Obschon die Meinungen zur Vollgeld-Initiative in der Bevölkerung offenbar schon gemacht sind, wird Nationalbank-Präsident Thomas Jordan nicht müde, vor dieser Vorlage zu warnen.

Die jüngsten Meinungsumfragen attestieren der am 10. Juni 2018 zur Abstimmung gelangenen Vollgeld-Initiative (VGI) keine grossen Chancen. Dennoch ist das Interesse an dieser Vorlage enorm. Dies zeigte sich erneut am (gestrigen) Mittwoch an einem Anlass des Swiss Finance Institute (SFI) in Zürich, dem 300 Personen beiwohnten.

Dabei handelte es sich nicht um eine kontradiktorische Veranstaltung, sondern um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema, wie SFI-Geschäftsleitungsmitglied Markus Bürgi am Rande der Veranstaltung erklärte. finews.ch-Gründer Claude Baumann moderierte den Anlass.

Das SFI hat auch ein Diskussionspapier zur Vorlage verfasst, das einer der beiden Autoren, der Finanzprofessor Jean-Charles Rochet, an der Veranstaltung präsentierte. Der andere Verfasser ist Urs Birchler, emeritierter Professor der Universität Zürich.

Zentralbanken generell im Fokus

Obschon die Vollgeld-Initiative viele Punkte im Unklaren belasse, begrüsste es Rochet, dass durch diese Vorlage die Rolle der SNB wie auch anderer Zentralbanken mittlerweile breit diskutiert werde. Angesichts der riesigen Geldmengenausweitung in den vergangenen Jahren sowie dem Aufkommen von Kryptowährungen dränge sich eine generelle Auseinandersetzung mit dem Thema regelrecht auf.

Etwas pragmatischer sah es Thomas Jordan. Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) warnte davor, dass sich die Schweiz als Vorreiterin – und unter den gespannten Blicken aus dem Ausland – auf das «gefährliche Experiment Vollgeld» einlasse. Weil das Publikum an dem Anlass mehrheitlich aus Bankangestellten bestand, sagte der oberste Währungshüter auch nachdrücklich, dass das Vollgeld die Kreditvergabe und damit eine wichtige Aufgabe der Banken erheblich beeinträchtigen würde – notabene zulasten der Kunden, also der Sparer und Kreditnehmer.

Geld aus dem Nichts?

Die Geschäftsbanken würden kein «Geld aus dem Nichts» schaffen, bestritt Jordan die von den Vollgeld-Initianten kolportierte Behauptung. Die Geldschöpfung der Banken sei das Produkt der Vermittlung zwischen Sparern und Kreditnehmern sowie der Möglichkeit, Sichtguthaben von Kunden nicht zu 100 Prozent mit Zentralbankgeld decken zu müssen. Und wenn eine Bank nicht wettbewerbsfähig sei, werde kein Kunde bereit sein, bei ihr Kredite nachzufragen oder Sichtguthaben zu halten.

«Mit der Kreditvergabe gehen die Banken ein Geschäftsrisiko ein», betonte der SNB-Präsident und widerlegte so die These, die Banken würden sich an der Geldschöpfung grenzenlos und unverdient berreichern. 

Arbeitsplätze in Gefahr

Bei einer Annahme hätte die Vollgeld-Initiative somit einschneidende Auswirkungen auf das Geschäftsmodell der Banken, sagte Jordan weiter. Für die Kreditvergabe müssten sie sich nach anderen Investoren umsehen, was den gesamten Prozess erheblich erschweren würde. Letztlich würde dies die ganze Bankbranche und damit auch die Sicherheit vieler Arbeitsplätze gefährden. «Vollgeld wäre wie Sand im Getriebe unseres Kreditwesens», sagte Jordan.