In der Credit-Suisse-Krise haben Teile der Too-big-to-fail-Regeln den Praxistest nicht bestanden. Sieben Rechtsprofessorinnen plädieren für schärfere Instrumente, klarere Regeln und stärkere Behörden. Sie orientieren sich dabei auch an ausländischen Vorbildern.

Sehr wahrscheinlich war es eine Premiere: Sieben Rechtsprofessorinnen von Schweizer Universitäten, die sich im Financial Stability Law Forum verbunden haben, hatten am Dienstag in Zürich an der ETH zu einem Symposium eingeladen.

Referiert und diskutiert wurde über ein Thema, das zwar sehr aktuell, aber alles andere als neu ist und schon nach der Finanzkrise 2008 – die weltweit vielen Entscheidungsträgern wieder bewusst machte, welche Risiken der Kollaps von Grossbanken für die Gesamtwirtschaft und den Steuerzahler mit sich bringen kann – an vielen Veranstaltungen behandelt worden war: die Too-big-to-fail-Problematik (TBTF) und die Finanzstabilität.

Jetzt sind die Frauen am Zug

Nach der Finanzkrise hatten sich noch fast ausschliesslich Männer um eine Lösung des Problems bemüht. Unter den Mitgliedern der «Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen«, die ihren Schlussbericht 2010 publizierte, finden sich Vertreter von Bundesbehörden, der Wissenschaft (auch der Jurisprudenz) und der Privatwirtschaft, darunter Führungspersonen der beiden Grossbanken.

Aber keine einzige Frau. Nach der Krise mit der Credit Suisse (CS), die kein Ruhmesblatt für die Schweiz ist (selbst wenn die gewählte Lösung die beste gewesen sein soll, wie Bundesrat und Behörden gebetsmühlenartig wiederholen), ist es deshalb zu begrüssen, dass nun das Financial Stability Law Forum Denkanstösse und konkrete Vorschläge in den Reformprozess einbringt.

Parlament muss Weichenstellungen vornehmen

Im Mittelpunkt der aktuellen Debatte steht die bange Frage, wie die Regulierung nach der Übernahme der CS sicherstellen kann, dass von der letzten verbliebenen Schweizer Grossbank möglichst wenig Risiken für die Schweizer Volkswirtschaft ausgehen (und die UBS gleichwohl ihr ökonomisch nützlichen Funktionen für das Land und den Finanzplatz wahrnehmen kann).

Letzten Frühling hatte der Bundesrat seinen Bericht zur Bankenstabilität mit diversen Vorschlägen zur Entschärfung des TBTF-Problems vorgelegt, im Dezember war auch die PUK in ihrem Bericht zur CS darauf eingegangen. Dieses Jahr dürfte sich das Parlament mit den Verschärfungen in der Bankenregulierung befassen und (erste) Weichenstellungen vornehmen.

Akademiker, Praktiker und Behördenvertreter aus dem In- und Ausland...

Neben den sieben Professorinnen Isabelle Chabloz (Universität Freiburg), Franca Contratto (Luzern), Aline Darbellay (Zürich), Mirjam Eggen (Bern), Seraina Grünewald (St. Gallen), Nina Reiser (St. Gallen) und Corinne Zellweger Gutknecht (Basel) referierten Praktiker aus dem Ausland wie Sarah Breeden (Vizegouverneurin der Bank of England für Finanzstabilität), Neil Esho (Generalsekretär des Basler Bankenausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich), Yan Liu (Leiterin Rechtsdienst des Internationalen Währungsfonds) und Eva Hüpkes (Generalsekretärin der Internationalen Vereinigung der Einlagensicherungen).

Daneben kamen auch Vertreter von inländischen Behörden zu Wort, die bei der Bewältigung der CS-Krise eine wichtige Rolle gespielt hatten: das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF, die Finanzmarktaufsicht Finma und die Schweizerische Nationalbank SNB. Selbst ein Repräsentant der Wettbewerbskommission, der in der Krise nur eine Statistenrolle zukam, war zugegen.

...und ein illustres Publikum

Das «Staraufgebot» wurde durch Praktiker aus der Privatwirtschaft und weitere Akademiker komplettiert, auch aus anderen Disziplinen, wie z.B. Heinz Zimmermann, em. Professor für Finanzmarkttheorie an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel, der sich dem Evergreen Kapital und Liquidität annahm.

Entsprechend gross war auch der Publikumsaufmarsch. Rund 200 Personen, darunter viele bekannte Gesichter (PUK-Mitglieder, ehemalige Führungsleute aus der Aufsicht, Wirtschafts- und andere Professoren, Ex-Parlamentarier usw.), nahmen teil.

Ziel der TBFT-Regulierung ist es, zum einen die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass eine grosse Bank überhaupt in eine existenzbedrohende Krise gerät. Zum anderen geht es darum, zu verhindern, dass eine Bank, wenn sie gleichwohl vom Sturm erfasst wird, geregelt saniert bzw. abgewickelt (Resolution) werden kann.

Ein Strauss von Vorschlägen

Der Tatendrang des Professorinnen-Forums ist gross.

Es spricht u.a. sich (wie der Bundesrat, die Finma und die PUK)  für die Einführung eines Seniors Managers Regime für die Bankleitung aus, will der Finma «gelenktes Ermessen» beim neuen Instrument der Frühintervention geben, die Einlagensicherung nach internationalem Vorbild ausbauen und in eine staatliche Institution überführen, Regeln für eine temporäre Verstaatlichung von Banken ins TBTF-Konzept einbauen, wie in der EU einen Abwicklungsfonds errichten und die vorgesehene Public-Liquidity-Backstop-Option (Kredite, welche SNB einer Bank ohne Besicherung zur Verfügung stellen kann, wobei ihr der Bund die Rückzahlung garantieren muss) besser konzipieren als das bisher vorgesehen ist.

Ausserdem soll die Regulierung teilweise auch heute nicht als systemrelevant bezeichnete Banken der Kategorie 3 (grosse und komplexe Marktteilnehmer, bedeutendes Risiko) erfassen.

Mehr vom Gleichen oder Vereinfachen?

Die Vorschläge verdienen eine gründliche Debatte und sollten dabei auch auf mögliche Schwachstellen abgeklopft werden. Schärfere Instrumente für die Finma, neue staatliche Institutionen, ausgeklügeltere Regelungen, noch bessere (internationale) Koordination und ein grösserer Adressatenkreis – möglicherweise kann so die richtige Balance gefunden werden.

Vielleicht hat das TBTF-Konzept und insbesondere der Resolution-Teil in der CS-Krise aber auch deshalb versagt, weil es bereits zu komplex ist, zu viele Akteure involviert sind und es voraussetzt, dass sich ausländische Behörden in jedem Fall strikt an gegenseitige Abmachungen halten. Oder wie es der Genfer Rechtsprofessor Fabien Liégeois am Forum freimütig formulierte: «Die grosse und international stark verflochtene UBS ist ein vortrefflicher Ansatzpunkt, wenn jemand die Schweiz unter Druck setzen möchte.»