Johannes Rüegg-Stürm bleibt weitere fünf Jahre als Professor an der Universität St. Gallen. Seine Erfahrungen als gescheiterter Raiffeisen-Präsident sind dabei kein Hindernis – im Gegenteil.
Johannes Rüegg-Stürm bleibt bis zu seiner Pensionierung im Sommer 2026 Professor für Organizational Studies an der Universität St. Gallen (HSG). Wie das «St. Galler Tagblatt» am Dienstag berichtete, hat ihn der Universitätsrat in seinem Amt bestätigt.
Die Tätigkeit Rüegg-Stürms als Professor an der Kaderschmiede HSG entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Als Präsident der Genossenschaftsbank Raiffeisen Schweiz hatte er die Oberaufsicht über eine Gruppe von Managern, allen voran der frühere CEO Pierin Vincenz, welche das Institut mit Hauptsitz in St. Gallen in eine tiefe Krise gestürzt haben.
Lukrativer Teilzeitjob
Der Professor, welcher jahrelang den Betriebswirtschafts-Studenten die Grundlagen der Unternehmensorganisation und -führung beibrachte, trat erst zurück, nachdem Vincenz verhaftet worden war. Die Finma erteilte der Corporate Governance der Raiffeisen eine scharfe Rüge. Für sein letztes volles Jahr als Präsident im 50-Prozent-Pensum erhielt Rüegg-Stürm (Bild unten) 548'000 Franken.
«Meine Tätigkeit an der HSG war stets der zentrale Teil meines beruflichen Selbstverständnisses, mein Engagement bei Raiffeisen eine vornherein zeitlich limitierte Nebentätigkeit», sagte er in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Ostschweizer Zeitung. «Sicher gab es überschiessende Kritik. Diese hat mich erst recht zu vollem Einsatz in Forschung, Lehre und Weiterbildung motiviert.»
Selbstbewusster Auftritt
Die Lehren aus dem Debakel will er nun den Studierenden der HSG auf Master- und Doktoratsstufe vermitteln. «Es ist ein entscheidender Vorteil der HSG, dass wir Praxisnähe auch über persönliche Erfahrungen im Umgang mit unternehmerischer Verantwortung einbringen», zitierte ihn das «Tagblatt».
Dem Artikel zufolge wurde seine weitere Tätigkeit als Professor nie ernsthaft in Frage gestellt. Zwar musste er sich vor seiner Wiederwahl zu den Vorfällen bei Raiffeisen erklären, sein selbstbewusster Auftritt liess allerdings keine Zweifel daran, dass er seine Aufgaben als Professor erfüllen kann, wie der St. Galler Bildungsdirektor Stefan Kölliker dem «Tagblatt» sagte.
Grosses Bedauern
Unabhängig von den Qualitäten Rüegg-Stürms als Professor zeigt das Beispiel Raiffeisen, dass theoretische Grundlagen nicht ausreichend sind, um ein grosses Unternehmen effektiv zu kontrollieren. Nicht zuletzt deshalb sitzt mittlerweile mit Guy Lachappelle ein erfahrener Banker auf dem Präsidentenstuhl der Raiffeisen.
«Ich bringe in jedem Lehr- und Weiterbildungskontext aktiv mein grosses Bedauern über die negativen Auswirkungen zum Ausdruck, die sich im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit für Raiffeisen selbst und leider auch für die HSG ergeben haben», sagte Rüegg-Stürm. Es bleibt zu hoffen, dass er den Studierenden an der HSG damit eine kritische Haltung gegenüber vermeintlichen Heilsbringern wie Vincenz vermittelt.