Wie reagiert man perfekt, wenn man plötzlich den blauen Brief kriegt? Outplacement-Experte Oliver Berger hat die wichtigsten zehn Tipps.
Oliver Berger war Personalberater, Executive Searcher und berät heute Senior Executives und höhere Fachkader im Outplacement bei Dr. Nadig + Partner in Zürich.
Die 2005 gegründete Outplacement-Beratungsfirma begleitet und berät Unternehmen in Fragen der Freisetzung von Mitarbeitenden und Menschen bei der beruflichen und persönlichen Standortbestimmung und Neuorientierung.
1. Informieren Sie nicht die ganze Welt
Eine Kündigung ist für den Betroffenen immer eine persönliche Katastrophe. Dennoch ist es nach der Kündigung wichtig, dass Sie sich erst einmal sammeln und sich genau überlegen, was Sie wem sagen. Verarbeiten Sie im engsten Kreis Ihre Wut und Enttäuschung. Es ist wichtig, dass Sie selbst enge Kollegen erst informieren, wenn Sie über die Kündigung ohne Seitenhiebe gegen Ihren alten Arbeitgeber sprechen können.
Denn selbst enge Kollegen werden nur dann für Sie als Botschafter tätig, wenn sie überzeugt sind, dass Sie der alten Stelle nicht mehr hinterhertrauern. Niemand wird hingegen ein Opfer empfehlen.
2. Erarbeiten Sie eine saubere Standortbestimmung
In unserer Praxis stellen wir oft fest, dass Gekündigte die Kündigung letztlich kommen sahen. Vielleicht hatten sie selbst innerlich längst gekündigt, konnten aber aufgrund äusserlicher Zwänge den Schritt nicht selber tun. Bei einer Kündigung ist es daher wichtig, sich selbst zu überlegen, was Sie in Zukunft wollen, was aber sicher nicht mehr und welches Ihre Werte und Motivation sind.
Stimmen Ihre Werte noch mit denen Ihres Arbeitsumfelds überein? Gehen Sie morgens mit einem Lächeln auf den Lippen zur Arbeit? Für die zukünftige Stelle ist es wichtig zu wissen, was man konkret will. Denn nur wer ein klares Ziel hat, kann auch darauf hinarbeiten.$
3. Achten Sie auf sich und auf Ihren Körper
Wer körperlich oder geistig nicht fit ist, wird sich nicht auf die Stellensuche konzentrieren können. Daher ist es wichtig, sich spätestens jetzt täglich körperlich zu betätigen. Wer zuletzt nur noch geschwitzt hat, wenn der Chef im Büro seine Runden zog, sollte nicht gleich mit dem Marathon-Training anfangen. Überbordender Ehrgeiz ist falsch. Aber überlegen Sie sich, wie positiv Sie wirken werden, wenn man Sie zuvor als Koloss wahrnahm und sie in ein paar Monaten schlank daherkommen.
Die Versuchung ist gross, die Zeit nach der Kündigung mit mehr Alkohol und Medikamenten zu verarbeiten. Dies führt aber nur noch schneller in einen Negativstrudel. Sprechen Sie offen über Ihre Gefühle und Ängste, damit Ihr Gegenüber entsprechend reagieren kann und informiert ist.
4. Optimieren Sie Ihr Bewerbungsdossier
Erstellen Sie ein professionelles Bewerbungsdossier, denn diese Unterlagen sind die persönlichsten und wichtigsten Unterlagen, die Sie in Ihrem Leben versenden. Sie müssen schlicht perfekt sein.
Denken Sie stets aus der Sicht Ihres zukünftigen Arbeitgebers: Welche Informationen braucht er, um Sie beurteilen zu können? Fügen Sie möglichst viele relevante Informationen im Lebenslauf hinzu. Beschreiben Sie vor allem Ihre letzte Funktion im Detail. Diese Funktion ist das Wichtigste und das Erste, was ein Recruiter anschaut. Wenn Sie ihn bei dieser Funktion nicht überzeugen, wird er nicht weiterlesen. Sie sind schliesslich in Konkurrenz zu Dutzenden anderen Bewerbern, und dem Recruiter fehlt schlichtweg die Zeit jedes Dossier im Detail zu lesen.
Daher müssen Sie bei der letzten Position überzeugen. Vergessen Sie Deckblätter und schreiben Sie nicht Ihre Stärken und Schwächen auf. Sie müssen in einem persönlichen Gespräch so überzeugen, dass der Recruiter Ihre Stärken erkennt und Ihre Schwächen übersieht. Im Lebenslauf sind diese daher fehl am Platz.
5. So hinterlassen Sie einen bleibenden Eindruck im Interview
Wer ins Interview eingeladen wird, hat es bereits mindestens unter die zehn besten Kandidaten geschafft. Denn kein Recruiter hat Zeit, sich mehr als 10 Kandidaten anzusehen. Bereiten Sie sich akribisch auf das Interview vor. Wer ist Ihr Gesprächspartner? Wie lange ist der Anfahrtsweg? Kennen Sie die wichtigsten Kennzahlen Ihres zukünftigen Arbeitgebers? Wer sind die Wettbewerber?
