Die Anklage gegen die einstigen Lenker von Wirecard steht. Doch die Frage ist, ob es zum Prozess kommt im Skandal um den Millarden-Betrug beim Pleite gegangenen deutschen Fintech.
Im Juni 2020 musste das deutsche Zahlungs-Fintech Wirecard einräumen, dass 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz nicht existierten, und ein Isolvenzverfahren eröffnet worden sei. Nun steht die Anklage gegen drei ehemalige Lenker des Unternehmens, das an der Börse zeitweilig mehr Wert gewesen war als die Deutsche Bank.
Laut der Anklageschrift, die offenbar dem deutschen «Handelsblatt» (Artikel bezahlpflichtig) vorliegt, beschuldigt die Staatsanwaltschaft in München den einstigen Wirecard-CEO Markus Braun des gewerbsmässigen Betrugs, der Veruntreuung von Konzernvermögen, Bilanzfälschung sowie Manipulation des Aktienkurses der Firma.
Kronzeuge der Anklage
Ebenfalls angeklagt sind Oliver Bellenhaus, der einstige Büroleiter von Wirecard in Dubai, sowie Stephan von Erffa, der die Buchhaltung beim Payment-Unternehmen verantwortete. Für die Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Ihnen drohen bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Gefängnis – geständig ist dabei nur Bellenhaus, der mutmasslich Millionen unterschlagen hat. Er fungiert dabei als Kronzeuge der Anklage und hat mit seiner Aussage bereits dafür gesorgt, dass Braun und von Erffa inhaftiert wurden.
Den Ermittlern zufolge sollen Braun und die Mitangeklagten schon ab 2015 mit Luftbuchungen und vorgetäuschten Einnahmen mit Partnerfirmen Umsatz und Bilanz des Fintechs geschönt haben. Laut dem «Handelsblatt» ist es sehr wahrscheinlich, dass es nun zum Prozess gegen die einstigen Wirecard-Macher kommt.
Sinnigerweise nicht auf der Anklage figuriert der einstige operative Leiter (COO) und rechte Hand von Braun, Jan Marsalek. Er ist weiterhin flüchtig und zur Fahndung ausgeschrieben; laut dem Blatt könnte er sich derzeit in Russland aufhalten.
Prüfer in die Pflicht nehmen
Die Wirecard-Affäre ist auch für die Beratungsfirma EY in Deutschland längst nicht ausgestanden. Medienberichten zufolge prüft der Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé allfällige Schadensersatzansprüche gegen EY. Insbesondere soll geklärt werden, ob EY bei der Prüfung der Wirecard-Bilanzen vorsätzlich Fehler gemacht hat. Bei einem festgestellten Vorsatz würden die Prüfer unbegrenzt haften. Einiges deutet darauf hin, dass es bei den Bilanzprüfungen von EY schwere Versäumnisse gab.
So fiel der Bericht des Sonderprüfers Martin Wambach im Auftrag des deutschen Untersuchungsausschusses , – der so genannte Wambach-Bericht, der den Medien zugespielt wurde – für die Prüffirma bereits verheerend aus.