Mit einem neuen Dossier will die Economiesuisse den Regulierungssumpf trockenlegen. Doch dazu bräuchte es nicht viel mehr als die Anwendung existierender Instrumente, schreibt Martin Hess.
Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Politischen Unsicherheiten und starkem Franken zum Trotz: In allen Sorgenbarometern der Wirtschaft steht die Regulierungslast zuvorderst. Es ist namentlich auch die Regulierungsdichte, welche die Schweiz in den internationalen Standortrankings nach hinten rutschen lässt. In Zeiten, in der jede siebte Bank in der Schweiz rote Zahlen schreibt, schmerzt der administrative Hürdenlauf doppelt.
Die Politik hat erfreulicherweise reagiert. Im Bundesrat steht der Bürokratieabbau oben auf der Agenda. Im Parlament sind zudem rund ein Dutzend Vorstösse gegen die Überregulierung zu behandeln.
Nun auch Economiesuisse
Economiesuisse hat nun erstmals in dieser Frage Flagge gezeigt und ein Pamphlet gegen den Regulierungssumpf vorgestellt.
Es ist lobenswert, dass der Dachverband der Wirtschaft in diese Kerbe schlägt und den lähmenden Mehraufwand durch übermässige Vorschriften anprangert. Dies ist bitter nötig, aber keinesfalls selbstverständlich, denn die Regulierten (also gewisse eigene Mitglieder) werden von Economiesuisse ebenfalls als Treiber von Regulierungen identifiziert.
Walk the Talk
Wir dürfen also nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen, sondern müssen auch vor der eigenen Türe wischen. Dass hierzu das „wirksamste Mittel“ aber in "Disziplin und Selbstbeschränkung“ von Behörden, Parlament und Regulierten liegen soll, stimmt theoretisch. In der Praxis wird dies aber nicht für das Einbremsen der Regulierungsdynamik reichen. Erfreulicherweise klopft Economiesuisse zahlreiche Einzelvorschläge auf ihre Tauglichkeit ab.
Meiner Ansicht nach wäre es aber auch nötig, die empfohlenen Massnahmen konzeptuell zu verflechten, um die Schweiz auf eine effiziente Art für die Zukunft wieder regulatorisch schlank aufzustellen. Eine gute Orientierungshilfe dafür bietet das Konzept für eine gute Regulierungspolitik, das die Bankiervereinigung bereits im Juni 2016 veröffentlicht hat.
Konzept der Bankiervereinigung
Wir sehen den Grund der Überregulierung darin, dass die bestehenden Regulierungsinstrumente wie Bedarfsabklärungen, Regulierungsfolgeabschätzungen und ex-post-Analysen nicht systematisch angewendet werden. Dies führt zu teuren, unnötigen und ineffizienten Regeln.
Hierbei stellen wir fest, dass es nicht am Wissen oder dem Können der Behörden mangelt. Vielmehr fehlt oft die Bereitschaft, einen Vorschlag durch einen geregelten Regulierungsprozess mit Qualitätshürden zu führen.
Für den Kampf gegen die administrativen Kosten ist es somit nicht nötig, das Rad neu zu erfinden. Es müsste lediglich sichergestellt werden, dass existierende Prüfinstrumente systematisch und richtig angewendet werden. Dazu bedarf es einer Controllingfunktion in Form einer Prüfstelle. Zudem dient der stete Austausch zwischen Behörden und Wirtschaft der pragmatischen Ausgestaltung von Vorschriften. Schliesslich soll ein Preisschild materiell sicherstellen, dass die durch Regulierung generierten Kosten wirksam gesteuert werden.
Interpretationsbedürftiges Papier
Das Papier von Economiesuisse ist in dieser schwierigen Situation ein wichtiges Zeichen zur richtigen Zeit. Die Wirtschaft zeigt den politischen Willen, zur Verbesserung der Standortattraktivität beizutragen. In Bezug auf die konkrete Ausgestaltung lässt es aber einen beträchtlichen Interpretationsspielraum.
Deshalb an dieser Stelle auch ein Wort an die Gemeinschaft der Deregulierungsturbos, die sich von der Economiesuisse bestätigt fühlen: Es geht nicht darum, dass nur ein totes Gesetz ein gutes Gesetz ist. Ziel ist nicht ein Raum ohne Regeln. Vielmehr bedarf es Weisungen, die zweckmässig, wirksam und kostengünstig sind.
Ich bin optimistisch, dass dieses Vorhaben gelingt, denn ausser der öffentlichen Verwaltung profitiert niemand von komplizierten und teuren Vorschriften.