In einer neunteiligen Serie zeigen Bankexperten, welche Veränderungen in der neuen, steuertransparenten Wealth-Management-Welt die einzelnen Kundengruppen erwartet. (Teil 9)

Von Jérôme Zaugg, Robert Fehr und Christoph Kley*

In den vorherigen Teilen unserer Serie zur Kundentypisierung haben wir eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Gruppierung von Kunden beschrieben und analysiert. Doch wie setzt man diese Typisierung um, wenn man eben dies nicht über eine harte Kundensegmentierung (zum Beispiel die übliche organisatorische Differenzierung nach Vermögensgrösse und Land) umsetzen will?

Wir stellen im Folgenden eine Möglichkeit vor, wie sich eine Kundentypisierung mit Behavioral-Finance-Erkenntnissen umsetzen lässt.

Typischer Beratungsprozess

Bedingt durch regulatorische Vorschriften sehen viele Bankberatungs-Prozesse den Schritt «Erstellung eines Risikoprofils» vor. Die folgende Abbildung zeigt einen typischen Beratungsprozess, der je nach Bank unterschiedlich ausgeprägt ist (und häufig unterschiedlich bezeichnet wird).

ZHAW 99
Generischer Beratungsprozess im Private Banking

Im Schritt 3 «Risikoprofilierung» wird ein Risikoprofil für den Kunden erstellt. Es dient einerseits zur Abdeckung regulatorischer Anforderungen, aber auch zum Schutz vor Haftungsklagen von Kunden wegen vermeintlicher «Falschberatung».

Intelligente Fragen stellen

Die regulatorischen Regeln dürften noch strenger werden. Im FIDLEG-Hearingbericht vom Februar 2013 werden weitere Verschärfungen aufgezeigt, wie Banken die Eignung und Angemessenheit von empfohlenen Produkten im Rahmen der Bankberatung sicherzustellen haben.

Compliance kostet Geld, sowohl vom Bearbeitungsaufwand her gesehen wie auch in Bezug auf die IT-Umsetzung. Jedoch bieten sich auch Chancen, die sich innovative Banken zu Nutze machen. Im Rahmen der Risikoprofil-Erstellung können durch intelligente Fragen systematisch Informationen über den einzelnen Kunden erhoben werden.

Systematische Erfolgskontrolle

In der Regel nutzt man Fragebögen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Damit lassen sich Kunden mit hoher Zuverlässigkeit zu Clustern (das heisst vorher definierten Kundentypen) zuordnen. Durch eine systematische Erfolgskontrolle kann die Qualität der Zuordnungen über die Zeit auch weiter verbessert werden. Hier sind diejenigen Banken im Vorteil, die dies frühzeitig mit hoher Systematik angegangen haben.

Welche Bereiche profitieren von diesen Informationen? Kurz: alle Bereiche, bei denen man durch differenzierte Informationen den Kunden besser betreuen (im Sinne der wahrgenommenen Betreuungsqualität), Kosten einsparen (zum Beispiel, um Streuverluste bei Marketingkampagnen zu minimieren) oder die Erträge über eine differenzierte Preisgestaltung optimieren kann.

  • Differenzierte Investmentstrategien für die strategische Asset Allokation und differenzierte Beratung bei Einzelanlagen, um systematische Fehler auf Grund von Daumenregeln (Heuristiken) zu vermeiden.
  • Differenzierte Betreuungskonzepte: Je nach Kunden können Tätigkeiten arbeitsteiliger organisiert werden: zum Beispiel häufigerer Kontakt durch Assistenten für Reporting oder Auftragsannahmen. Auch der Einsatz eines spezialisierten Premium-Call Centers käme in Frage.
  • Differenziertes Pricing: Durch die aktuelle Diskussion um Retrozessionen ist es wichtig, den Kunden besser in Bezug auf Preisempfindlichkeit und Nutzenwahrnehmung zu verstehen. Nur so können die für den Kunden wichtigen Services gebündelt werden und der Preis gestaltet werden.
  • Differenzierte Produktangebote durch den Kundenbetreuer: Interessante Produkte und (vielleicht wichtiger) uninteressante Produkte könnten im Vorhinein gefiltert werden.
  • Differenzierte Werbung: Es gilt das gleiche wie für Produktangebote. Durch bessere Informationen lassen Streuverluste vermeiden.

War bisher ein Kundenbetreuer auf seine Erfahrung und seinen Instinkt angewiesen, um die Angebote und die Betreuung zu differenzieren, so kann dies mit derartigen Konzepten zuverlässiger und systematischer gefördert werden. Zudem ist man auf der Basis dieser Informationen auch im Backoffice oder im Marketing in der Lage, Prozesse nach Bedarf zu differenzieren.

Differenzierte Konzepte

Die Zeit scheint reif für diese differenzierten Konzepte. An unserem Zentrum für Banking & Finance an der ZHAW School of Management and Law führen wir vermehrt Projekte durch, solche Ideen in die Praxis zu bringen und umzusetzen.

Diejenigen Banken profitieren, die bei regulatorischen Vorschriften nicht nur die Risiken und Kosten sehen, sondern auch die Chancen, die sich dadurch ergeben.


* Jérôme Zaugg ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Banking und Finance der ZHAW School of Management and Law (ZBF). Dr. Christoph Kley ist Dozent für Banking & Finance sowie Projektleiter am selben Zentrum. Robert Fehr ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZBF.