In einer neunteiligen Serie zeigen Bankexperten, welche Veränderungen in der neuen, steuertransparenten Wealth-Management-Welt die einzelnen Kundengruppen erwartet. (Teil 8)
Von Robert Fehr, David Fankhauser und Christoph Kley*
Die geografische Herkunft der Kundengelder ist heutzutage von fundamentaler Bedeutung für das Cross-Border-Geschäft. Die meisten Privatbanken haben ihre primären Organisationsstrukturen nach diesen Kriterien ausgerichtet.
Solche länderspezifischen Desks machen nicht nur aus sprachlichen oder regulatorischen Gründen Sinn, sondern eben auch auf Grund kultureller Faktoren. Grössere Banken sind gut in der Lage, pro Land die entsprechende Infrastruktur vorzuhalten.
Fünf Kunden aus Paraguay
Bei kleineren Instituten muss die Frage zwangsläufig gestellt werden, ob es sich lohnt, zum Beispiel für fünf Kunden aus Paraguay oder Nepal mit insgesamt 10 Millionen Franken Vermögen das Risiko der Non-Compliance und zusätzliche Reputationsrisiken auf sich zu nehmen, oder sich von diesen Kunden zu verabschieden und auf einige Kern-Länder zu konzentrieren.
«Economies of Scale» heisst das Zauberwort! Selbst Grossbanken wie die Credit Suisse stellen sich regelmässig diesen Fragen und scheuen nicht davor zurück, sich von Kunden aus bestimmten Ländern zu trennen.
Unterschiedliche Rollenbilder
Der kulturelle Hintergrund prägt Menschen massgeblich, so auch Bankkunden, aber auch deren Berater. Kultur umfasst gesellschaftliche Vorstellungen und Überzeugungen, Rollenbilder und -verteilung, Werte, Traditionen und Bräuche.
Dass ein unterschiedlicher Hintergrund zu unterschiedlichen Erwartungen und Verhaltensweisen führt, scheint naheliegend. Wichtig für die Banken respektive für die Berater ist, die Kunden zu verstehen. Zentral sind dabei die Erwartungen an die Servicequalität und die Anlagementalität respektive das Investmentverhalten.
Wie unterscheiden sich die Kunden?
Interessante Ergebnisse ergab eine Untersuchung aus dem Jahr 2009 von Schmidt/Bergsiek/Kolesnikova, die sich vertieft mit amerikanischen, deutschen und russischen Bankkunden beschäftigte.
Amerikanische Kunden gelten als relativ gut informiert, bevorzugen es wöchentlich mit ihrem Berater in Kontakt zu stehen und sind gegenüber E-Mail-Kommunikation mit der Bank offener, als beispielsweise deutsche oder russische Kunden. Darüber hinaus sind sie sehr technologie-affin und legen somit viel Wert auf E-Services. Der durchschnittliche Aktienanteil eines US-Anlegers liegt historisch deutlich über jenem eines deutschen oder Schweizer Anlegers.
Höhere Loyalität
Deutsche haben im internationalen Vergleich eine äusserst kritische Einstellung gegenüber Financial Services. Ist allerdings das Vertrauen einmal gewonnen, so zeichnen sich deutsche Kunden mit höherer Loyalität gegenüber ihrem Berater und ihrer Bank aus als andere Nationen.
Im Vergleich zu anderen Bankkunden vertrauen sie auch verstärkt in die Rolle der Bank und deren Investmententscheidungen. Vielen reicht es aus, nur einmal jährlich mit dem Berater in Kontakt zu treten. Ein Beispiel sind Kunden, die einmal im Jahr zum Skifahren in die Schweiz kommen und sich bei dieser Gelegenheit mit ihren Kundenberatern treffen.
Die Russen kommen
Russische Bankkunden sind vergleichsweise schlechter informiert und legen nur wenig Wert auf Technologie. Dies könnte unter anderem auch mit der etwas zurückliegenden Entwicklung des Finanzsektors zu tun haben. Obwohl die persönliche Beziehung zum Berater nur eine untergeordnete Rolle spielt, möchten Russen wöchentlich mit der Bank im Kontakt sein.
Auch in Bezug auf die Aufteilung des Vermögens auf die unterschiedlichen Anlageklassen ist der kulturelle Hintergrund massgebend. Die Asset Allocation hängt unter anderem von den persönlichen Präferenzen, der Lebensphase, der Risikobereitschaft und -fähigkeit ab. Das hat global Gültigkeit.
Länderspezifische Vorgaben
Hingegen haben unterschiedliche Rechtsräume Einfluss auf die angebotene Finanzpalette. Vor allem Fondsprodukte werden von den Aufsichtsbehörden länderspezifisch zugelassen oder eben nicht. Das gleiche gilt für strukturierte Produkte. Das bedeutet, dass jede Bank, die im Cross-Border-Wealth-Management tätig oder sogar international «onshore» unterwegs ist, ihr Produktportfolio länderspezifisch definieren muss.
Länderspezifisch zwingend sind auch die entsprechenden Marketing-Aktivitäten zu definieren: Jedes Land lässt unterschiedliche Veranstaltungen zu Finanzthemen, Marketing-Material, Kundenwerbung, Reisetätigkeit, Kundenansprache zu, die durch Schweizer Banken individuell zu berücksichtigen sind.
Spezialisten reichen nicht aus
Viele Banken versuchen, ihre Teams durch die Anwerbung von Spezialisten (zum Beispiel Steuerberater) aus den betreffenden Ländern zu verstärken. Jedoch sind einzelne Spezialisten zwar wichtig, aber nicht ausreichend, um eine differenzierte länderspezifische Kundenbetreuung sicherzustellen.
Entscheidend ist hierbei die «Front», das heisst die Kundenbetreuer im regelmässigen Kontakt mit den Kunden, da diese das Bild der Bank beim Kunden prägen. Deshalb ist es in der neuen Wealth-Management-Welt wichtig, die Kundenbetreuer stärker auf bestimmte Länder auszurichten und länderspezifischer auszubilden.
Ungenutztes Potenzial
Angesichts der sehr divers zusammengesetzten Kundenportfolios gerade von vielen kleinen und mittleren Banken scheint es noch einiges ungenutztes Potential zu geben, sich als Bank besser zu positionieren.
- 1. Teil: «Wealth Management: Wer ist mein Kunde?»
- 2. Teil: «Wie alt ist altes Geld, und woher kommt es?»
- 3. Teil: «Executives and Entrepreneurs – die Neureichen!»
- 4. Teil: «Wealth Management: Die reichen Pensionierten»
- 5. Teil: «Gründe für ein «Secret Swiss Bank Account»
- 6. Teil: «Weissgeldstrategie: Kundenprofile neu definiert»
- 7. Teil: «Frauen mögen Festgeld, Männer lieben Aktien»
Lesen Sie den 9. Teil dieser Serie am Donnerstag, 14. November 2013, auf finews.ch.
* Robert Fehr ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Banking und Finance der ZHAW School of Management and Law (ZBF). David Fankhauser verfügt über weitreichende Erfahrung im internationalen Wealth Management. Er war in London, Hongkong, Frankfurt, Berlin sowie in der Schweiz tätig und hat langjährige Führungserfahrung. Dr. Christoph Kley ist Dozent für Banking & Finance sowie Projektleiter am ZBF.