Die russische Invasion der Ukraine droht die Konjunktur auf längere Frist zu treffen – gleichzeitig steigen die Preise markant. In dieser Situation gibt es kaum Spielraum für Zinserhöhungen. Was wiederum zeigt, dass dieses Instrument nicht jeder Situation gerecht werden kann.
Ganz so dramatisch wie in der Türkei, wo die Inflationsrate auf über 50 Prozent geschossen ist, stellt sich die Lage in der Schweiz nicht dar. Aber der jüngste Konsumentenpreis-Index zeigt deutlich, dass auch hierzulande die Preise steil nach oben zeigen.
Mit einer jährlichen Rate von 2,2 Prozent erreichte die Inflation im Februar den höchsten Stand seit 2008. Die Preise für Öl und Gas waren für einen Prozentpunkt des Anstiegs gut. Aber auch die Kosten von Computern für den Heimgebrauch, von Möbeln und Occasions-Fahrzeugen haben deutlich zugelegt und etwa 0,6 Prozentpunkte zur Inflation beigetragen. Darauf wies die Grossbank UBS heute Freitag in einem Kommentar hin. Der Preisanstieg bei der Elektronik und Autos erfolgten wohl beide aus dem selben Grund, der Knappheit bei der Lieferung von Mikrochips.
Ein stumpfes Schwert
Mit einer Rate von über 2 Prozent bewegt sich die Inflation ausserhalb der Definition von Preisstabilität, wie sie die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit ihrer Zinspolitik anpeilt. Trotzdem erwarten die Volkswirte keine rasche Zinserhöhung in der Schweiz.
Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Erstens dürfte die Inflation erwartungsgemäss schon im zweiten Halbjahr wieder unter die 2-Prozent-Marke fallen und in den Jahren danach wieder unter 1 Prozent. Da eine Zinserhöhung heute ihren dämpfenden Effekt erst in der Zukunft entfaltet, ergibt eine kurzfristige Handlung keinen Sinn.
Eine Zinserhöhung zur Dämpfung der Inflation ist wegen der Natur des Preisanstiegs in der Schweiz letztlich ein stumpfes Schwert. Die primären Gründe für die Inflation sind eindeutig importierter Natur und können mit einer einseitigen Zinserhöhung nicht bekämpft werden. Erst wenn sich sogenannte Zweitrundeneffekte ergeben, leuten die Alarmglocken.
Öl und Erdgas als grosse Unbekannte
Dazu würden Preiserhöhungen auf breiter Front sowie stark steigende Löhne zählen. Gerade die jüngsten Lohnrunden sind aber sehr moderat ausgefallen – nicht zuletzt natürlich wegen der Preisstabilität, die hierzulande über Jahre geherrscht hat.
Wenn nun aber die Öl- und Gaspreise weiterhin steil ansteigen, würde dies zwar in den kommenden Monaten für weiter wachsende Inflationszahlen führen, aber gleichwohl nicht zu einem Zinsanstieg, wie die Ökonomen der UBS schreiben. Denn der primäre Effekt in der Schweiz wäre eine Schmälerung der verfügbaren Einkommen der Konsumenten und höhere Kosten bei den Unternehmen, was beides auf die Konjunktur drückt. Das würde die Inflation dämpfen.
Parität zum Euro schon fast erreicht
Da in den letzten Jahren die Inflation unter Kontrolle war, konnte sich die SNB weitgehend auf den Frankenkurs fokussieren. Dieser ist insbesondere für die exportorientierte Industrie von grosser Bedeutung und deshalb auch wichtig für die Volkswirtschaft als Ganzes. In der Inflations-Debatte ist der Frankenkurs ebenfalls bedeutsam, aber – glücklicherweise – in einer umgekehrt positiven Weise. Ein sinkender Frankenkurs hat tendenziell eine inflationäre Wirkung, da sich die Importe dadurch verteuern.
In Zeiten von grosser geopolitischer Spannung aber steigt der Franken gegenüber den wichtigsten Handelswährungen, wie gerade jetzt. Die Parität zum Euro könnte schon sehr bald Wirklichkeit werden, was die Importe aus dem so wichtigen Handelsraum EU für die Schweiz verbilligt. Zur Erinnerung: 1 Euro war vor einem Jahr etwa 1.11 Franken wert. Aktuell handelt der Euro gerade noch zu 1.01 Franken.
Russlands Antwort steht noch aus
Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Betrachtung der Zinssituation ist die Entwicklung des soeben in Gang gekommenen Wirtschaftskriegs zwischen dem Westen und Russland. So steht die diesbezügliche Antwort Russlands noch weitgehend aus. Sollte Präsident Wladimir Putin am Gas- und Ölhahn drehen, steigen die Preise weiter. Dies hätte zwar ebenfalls inflationäre Effekte, aber ähnlich wie schon jetzt auch konjunkturelle Auswirkungen.
Die SNB präsentiert am 24. März ihre quartalsweise vorgenommene Lagebeurteilung und steht unter sehr grosser Beobachtung. Auf eine Zinserhöhung im jetzigen Zeitpunkt deutet wenig hin, trotz der stark steigenden Preise.