Mit Martin Schlegel hat sich für das Präsidium der Schweizerischen Nationalbank ein Kandidat durchgesetzt, der als zu jung galt, den aktuellen Ansprüchen der Diversität wenig entspricht und nicht besonders staatsmännisch auftritt. Gleichwohl fiel die Wahl des Bundesrats auf ihn. Und das ist gut so, wie finews.ch-Herausgeber Claude Baumann findet.

Mit seinen 47 Jahren verkörpert Martin Schlegel zweifelsohne eine neue Generation an Nationalbank-Vertretern, die nichts mehr mit der Einsilbigkeit früherer Währungshüter gemein hat.

Mittlerweile ist sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) sehr bewusst, dass sie als staatliche Institution der Öffentlichkeit verpflichtet ist und ihre Anliegen, etwa in der Digitalisierung oder bei Themen wie dem Klimawandel oder der Nachhaltigkeit im Allgemeinen, nur im Dialog mit der Bevölkerung erfolgreich umsetzen kann. Ihr Leistungsauftrag ist heute realistisch gesehen wesentlich breiter ausgelegt als nur eine auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik.

Intern beliebt

Schlegel steht vom Naturell her zwischen seinen beiden Vorgängern Philipp Hildebrand und Thomas Jordan: offen, zugänglich, aber ohne allzu überbordende Allüren wie Hildebrand, gleichwohl lockerer und schlagfertiger als Jordan.

Das macht ihn auch intern beliebt, so dass er für seinen steilen Werdegang stets viel Unterstützung gefunden hat. Die Tatsache, dass seinerzeit er und nicht erstmals eine Frau in den Vizeposten im dreiköpfigen Direktorium ernannt wurde, spricht für ihn respektive für seine Kompetenz, die offensichtlich wichtiger war als die blosse Berücksichtigung von Diversity-Anliegen. Fachleute attestieren Schlegel eine grosse ökonomische und geldpolitische Kompetenz.

Mit Asien-Erfahrung

Dank seiner Auslandserfahrung namentlich in der Wachstumsregion Asien ist er – genauso wie Hildebrand bezogen auf die USA – auf dem internationalen Parkett schrittsicher; dank seiner diversen nationalen Funktionen etwa bei der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich, im Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Konjunkturforschung (SGK) oder als Präsident des Stiftungsrats des Studienzentrums Gerzensee hat er den Bezug zur Schweiz ebensoklar auf dem Radar.

Schlegel steht seit 2003 im Sold der SNB, wo er sukzessive die Karriereleiter hochstieg und dabei vielfältigste Aufgaben übernahm. So arbeitete er in der Finanzmarktanalyse, im Geldmarkt genauso wie in der Einheit «Devisen und Gold».

Vorübergehend schon mal Präsident

Weiteres Know-how legte er sich als Mitglied des Anlagekomitees der SNB zu, als Lehrbeauftragter an der Universität Basel sowie als Experte innerhalb des Internationalen Währungsfonds. Seit August 2022 leitete er das II. Departement (Finanzstabilität, Bargeld, Risikomanagement, Rechnungswesen, Controlling, Operationelle Risiken und Sicherheit) in Bern.

Als Jordan 2021 aus gesundheitlichen Gründen temporär ausfiel, übernahm Schlegel dessen Funktion – und war damit temporär schon einmal oberster Währungshüter der Schweiz. Dass er diese Amtsvertretung mit Bravour erledigte, dürfte ihm bei der jüngsten Ausmarchung zweifelsohne auch geholfen haben.

Am Puls der Zeit

Die drei Mitglieder des SNB-Direktoriums werden auf Vorschlag des Bankrats für die Dauer von sechs Jahren durch den Bundesrat gewählt. Mit der Wahl Schlegels hat sich der Bundesrat klar von der Kompetenz, der Loyalität und der Bodenständigkeit dieses Kandidaten leiten lassen – und nicht von zeitgeistigen Trends oder Quotenüberlegungen; wobei Schlegel als überzeugter Vegetarier durchaus am Puls der Zeit ist.