Manchmal klaffen die Wahrnehmung eines Menschen in der Öffentlichkeit und die Sicht derer, die mit ihm zusammenarbeiten, auseinander.

Von Bernd Kramer*

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Beim Noch-Deutsche-Bank-Chef und voraussichtlichen Aufsichtsratsvorsitzenden des Finanzinstituts, Josef Ackermann, trifft die eingangs erwähnte Feststellung durchaus zu. Nur wenige ausserhalb des weltumspannenden Unternehmens hätten es für möglich gehalten, dass es vor allem die Arbeitnehmer sind, die sich für einen Verbleib des Schweizers stark machen.

Immerhin gilt der im Kanton St. Gallen geborene Manager in Deutschland als Inbegriff eines ungezähmten Turbokapitalismus, den ausser der rücksichtslosen Gier nach noch mehr gar nichts antreibt.

Erfolgreich durch die Krise

Gerne wird daran erinnert, dass es Ackermann war, der 2005 Tausende von Arbeitsplätzen abbaute, um den Gewinn zu steigern. Oder an sein Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozess – für viele Beobachter ein Zeichen bodenloser Arroganz.

Die Deutsche-Bank-Belegschaft, die ihren Vorstandsvorsitzenden besser kennt als viele Experten, erscheint der Banker in einem anderen Licht. Dort wird er als starker Chef geschätzt, der das Unternehmen erfolgreich durch die Krise geführt hat, ohne sich dabei in die schützenden Arme des Staates retten zu müssen.

Als Schweizer den Deutschen näher

Ebenso hat Ackermann dafür gesorgt, dass die Deutsche Bank weiter in der Champions League der Finanzinstitute mitspielen kann. Zum Vergleich: Die Dresdner Bank gibt es nicht mehr, die staatlich gestützte Commerzbank ist nur noch auf nationaler Ebene bedeutend.

Solche Erfolge schaffen Vertrauen – zumal bei den für ihren Ehrgeiz bekannten und mitunter berüchtigten Deutschbankern. Gestützt wird es durch Ackermanns Herkunft. Als Schweizer steht er den Deutschen näher, als es Amerikaner, Inder oder Chinesen je tun können.

Verstoss gegen allgemeine Regeln

Deshalb verwundert es nicht, dass das im Aufsichtsrat vertretene deutsche Personal Ackermann weiter mit im Boot haben will. Wer verliert schon gerne einen guten Kapitän mit den gleichen Wurzeln?

Doch was menschlich verständlich ist, muss nicht richtig sein. Ackermanns Wechsel in den Aufsichtsratsvorsitz bedeutet zwar keinen Gesetzesbruch, doch einen Verstoss gegen allgemein anerkannte Regeln guter Unternehmensführung.

Eine zu grosse Herausforderung

Ein Aufsichtsrat und dessen Chef haben die Aufgabe, ein Unternehmen zu kontrollieren und auf Missstände hinzuweisen. Wer wie Ackermann den Betrieb selbst geführt hat, ist jedoch für solch eine Position ungeeignet.

Als Aufsichtsratsvorsitzender muss er unvoreingenommen das beurteilen, was er geschaffen hat – selbst für einen Mann mit Ackermanns unbestrittenen Qualitäten eine zu grosse Herausforderung.

Zwei Gesichter des Instituts

Klüger war die Wahl von Ackermanns Nachfolgern an der Vorstandsspitze. Jürgen Fitschen und der Inder Anshu Jain spiegeln die zwei Gesichter des Geldinstituts.

anshu_jainJain (Bild links) steht für das Investmentbanking – den globalisierten Handel mit Wertpapieren, Devisen, Rohstoffen, die Betreuung von Börsengängen und Übernahmen. Es ist der wichtigste Ertragsbringer der Bank, zugleich schwankungsanfällig und mit grösseren Risiken behaftet. Jain von der Ackermann-Nachfolge auszuschliessen, hätte diesen Geschäftszweig brüskiert und der Bank auf Dauer geschadet.

Mit der politischen Elite vertraut

juergen_fitschenFitschen (Bild links) ergänzt Jain. Der Norddeutsche hat exzellente Kontakte zu deutschen Mittelständlern und Konzernen und ist mit der politischen Elite in Berlin gut vertraut. Auch dies ist für die Bank wichtig.

Wer immer das Geldhaus geführt hat, musste, ob er wollte oder nicht, eine politische Rolle einnehmen. Nachkriegsboss Hermann Josef Abs, der von Terroristen getötete Alfred Herrhausen oder Josef Ackermann waren mehr als nur Grossbank-Chefs Sie wurden als die obersten Repräsentanten des Kapitalismus in der Republik geschätzt und gehasst. Den Nachfolgern des Schweizers wird es nicht anders ergehen.


Bernd Kramer ist Wirtschaftsredaktor bei der «Badischen Zeitung».