Auf die Frage, ob die Banken – und insbesondere die Grossbank UBS – künftig mehr Eigenkapital halten müssen sollen, kann die Wissenschaft keine eindeutige Antwort geben. Der Entscheid muss politisch gefällt werden, und beide Lager haben valable Argumente. Dass das Thema mobilisiert, zeigte der Grossaufmarsch zu einer hochkarätig besetzten Veranstaltung. 

Müssen die Anforderungen an das Eigenkapital von  Banken – und speziell an die Grossbank UBS – weiter verschärft werden, wie sich das der Bundesrat, die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Schweizerische Nationalbank (SNB) nach den Erfahrungen mit der Credit Suisse (CS) wünschen, um die Stabilität des Finanzsystems zu sichern und Banken für den Fall der Fälle widerstandsfähiger zu machen?

Oder würde die Schweiz damit der eigenen Wirtschaft schaden, weil die Banken die Kreditvergabe an die Unternehmen einschränken würden? Zudem könnte sich dadurch die internationale Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der UBS verschlechtern, was längerfristig für das Finanzsystem nachteilig wäre, weil nur finanziell gesunde Banken langfristig auch stabile Banken sind.

Diskussionspapier zum aktuellen Stand der Forschung

Diese Fragen schwebten über der Veranstaltung des Swiss Finance Institute (SFI), die am Dienstagabend in Zürich in einem vollbesetzten Saal über die Bühne ging. In einem ersten Teil stellten Steven Ongena, SFI Senior Chair und Professor für Bankwesen an der Universität Zürich, und Simona Nistor, ausserordentliche Professorin für Bankwesen an der Babeș-Bolyai Universität von Cluj-Napoca, ihre SFI Public Discussion Note zu Eigenkapitalanforderungen für Banken vor.

Die beiden Autoren beschäftigen sich darin damit, weshalb Banken Eigenkapital halten sollten, wie viel es sein und ob es erhöht werden soll sowie den Alternativen dazu. Sie stützen sich dabei auf eine Vielzahl von akademischen Studien und Analysen, die sowohl theoretische Modelle als auch die Erfahrungen in der Praxis berücksichtigen und fassen in ihrem Diskussionspapier den aktuellen Stand der Forschung zusammen.

Weniger Kredite und andere Nebeneffekte, aber für wie lange? 

Wer von ihnen indes eindeutige Antworten erwartet hatte, wurde enttäuscht. Ja, es gebe Hinweise, dass Banken nach einer Erhöhung der Kapitalanforderungen ihre Kreditvergabe drosselten und auch andere Nebeneffekte wie vermehrte Kreditvergabe durch den nichtregulierten Bereich aufträten. Aber die Wirkung könne auch nur vorübergehend sein. Das wichtigste sei, sich bewusst zu sein, dass man mit vielen Schätzungen arbeiten müsse und Güterabwägungen vorzunehmen habe, hielt Ongena fest.

Klarere Fronten gab es hingegen auf dem Podium – und vor allem im Publikum, wie im Frage-Antwort-Teil deutlich wurde. Auf dem Podium waren drei Exponenten, die zum Thema Bankenregulierung viel zu sagen wussten.

UBS: «Unsere Aktionäre sind die erste Verteidigungslinie»

Für Yvan Lengwiler, Professor für Nationalökonomie an der Universität Basel, von 2012 bis 2019 Mitglied im Verwaltungsrats der Finma und Präsident der Expertenkommission Bankenstabilität (die im September 2023 ihren Bericht vorlegte), ist es nicht realistisch, hohe Eigenkapitalquoten von beispielsweise 30 Prozent in einem Land allein einzuführen. «Es gibt Trade-offs, und deshalb muss letztlich die Politik entscheiden.» Zudem brach er eine Lanze für zusätzliches Eigenkapital in Form von AT1, als Frühwarnindikator, der auch der Finma einen Hebel gebe, und kritisierte, dass die SNB sich nicht besser auf die ausserordentliche Liquiditätshilfe vorbereitet habe.

Markus Ronner, Group Chief Compliance and Governance Officer der UBS Group, hielt fest, dass seine Bank international wettbewerbsfähig sein müsse, um profitabel und damit für die Aktionäre attraktiv zu sein. «Die Aktionäre sind in einer Krise die erste Verteidigungslinie.» Müsste die UBS zusätzliches Eigenkapital von 25 Milliarden Franken halten (die Zahl wird oft als maximaler Bedarf genannt, wenn der Bundesrat seine Vorstellungen durchsetzt), würde dies auf Jahrzehnte hinaus Kosten verursachen, die Wettbewerbsfähigkeit schmälern und die Bank für Investoren weniger anziehend machen, antwortete Ronner auf eine Publikumsfrage.

Daniel Zuberbühlers Déjà-vu

Roman Studer, CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) – der Bankenverband hatte sich kürzlich kritisch zum Too-big-to-fail-Massnahmenpaket des Bundesrats geäussert – betonte, im Fall CS sei nicht das Kapital das Problem gewesen und deshalb könnten höhere Anforderungen auch nicht die Lösung sei. Der Markt habe das Geschäftsmodell der CS als nicht überlebensfähig eingestuft, sekundierte Ronner.

Aus dem Publikum meldete sich unter anderem Daniel Zuberbühler, der über 30 Jahre bei der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) arbeitete, in der Finanzkrise deren Direktor und danach bis 2011 noch Verwaltungsrat der Nachfolgebehörde Finma war. Er habe das Argument, dass höhere Kapitalanforderungen die Kreditvergabe einschränkten und die Volkswirtschaft schädigten, schon bei der Diskussion der Basel-III-Regulierung immer wieder von Bankenvertretern anhören müssen. «Aber wir sind auch heute noch weit weg vom Punkt, ab dem es wirklich kritisch wird.»

Wie realistisch ist eine Abwicklung einer Grossbank?

Zuberbühler kritisierte auch, dass der CS in Bezug auf die Kalibrierung des Eigenkapitals zu viele Ausnahmen, Filter und Erleichterungen zugestanden worden seien. Und die CS habe sehr wohl ein Problem mit dem Kapital gehabt – man darf gespannt sein, was der PUK-Bericht, der noch dieses Jahr erscheinen soll, dazu sagt.

Einigkeit scheint darüber zu herrschen, dass es im Notfall möglich sein muss, auch systemrelevante Banken geordnet abzuwickeln (Resolution). Lengwiler plädierte gar dafür, mit Blick auf künftige Krisen die Abwickelbarkeit ins Zentrum zu setzen; auch wenn er sich im Klaren darüber war, dass der Fall CS, bei dem der Bundesrat eine andere Lösung wählte, der Glaubwürdigkeit des Mechanismus einen Schlag versetzt hat. In der Tat: Wenn es in einer relativ isolierten Krise nicht möglich ist, eine grosse international tätige Bank abzuwickeln, wann dann sonst? Auch hier darf man sich vom PUK-Bericht einiges erwarten.