In der Schweiz gab es seit 2007 kaum Inflation, trotz einer stark steigenden Geldmenge. Gelten die volkswirtschaftlichen Gesetze der Geldmengen-Theorie nicht mehr? Die Zürcher Hochschule ZHAW und der Zürcher Bankenverband sind dieser Frage nachgegangen.
Zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Pandemiefolgen haben die Staaten ihre Ausgaben gesteigert und die Notenbanken die Zinsen tief gehalten. Seit die wirtschaftliche Erholung wieder schnell und kräftig eingesetzt hat, steigen die Preise in Teilbereichen der Wirtschaft deutlich. Sind die aktuellen Preisentwicklungen nur kurzfristige Preissprünge oder erleben wir den Beginn einer Inflation?
Mit diesem Thema hat sich der «Finance Circle», die Bildungsveranstaltung der School of Management & Law der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und des Zürcher Bankenverbands, am (gestrigen) Montag beschäftigt.
Blick in die Geschichte
Dabei sprachen Daniel Aegerter von der Bank Julius Baer und Vize-Präsident des Zürcher Bankenverbands (ZBV), Suzanne Ziegler, Leiterin der Abteilung Banking, Finance, Insurance bei der ZHAW, Daniel Kalt, UBS Chefökonom und Chief Investment Officer (CIO) sowie Carlos Lenz, Leiter des Bereichs Volkswirtschaft bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB).
So ging Ziegler auf die volkswirtschaftlichen Theorien zu den Zusammenhängen zwischen Geldmenge und Wirtschaftsleistung ein und auf die Aufgabe der Notenbank, diese in einem Gleichgewicht zu halten. Dabei verwies sie auf Zeiträume mit hoher Inflation in der Schweiz, welche diese Theorie bestätigen. Als Beispiele behandelte sie dabei die Zeit Anfang der 1970er-Jahre nach Bretton Woods und die erste Ölkrise sowie die zweite Ölkrise Ende der 1970er-Jahre und die Zeit nach dem «Black Monday», dem Börsen-Crash Ende der 1980er-Jahre.
Widerspruch zur Theorie?
Aber auch für die scheinbar nicht mit der Theorie übereinstimmende Entwicklung der vergangenen Jahre lieferte Ziegler Erklärungsansätze. Einmal führe nicht jede Geldmengen-Steigerung zu Teuerung. Für die preistreibende Wirkung müsse das Geld auch bei den Konsumenten ankommen. Zudem könne es auch Preissteigerungen geben, die nicht im Warenkorb enthalten seien, anhand dessen Inflation gemessen werde, etwa Immobilienpreise, so Ziegler weiter.
Daniel Kalt von der UBS hält die aktuelle Inflationslage angesichts der wirtschaftlichen Erholung nach der Krise nicht für kritisch. Er verglich jedoch in seinen Ausführungen die Inflationslage nach Wirtschaftsräumen. Am weitesten fortgeschritten sei die Teuerung in den USA.
Volatile Energiepreise
Dort hätten insbesondere die Preise für Güter stark angezogen, während die Dienstleistungen in etwa auf das Vorkrisenniveau zurückgekommen seien. Auch in der EU sei das Niveau gemessen an der Kerninflationsrate, also ohne die volatilen Energiepreise, höher als in der Schweiz.
Der UBS-Ökonom rechnet damit, dass die US-Zentralbank (Federal Reserve, Fed) moderat und vorsichtig auf die steigenden Preise reagieren werde. Jedoch gebe es Anzeichen dafür, dass eine Lohn-Preis-Spirale entstehen könnte. Als Gefahr sieht er etwa den bereits in Teilen bestehenden Fachkräftemangel in den USA. «Längerfristig ist entscheidend, was am Arbeitsmarkt passiert», betonte Kalt.
Lage am Arbeitsmarkt entscheidend
Der SNB-Vertreter Carlos Lenz machte für die zuletzt leicht angehobene Inflationserwartung vor allem die Entwicklung der Energiepreise und die steigenden Mieten verantwortlich. Der Anstieg sei jedoch vorübergehender Natur, und die Inflation werde wieder sinken.
Insgesamt rechnet die SNB im mittelfristigen Ausblick mit einer mässigen Inflation von bis zu einem Prozent in den kommenden Jahren. Dabei verwies Lenz auf die Produktion, die noch nicht an die Auslastungsgrenze gestiegen sei und die Lage am Arbeitsmarkt.
Hoher Aussenwert des Franken
Hier habe sich die Arbeitslosigkeit in der Schweiz wieder abgeschwächt, sei aber nach wie vor weit von einem Arbeitskräftemangel entfernt. Inflationsdämpfend wirke in der Schweiz auch der hohe Aussenwert des Franken. Die SNB schaue insbesondere auf die Lohnentwicklung, die für die inländischen Preise wichtig sei, sowie auf die importierte Teuerung.
- Der nächste «Finance Circle» findet am Montag, 22. November 2021, von 18.00 Uhr bis 19.30 Uhr statt, dann zum Thema «Neuste Entwicklungen der digitalen Assets».