Der Bundesrat erachtet die Vollgeld-Initiative als erhebliches Risiko für die Schweizer Wirtschaft. Zu Recht, findet Martin Hess von der Bankiervereinigung.
Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Anfang 2018 wird das Volk über die Initiative «Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank! (Vollgeld-Initiative)» abstimmen müssen. Diese führt, nomen est omen, sicher in die Krise. Die Initianten verlangen unsinnigerweise, dass den Geschäftsbanken die Geldschöpfung untersagt wird. Konkret heisst dies, dass sie keine Sichteinlagen zur Finanzierung von Krediten mehr verwenden könnten. Es würde also den Banken massiv erschwert, durch Vorfinanzierung von Investitionen Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.
Damit bräche eine volkswirtschaftlich zentrale Kernfunktion des Bankensystems einfach weg. Die Antwort kann deshalb nur ein Nein an der Urne sein.
Sirenenklänge...
Es gilt, nicht den Sirenenklängen der Initianten zu verfallen. Diese versprechen bei Annahme der Initiative bis zu einer zweistelligen Milliardensumme für die Öffentlichkeit – jedes Jahr notabene. Es ist wohlbekannt, was weiland wenig standhaften Seeleuten blühte, als sie der Gesang der Sirenen allzu neugierig machte.
... und fadenscheinige Argumente
Die Schweiz habe keinen «echten», aber unsicheren Franken, die Banken seien durch den Staat subventioniert und die Geldpolitik sei durch das Finanzsystem erschwert.
So oder ähnlich lauten die Begründungen der Initianten für ihr Anliegen. Keine ist zutreffend oder bedarf einer Lösung, erst recht nicht einer radikalen.
Fortschritte bei der Finanzstabilität
Die Sicherstellung der Finanzstabilität, namentlich die Verhinderung von «Bank Runs» ist aus meiner Sicht das einzige legitime Ziel der Initianten. Aber gerade hier hat die Schweiz mit einschneidenden Auflagen an Banken signifikante Fortschritte erreicht.
Es drängt sich deshalb hier keine völlige Umkrempelung des Sicherheitsdispositivs auch. Auch muss festgestellt werden, dass die vorgeschlagenen Massnahmen in der Finanzkrise wirkungslos geblieben wären.
Vollgas in die Wand
Das Volk wird somit über wirkungslose Massnahmen für Fragestellungen aus dem Elfenbein-Turm abstimmen müssen. Der intellektuelle Übereifer führt zu einem No-Brainer in Form dieser Initiative.
Nützt's nichts, so schadet's auch nicht. Dieses Bonmot trifft leider auch nicht zu, denn Vollgeld wäre ein erstmaliges Experiment mit massiven Unsicherheiten. Ein fundamentaler Umbau des Finanzsystems in einem nationalen Alleingang brächte unkalkulierbare Risiken für die Schweizer Wirtschaft.
Schlechter gestellte Sparer
Sparer würden durch Einschränkungen für ihre Konten und eine tiefere Verzinsung schlechter gestellt. Bei den Krediten ist die optimale Versorgung gefährdet, da das Kreditvolumen vom Staat und nicht mehr durch den Markt bestimmt wird.
Zudem würden sich diejenigen Kredite verteuern, die noch vergeben werden können, da nur noch längerfristige, teure Gelder für die Refinanzierung verwendet werden können.
Lehrmittel anstatt Abstimmungsbüchlein
Dabei wäre die zugrundeliegende Frage absolut legitim: Ist das Finanzsystem so organisiert, dass es dem volkswirtschaftlichen Wachstum und der Wohlfahrt in der Schweiz dient?
Die politische Wertung dieser Frage setzt aber einschlägige Forschungsresultate über die Folgen von Vollgeld und eine bessere Kenntnis der geldpolitischen Realitäten voraus. Wollen wir angesichts der ungezügelten Geldschwemme wirkliche die gesamte Gestaltungsmacht bei den Notenbanken sehen? Mich schauderts. Und die SNB wohl auch.
Mit Bildung und Forschung wäre der Schweiz mehr gedient gewesen als eine zusätzliche politische Baustelle zu eröffnen. Als hätten wir in der Schweiz nicht schon genug Reformstau.