Andrew Formica, der CEO des Asset Managers Henderson Global Investors, über das nahende Ende des Bullenmarktes, Übernahmepläne und die Schwierigkeiten der Schweizer Banken.
Herr Formica, seit kurzem empfehlen zahlreiche Banken die Aktien von Henderson Global Investors zum Kauf. Wird Ihnen auf Grund des guten Abschlusses 2014 und dem fulminanten Start 2015 nicht allmählich etwas schwindlig?
Nein. Natürlich ist es immer von Vorteil, vorsichtig zu sein. Aber es ist manchmal auch gut, einfach einen Schritt zurück zu machen und zu schauen, was man erreicht hat. Der Erfolg 2014 war tatsächlich das Resultat unserer Anstrengungen in den vergangenen fünf Jahren und nicht einfach auf gute Finanzmärkte zurückzuführen.
Was haben Sie in den vergangenen fünf Jahren denn getan?
Wir haben das Unternehmen auf erfolgreiche Anlagestrategien ausgerichtet, die richtigen Fondsmanager eingesetzt und mit New Star und Gartmore zwei grosse Akquisitionen getätigt. Natürlich kam uns auch die gute Börsenentwicklung zugute – was uns nun umso mehr beschäftigt.
Wie meinen Sie das?
Seit fünf Jahren gehen die Aktienmärkte nach oben – für mich ein Indiz dafür, dass das Ende dieses Bullenmarktes naht. Gleichzeitig scheint sich im Obligationenmarkt eine Blase gebildet zu haben, während immer noch sehr viel Liquidität vorhanden ist.
«Die Unsicherheit unter Anlegern wächst»
Alles in allem sind dies unerforschte Rahmenbedingungen. Die geldpolitische Lockerung der Europäischen Zentralbank (EZB) trägt zusätzlich dazu bei, dass die Unsicherheit unter Anlegern weiter zunimmt, zumal der europäische Patient nach wie vor sehr krank ist.
Mit anderen Worten: Die positive Börsenentwicklung in Europa ist alles andere als nachhaltig?
Das ist anzunehmen, denn wir haben bisher noch zu wenig strukturelle Reformen gesehen. Viele Politiker gaben sich bereits mit bescheidenen Massnahmen zufrieden. Die Aussagen von EZB-Präsident Mario Draghi, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten, hat die Probleme bloss vertagt. Mario Draghi hat lediglich Zeit gekauft.
Von strukturellen Reformen in Europa ist schon lange die Rede.
Ja, genau das macht mich nervös, vor allem wenn man die mittlerweile stolzen Bewertungen vieler Aktien sieht. Solche Bewertungen wären nur gerechtfertigt, wenn wir auch strukturelle Reformen in Euroland sähen.
Dennoch plädieren Ihre Fondsmanager für europäische Aktien. Warum?
Zugegeben, die meisten Bewertungen sind mittlerweile alles andere als tief, aber im Vergleich zu Obligationen sind sie immer noch attraktiv, zumal die Renditen vieler Aktien nach wie vor steigen.
Die ungebremst wuchernde Regulation in der Finanzwelt dürfte wohl auch Ihnen zu schaffen machen. Wie wirkt sich die Gesetzesflut auf Henderson aus?
Problematisch ist erstens die Tatsache, dass die gesamten Regulationsbestrebungen weltweit fragmentiert sind. Allein Henderson ist mit 17 verschiedenen Behörden rund um den Globus konfrontiert – 17 Behörden, die sich kaum koordinieren
«Regulation reduziert unsere Investitionen»
Zweitens wurden viele Gesetzeswerke überaus hastig abgefasst, um Probleme von gestern zu beseitigen. Das führt vor allem zu höheren Kosten, aber grundsätzlich nicht zu besseren Rahmenbedingungen. Drittens verursachen all die Spezialisten, die wir jetzt zwangsläufig brauchen, Kosten, die allmählich durch die Decke schiessen. Mit anderen Worten: Wir leiten sehr viel Geld, das wir lieber investieren würden, in die Compliance um. Bei den Banken dürfte dies noch viel stärker der Fall sein. Das schmälert die Wachstumsmöglichkeiten.
