Dank der Staatsgarantie kann sich die Appenzeller Kantonalbank günstiger refinanzieren. Nun wird die Frage aufgeworfen, ob die heutige Ausschüttung an den Kanton als Entschädigung dafür ausreicht. Die Parallelen zur laufenden Debatte um die künftigen Eigenmittelanforderungen an die UBS sind nicht zu übersehen.
Manchmal gibt es seltsame Zufälle. Vergangenen Dienstag verkündete die Appenzeller Kantonalbank (APPKB), das Staatsinstitut von Appenzell Innerrhoden, das heuer sein 125-Jahre-Jubiläum feiert, ein Rekordergebnis für das Geschäftsjahr 2024. Alle drei Sparten – Zins, Kommissions- und Handelsgeschäft – leisteten dazu ihren Beitrag, und auch die Bilanzsumme wuchs kräftig um 4,6 Prozent auf 4,36 Milliarden Franken an.
Am Donnerstag erschien im «Appenzeller Volksfreund» – ausserhalb der Marchsteine Appenzells nicht allzu verbreitet, aber innerhalb des (Halb-)Kantons Monopolblatt, Amtliches Publikationsorgan und damit quasi Pflichtlektüre – ein Leitartikel (begleitet von einem ganzseitigen zusätzlichen Artikel) aus der Feder des Chefredaktors Tommaso Manzin, in dem sich dieser mit der Frage auseinandersetzte, ob die Bank dem Kanton die Staatsgarantie angemessen vergütet.
Für das Schweizer Finanzsystem kein Problem
Und ebenfalls am Donnerstag wurde die APPKB bei einer Branchenveranstaltung in Zürich erwähnt – als Beispiel für ein Staatsinstitut, das eine im Vergleich zur Wertschöpfung des Kantons zwar grosse Bilanzsumme aufweist, aber im Fall einer Krise keine Bedrohung für das Schweizer Finanzsystem bilden würde. Denn solche national betrachtet kleinen Kantonalbanken würden gemäss der Überzeugung von Urs Baumann, CEO der ZKB und damit des grössten (und offiziell systemrelevanten) Staatsinstituts, dann umgehend von anderen Banken aufgekauft.
In seinem Leitartikel plädiert der Chefredaktor nun dafür, die Frage, ob die Staatsgarantie mit der Dividende von 7,5 Millionen Franken adäquat abgegolten ist, unvoreingenommen zu prüfen. Er führt dafür finanz- und ordnungspolitische Gründe ins Feld.
Gewichtige ordnungspolitische Gründe: Wettbewerb und Anreize
Appenzell Innerrhoden leidet unter einem strukturellen Defizit, will aber die Steuern nicht erhöhen. Da wäre natürlich dem Säckelmeister ein zusätzlicher Zustupf hochwillkommen.
Gewichtiger sind die ordnungspolitischen Überlegungen. Manzin stützt sich dabei auf die zwei Prinzipien «ohne Wettbewerb keine Marktwirtschaft» und «Anreize haben immer eine Wirkung».
Banken mit Staatsgarantie können sich am Kapitalmarkt günstiger refinanzieren als andere. Müssen sie diesen Vorteil dem Garanten nicht angemessen entschädigen, verzerrt dies den Wettbewerb mit anderen Banken. Und sie werden dazu neigen, ihr Geschäfts- und damit das Kreditvolumen auszubauen – und zwar über das gesamtwirtschaftlich sinnvolle Mass hinaus, was mit Risiken verbunden ist.
Wahrscheinlich extrem tief, aber nicht null
Der Chefredaktor verfällt deswegen indes nicht in Alarmismus: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kanton seine Bank retten muss, bezeichnet er mit Verweis auf das konservative Geschäftsmodell der APPKB als «wahrscheinlich extrem tief».
Aber das Risiko existiere, und die Risikoprämie für den Kanton müsse fair sein. Gemäss einer Berechnung der Denkfabrik Avenir Suisse würde nämlich ein Szenario mit einem Verlust der Bank in Höhe von 20 Prozent der Bilanzsumme bedeuten, dass der Kanton (ohne Steuererhöhung) viereinhalb Jahre lang seine Einnahmen vollumfänglich dafür aufwenden müsste, seine Garantie einzulösen.
Zuwanderungsstopp als Auslöser für Korrektur am Immobilienmarkt?
Die Tatsache, dass bei der APPKB wie bei den meisten anderen Kantonalbanken das Hypothekargeschäft dominiert, immunisiert nicht per se.
Manzin erinnert an die grosse Immobilienkrise in den 1990er-Jahren. Seither zeigt die Marktentwicklung nur nach oben, tiefer Zinsen und hoher Zuwanderung sei Dank. Es könne aber durchaus sein, dass das Schweizer Volk irgendwann den zweiten Treiber abstelle, hält er fest, wohl auch im Wissen, dass ein solches Anliegen bei den Stimmberechtigten in seinem Kanton erfahrungsgemäss besonders viel Zuspruch fände.
Parallelen zur UBS-Debatte
Damit die APPKB ihren Leistungsauftrag für den Kanton erfüllen könne, müsse die Bankbilanz nicht unbedingt mehr wachsen als die kantonale Wirtschaft – und auch wenn Appenzell Innerrhoden ökonomisch dynamisch ist, sind 4,6 Prozent also zu viel.
Die Diskussion erinnert zum einen an die Debatte um die als too big to fail betrachtete und systemrelevant eingestufte UBS. Hier sollen insbesondere höhere Eigenkapitalanforderungen das Risiko reduzieren, dass der Bund in einer Krise nochmals eine Grossbank retten muss. Hintergrund ist aber auch in diesem Fall eine Staatsgarantie (wenn auch eine implizite) und der damit verbundene Finanzierungsvorteil der UBS (über dessen genauen Geldwert sich wie bei der APPKB trefflich streiten lässt), der dadurch korrigiert werden soll.
Staatsgarantien verzerren die Marktkräfte – auch im Bankensystem
Zum anderen ist der Denkanstoss aus der Ostschweiz deshalb willkommen, weil er darin erinnert, dass aus ökonomischer Sicht im Bankensystem Staatsgarantien als solche problematisch sind, und zwar unabhängig davon, ob explizit oder implizit und unbesehen von der Grösse und der Eigentümerstruktur des Instituts.
Auch das Bewusstsein, dass Kantonalbanken für ihren Garantiegeber ebenfalls too big to fail sein können, trägt nämlich zur Systemstabilität bei – vorausgesetzt, dass dann, wenn angezeigt, die richtigen Taten folgen.
Man darf daher also auch in der Restschweiz gespannt sein, wie die Geschichte in Appenzell Innerrhoden weitergeht und ob, wie der «Volksfreund» gestützt auf Expertenstimmen anregt, bald ein Gutachten in Auftrag gegeben wird. Dieses soll Auskunft darüber geben, um wie viel die Ausschüttung an den Kanton nach oben anzupassen ist, um den Finanzierungsvorteil durch die Staatsgarantie fair zu entschädigen.