Die Schweiz läuft Gefahr, wieder auf graue oder gar schwarze Listen im Ausland zu geraten. Darunter würde die Reputation des Finanzplatzes besonders leiden. Die Banker sind besorgt.
Die Attraktivität des Schweizer Werk- und Finanzplatzes ist in Gefahr, seit internationale Organisationen wie die OECD oder die EU Druck auf das hiesige Steuersystem machen. Wichtigster Kritikpunkt sind die hierzulande existierenden Steuerprivilegien für ausländische sowie auslandorientierte Unternehmen – davon profitieren rund 24'000 Firmen mit gut 150'000 Arbeitsplätzen.
Unternimmt die Schweiz nichts, läuft sie Gefahr, dass sie – wie schon beim Bankgeheimnis respektive bei der Kooperation in Steuerfragen – auf eine graue und schlimmstenfalls sogar auf eine schwarze Liste der OECD gerät; und so in den gleichen Topf geworfen wird mit den einschlägig bekannten Steueroasen – was auch nicht im Sinne der Schweiz sein kann.
Rechtssicherheit im Vordergrund
Vor diesem Hintergrund kommt am 19. Mai 2019 die eidgenössische AHV-Steuervorlage zur Abstimmung, mit der sich am Donnerstag auch die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) und der Zürcher Bankenverband (ZBV) in einer Lunchveranstaltung in Zürich befassten. Die Attraktivität der Schweiz per se sowie des Finanzplatzes steht und fällt für die Bankbranche vor allem mit der Rechtssicherheit hierzulande – wie sich in der Vergangenheit auch bei anderen Vorlagen immer wieder gezeigt hat.
Solange also die Steuerfrage für ausländische Unternehmen nicht geregelt ist, sind die Banken in ihrer Geschäftstätigkeit mit einem Handicap konfrontiert. Die AHV-Steuervorlage soll dabei Remedur verschaffen, wie Claude-Alain Margelisch, der CEO der SBVg, am Donnerstag erklärte.
Zwei Themen verknüpft
Die AHV-Steuervorlage verknüpft, wie es der Name ausdrückt, zwei Themen: zum einen eine Reform der unterschiedlichen Besteuerung von in- und auslandorientierten Firmen in der Schweiz, zum andern eine, allerdings zeitlich begrenzte, Sicherheit der AHV, also des wichtigsten Sozialwerks unseres Landes. Vereinfacht gesagt geht es darum, dass die insgesamt höheren Steuern für die ausländischen und auslandorientierten Unternehmen eine Zusatzfinanzierung der AHV ermöglichen und damit einen Beitrag zur Sicherung der AHV-Renten leisten.
Eine Allianz der bürgerlichen Parteien – mit Ausnahme der SVP, die Stimmfreigabe beschlossen hat – sowie die SP, bürgerliche Verbände und die Gewerkschafts-Dachorganisation Travail.Suisse befürworten die Vorlage. Auf Ablehnung stösst sie dagegen in einigen linkspolitischen und in EU-feindlichen Kreisen.
Schwerer Stand
Der Zürcher Regierungsrat und Finanzminister Ernst Stocker räumte am Donnerstag ein, dass die Verknüpfung zweier politischer Anliegen bei einer Abstimmung immer sehr heikel sei, warnte aber vehement davor, die Vorlage auf die leichter Schulter zu nehmen. «Es geht darum, das Steuersubstrat in der Schweiz und auch im Kanton Zürich zu halten. Nur so lassen sich die Mittel im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich und in der Sicherheit auch künftig garantiere», sagte der SVP-Politiker, der mit seinem Engagement in dieser Sache einen schweren Stand innerhalb seiner Partei hat.
Die Ausgestaltung der Vorlage erinnert aus Sicht der Gegner tatsächlich an eine Art Kuhhandel, weil zwei Themen kombiniert werden, die nur begrenzt etwas miteinander zu tun haben. Doch müssen wir diese Kröte wirklich schlucken? Aus Sicht von FDP-Nationalrätin Regine Sauter lautet die Antwort ganz klar Ja.
Reputation in Gefahr
Die Vorlage führe nicht zu einem Sozialausbau, wie das manche Kritiker behaupteten, sondern leiste einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der bestehenden Sozialwerke, was angesichts der zunehmend älteren Bevölkerung von zentraler Bedeutung sei. Gleichzeitig erhalte der Werk- und Forschungsplatz Schweiz mehr Steuergerechtigkeit und faires Steuersystem, sagte Sauter
Aus Bankensicht läuft eine Ablehnung der Vorlage darauf hinaus, dass die Schweiz erneut unter ausländischen Druck gerät und die Reputation des Finanzplatzes Schaden daran nimmt. Zudem würde die Schweiz im Steuerwettbewerb zurückfallen, weil die Folge einer Ablehnung über kurz oder lang eine generelle Steuerharmonisierung wäre – «und das will niemand», betonte Regierungsrat Stocker.