Lässt sich das quantifizieren?
Ja. Über die vergangenen fünf Jahre sind die Betriebskosten auf Grund der Regulation um bis zu 10 Prozent gestiegen. Dieses Geld fliesst in zusätzliches Personal, höhere Gehälter und in die Informatik. Das reduziert unsere Investitionen entsprechend.
Liegen Akquisitionen noch drin?
Wir prüfen laufend Opportunitäten, aber weil wir selber ein sehr starkes organisches Wachstum haben, ist der Handlungsbedarf nicht allzu gross. Kürzlich haben wir ein Team von Schwellenländer-Spezialisten unter der Leitung von Glen Finegan engagiert, das von Edinburgh aus tätig ist. Es ergänzt das Emerging-Market-Debts-Team um Steve Drew, der bereits im April 2014 zu uns stiess.
«Wir haben einen weltweiten Vertrieb»
Wir halten nicht nur nach Firmen Ausschau, sondern genauso nach Teams, die uns weiterbringen. Trotzdem würde es mich nicht überraschen, wenn wir bis Ende 2015 doch noch einen Deal hinkriegten. Wir haben die nötigen Mittel.
In welcher Grössenordnung?
Ein Institut mit 5 bis 10 Milliarden Euro an Kundengeldern. Dafür würden wir 15 bis 100 Millionen Euro bezahlen. Hier spielt uns ironischerweise die Regulation in die Hände: Kleinere Firmen werden regelrecht aus dem Markt gedrängt. Diese Institute suchen nach grösseren Partnern, und das ist unser Vorteil.
Warum sind Sie attraktiv für solche Häuser?
Weil wir einen weltumspannenden Vertrieb anbieten können.
Welche Pläne haben Sie in der Schweiz?
Der Coup der Schweizerischen Nationalbank im vergangenen Januar mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses hat die Märkte ziemlich durchgeschüttelt. Ich persönlich war unlängst Ski fahren in Verbier. Alles ist noch teurer geworden.
«Schweizer Banken bieten Qualitätsbusiness»
Doch zurück zu Henderson: Wir haben in der Schweiz eine ausgezeichnete Verbreitung. Wir arbeiten eng mit der UBS und der Credit Suisse zusammen, ausserdem mit einer Reihe von Privatbanken. Doch ich denke schon, dass die Schweizer Banken durch eine Periode tiefgreifender Veränderungen gehen.
Woran lässt sich das erkennen?
Gesetze, Steuerreformen, Kosten: Die Schweizer Banken werden 2015 ein schwieriges Jahr haben. Sie werden zwar überleben, weil sie ein Qualitätsbusiness anbieten. Darum haben sie langfristig auch gute Erfolgschancen. Doch kurzfristig wird 2015 wird ein äusserst schwieriges Jahr.
Wird Henderson dies in seinen Erträgen aus der Schweiz auch spüren?
Ich hoffe nicht, denn wenn ein Kunde beispielsweise bei der UBS abspringt, dann will er auch bei seiner neuen Bank investieren. Tatsache ist aber, dass das Wachstum kaum mehr so hoch sein wird wie in der Vergangenheit. Jedes Land geht durch solche Perioden durch und kommt zumeist gestärkt daraus heraus.
Der 43-jährige Andrew Formica ist seit November 2008 Chief Executive Officer (CEO) von Henderson Global Investors. Der gebürtige Australier aus Sydney stiess allerdings schon 2001 zum Unternehmen. Seine Karriere in der Finanzbranche startete er 1993 nach einem Wirtschaftstudium. Henderson Global Investors verwaltet ein Anlagevermögen von 81,2 Milliarden Pfund oder umgerechnet rund 116 Milliarden Franken und beschäftigte per Ende 2014 weltweit 922 Mitarbeiter. Das Unternehmen ist sowohl in Grossbritannien als auch in Australien kotiert.