. Die 38-jährige Kaplan teilt mit diesen Jungunternehmern die Herkunft; sie arbeitete als Analystin für Israels Armee.
Privater Club
Nun nützt sie die Kontakte von einst, um einem exklusiven Schweizer «Club» von Privatinvestoren Zugang zu israelischen Startups zu verschaffen. Bisher noch eine lose Vereinigung, hat das Unterfangen seit der Gründung im vergangenen Jahr mit der eigenen Gesellschaft Cyverse Capital Form angenommen.
Bereits seien mehrere Millionen Franken an Geldern investiert, sagt Kaplan im Gespräch mit finews.ch. Zu den Geldgebern zählen Privatpersonen, die sich von Berufs wegen mit der Materie auskennen: Verwaltungsräte und Chefs von Firmen, Digital-Verantwortliche und nicht zuletzt IT-Sicherheits-Chefs. Unter den Investoren finden sich auch bekannte Banker – Namen will die Cyverse-Chefin allerdings nicht nennen.
Zauberwort Swissness
Umso lauter ruft sie dagegen den Zielfirmen in Israel zu, dass ihre Sponsoren aus der Schweiz stammen. «Geld ist für israelische Startups kein Thema, das bekommen sie nachgeworfen», erklärt die Unternehmerin. Begehrt seien hingegen die Kontakte zur Schweizer Wirtschaft. «Dieser Markt und das deutschsprachige Europa sind am israelischen Cyber-Hub stark untervertreten.» Dies, während amerikanische Internet-Riesen dort mit Zukäufen höchst aktiv sind.
«Wir erhalten eigentlich nur Zutritt, weil wir im Rahmen unserer Vermittler-Tätigkeit sehr früh einen Draht zu den Startups haben», sagt Kaplan mit Blick auf das Investoren-Rennen. Zum guten Dutzend Jungunternehmen, in die Kaplan in den vergangenen vier Jahren investierte, gehören Namen wie Fireblocks, Lightspin, Zero Networks oder Zecops. Inzwischen ist geplant, die Investments mit einem eigenen Fonds zu formalisieren.
Eigene Spielregeln
Angesichts der rasant zunehmenden Bedeutung von Cyber-Sicherheit spricht Kaplan von ganz eigenen Spielregeln für diese Investments. «Man musste schon viel Pech haben, um mit einem israelischen Cyber-Startup in den vergangenen Jahren Geld zu verlieren», findet sie. Wenn diese Firmen verkauft würden, stellt sich oftmals nicht die Frage nach dem Multiplikator auf den Wert, sondern, ob das «Multiple» einstellig oder zweistellig ausfalle.
Dass die Nachfrage nach Abwehr-Know-how in den nächsten Jahre nachlässt, glaubt sie nicht. «Die Hacker sind uns immer einen Schritt voraus. Die Aufgabe unserer Branche besteht streng genommen darin, Pflaster für erfolgte Angriffe zu verteilen.» Leider dürfte es an diesen auch künftig nicht mangeln.