Selbstverständlich haben Sie Fragen vorbereitet und diese notiert. Überhaupt ist es wichtig, dass Sie nicht mit einem weissen Block zum Gespräch gehen, sondern mit Informationen darauf, damit Ihr Gegenüber sieht, dass Sie vorbereitet sind. Darüber hinaus bringen Sie nochmals Ihr komplettes Bewerbungsdossier zum Gespräch mit und das Inserat, falls vorhanden. Sie werden durch eine perfekte Vorbereitung mindestens zwei von zehn Kandidaten ausstechen, die komplett unvorbereitet zum Gespräch erscheinen.
6. Stellen Sie weiterhin Ansprüche an Ihren Lohn
Knapp 35 Prozent unserer Klienten erhalten nach einer Kündigung mehr Lohn als zuvor. Es lohnt sich also auch nach einer Kündigung mit Ansprüchen in eine Lohnverhandlung zu gehen. Selbstverständlich sollten die Ansprüche realistisch sein. Und vermeiden Sie es zu lügen: Wer nach dem Lohn gefragt wird, nennt den Jahreslohn und den Bonus. Zudem tun Sie bei einem Angebot gut daran, sauber zu prüfen, wieviel Sie tatsächlich verdienen. Fixlohn und Bonus sind nur zwei Faktoren. Auch fringe benefits und die Pensionskasse können entscheidend sein.
7. Verlassen Sie sich nicht auf Headhunter
Klienten sagen uns oft, dass wir uns keine Sorge um sie zu machen brauchen, da sie verschiedene Headhunter kennen, die schon für sie schauen würden.
Aber die Ernüchterung kommt rasch. Headhunter arbeiten nicht für Kandidaten. Sie arbeiten für Kunden, die ihnen exklusive Suchmandate geben. Sollten Sie auf ein Mandat passen, wird der Headhunter gerne mit Ihnen in Kontakt treten. Andernfalls sind Sie aber nur ein weiterer Datensatz auf seiner Datenbank. Der Kontakt zu Headhuntern ist wichtig, aber man sollte die Suche auch selbst vorantreiben.
8. Bilden Sie sich jetzt nicht weiter
Wer nach einer Kündigung die Chance für ein Vollzeit Executive-MBA-Programm gekommen sieht, liegt falsch. Stellensuche ist ein Fulltime-Job. Wenn Sie sich erst jetzt weiterbilden, ist es zu spät. Bei einer Vollzeitausbildung sind sie zudem nach spätestens einem Jahr weg vom Markt, und die Stellensuche wird extrem schwierig. Daher konzentrieren Sie sich bitte jetzt auf die Stellensuche – und investieren Sie bei Ihrem neuen Arbeitgeber Zeit in die Weiterbildung.
9. Machen Sie sich selbstständig
Falls Sie schon länger mit einer Selbstständigkeit geliebäugelt haben, dann starten Sie alsbald damit. Hier ist es wichtig, unter kritischen Augen die Idee gedeihen zu lassen. Denn die Selbstständigkeit bietet Risiken, gerade zu Beginn. Besprechen Sie das Thema mit Experten und hören Sie auf kritische Stimmen, damit die Selbstständigkeit nicht zum Fiasko wird.
Wer allerdings erst eine Stelle als Arbeitnehmer sucht und erst nach erfolglosem Versuch eine Selbstständigkeit ins Auge fasst, der bewegt sich auf dünnem Eis. Denn wer es nicht schafft, sich einmal für eine Festanstellung zu verkaufen, wird es kaum täglich in einer Selbstständigkeit schaffen.
10. Netzwerken Sie
Ihr persönliches Netzwerk ist sowohl Prophylaxe gegen eine lange Arbeitslosigkeit als auch bester Stellenmarkt. Über 50 Prozent unserer Klienten finden über das eigene Netzwerk eine neue Stelle. Wer mit Banken spricht, wird sehen, dass der Grossteil der Stellen nicht ausgeschrieben wird, sondern über persönliche Kontakte besetzt wird.
Daher ist es wichtig, Interesse an Menschen zu zeigen, insbesondere an solchen, die nicht für die eigene Firma arbeiten. Pflegen Sie den Kontakt zu Menschen jeden Tag und seien Sie nicht plump.
Wer bei Kollegen nach einer neuen Stelle fragt, wird nur Ablehnung ernten. Netzwerken ist subtil, professionell und immer mit Interesse an der anderen Person verbunden. Deshalb gehen Sie nie alleine zum Mittagessen, zeigen Sie sich an Partys und sonstigen Veranstaltungen, vernetzen Sie sich auf Xing und LinkedIn und treten Sie einem Sportclub bei.
Die Kontakte, die Sie so generieren, werden im entscheidenden Fall Gold wert sein.
• Literatur:
Toni Nadig, Brigitte Reemts Flum, «Mit Erfahrung punkten. Berufliche Neuorientierung mit 50+», Orell Füssli 2011.
Toni Nadig, Brigitte Reemts Flum, «Entlassung - Entlastung?», Orell Füssli 2008