Steht dem Schweizer Finanzplatz bereits die nächste Banken-Integration bevor? Julius Bär soll Gespräche mit EFG International führen. Dahinter steckt eine gewisse Logik, wie finews.ch-Chefredaktor Dominik Buholzer findet. Und es geht dabei vor allem um eine Personalie.
Das Gerücht machte am Wochenende seine Runde: Die Zürcher Traditionsbank Julius Bär prüfe eine Übernahme ihrer Konkurrentin EFG International, meldete die internationale Nachrichtenagentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig). Sie stützte sich dsbei auf «Informationen von Personen, die mit der Angelegenheit vertraut» sein sollen. Von offizieller Seite gab es kein Statement.
Die Nachrichtenagentur «Reuters» wiederum wollte wissen, dass diese Übernahme-Gespräche gestoppt worden seien. Doch finews.ch wiederum wurde ebenfalls am Wochenende zugetragen, dass die Verhandlungen sehr wohl noch im Gange seien und ein Entscheid schon bald fallen werde.
Intensive CEO-Suche befeuert Spekulationen
Die Spekulationen über einen Zusammenschluss von Julius Bär und der Schweizer Privatbank EFG International sind nicht neu. Sie tauchen alle Jahre mal wieder auf – und werden von den Verantwortlichen jeweils dementiert. Doch diesmal könnte es möglicherweise anders sein.
Denn Julius Bär befindet sich in einer besonderen Situation. Nach dem Abgang von CEO Philipp Rickenbacher im vergangenen Februar sucht die Bank einen neuen CEO, und in diesem Zusammenhang gilt wiederum der CEO von EFG International, Giorgio Pradelli, als aussichtsreicher Kandidat, wie finews.ch bereits Ende März 2024 berichtete.
Giorgio Pradelli, CEO von EFG International (Bild: zvg)
Der Turiner arbeitet seit zwölf Jahren für die mehrheitlich von der griechisch-schweizerischen Familie Latsis kontrollierten Privatbank und ist sei 2018 deren CEO. In dieser Zeit verpasste er dem Institut eine klare Strategie, die mit Erfolg gekrönt wurde. Allein seit 2022 hat der Kurs der EFG-Aktie um mehr als 60 Prozent zugelegt.
Wechsel nicht ganz abwegig
Kein Wunder also, dass der Name Pradelli bei Julius Bär ganz weit oben auf der Shortlist steht. Es sprechen noch andere Gründe für diese Personalie: Pradelli kennt das Business in Asien, wo sowohl EFG International als auch Julius Bär höchst aktiv sind. Und nach sechs Jahren als CEO bei EFG wäre für den Italiener ein Jobwechsel nicht ganz abwegig.
Die Frage, die sich also stellt, lautet: Wenn Giorgio Pradelli wechselt, bringt er dann auch gleich noch EFG International mit?
Neues Kapitel nach René Benko
Für eine solche Transaktion sprechen verschiedene Gründe: Beide Institute verfügen über Stärken und Spezialkompetenzen, die sich gut ergänzen würden. So hat sich EFG International zuletzt sehr stark auf das Geschäft mit sehr vermögenden Privatkunden (Ultra-High-Net-Wort-Individuals, UHNWI) zu fokussieren begonnen – was das Vermögensverwaltungsgeschäft von Julius Bär ideal ergänzen würde.
Die Zürcher Privatbank könnte damit nicht nur ihre Marktposition stärken, sondern nach dem leidigen Signa-Debakel rund um den österreichischen Unternehmer und Investor René Benko ihre Kundenbasis deutlich diversifizieren und ihre Ambitionen in den Wachstumsmärkten Nahost, Asien und Lateinamerika auf einen Schlag signifikant verstärken.
Boris Collardi im Hintergrund
EFG-Aktionär und -Verwaltungsrat Boris Collardi (Bild: Keystone)
Das käme Julius Bär sehr gelegen, wie auch die jüngsten Geschäftszahlen gezeigt haben: Für die ersten vier Monate des laufenden Jahres wies Julius Bär zwar einen Zuwachs bei den verwalteten Vermögen und eine bessere Bruttomarge aus. Doch beim Neugeldzufluss blieb das Haus weiter hinter den Erwartungen zurück.
Klarheit spätestens im Juni
Zusammen mit EFG International sähe diese Rechnung anders aus. Für die Aktionäre von EFG International, neben der Familie Latsis unter anderem auch der frühere Julius-Bär-CEO Boris Collardi, käme eine Transaktion zum aktuellen Zeitpunkt höchst gelegen. Denn sie könnten damit die erwähnte Kursavance der vergangenen zwei Jahre ideal monetarisieren.
Am (morgigen) Dienstag wird EFG International seine Zahlen für das erste Quartal 2024 präsentieren. Und im Juni will Julius Bär in der CEO-Frage Klarheit schaffen. Bis dann wird auch klar sein, ob Pradelli das Büro wechselt.