Die Nationalbank hat vergangene Woche die meisten Finanzexperten mit ihrer überraschenden Zinssenkung auf dem falschen Fuss erwischt. Trotzdem ist das Vertrauen in die Währungshüterin noch grösser.
Thomas Jordan habe «süffisant gelächelt», als er überraschend eine Zinssenkung um 0,25 Prozent auf 1,5 Prozent ankündigte, berichteten Teilnehmer von der Konferenz vom vergangenen 22. März. Süffisant oder nicht: sicher ist, das der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) die Zunft der Analysten und Marktstrategen mit dem Zinsentscheid auf dem falschen Fuss erwischte.
Denn diese hatten nicht vor dem kommenden Juni mit einer ersten Senkung gerechnet, nachdem die Währungshüterin ab 2022 die schnellste Zinssteigerung ihrer Geschichte vollzogen hatte. Den Beobachtern erschien aufgrund historischer Erfahrungen die Inflation in der Schweiz immer noch zu hoch für eine Lockerung. Doch die SNB hielt sich nicht an die Historie – in der Folge wurden die Prognostiker regelrecht vorgeführt.
Die Inflation im Griff
Ob die Marktstrategen der SNB die März-Blamage verzeihen, ist offen. Die monatlichen Umfrage «CFA Society Switzerland Financial Market Report», welche die UBS zwischen dem 14. und dem 20. März bei diesmal 36 Analysten der Schweizer Finanzbranche durchführte, deutet jedenfalls auf ein gestiegenes Vertrauen in die Nationalbank hin, wie die Grossbank vermerkte.
Das hat just mit der Inflation zu tun, die der Ursprung der Fehlprognosen gewesen ist: Die Befragten erwarten mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 80 Prozent, dass sich die Inflationsrate nun auch längerfristig im Zielkorridor der SNB von 0 bis 2 Prozent bewegen wird.
Rücktritt von Thomas Jordan ohne Konsequenzen?
Nicht schrecken liessen sich die Marktbeobachter auch von der anderen Überraschung, welche die Währungshüterin im März für die Finanzgemeinde bereit hielt: Präsident Jordan tritt noch vor Ende seiner offiziellen Amtszeit auf den kommenden September zurück, wie auch finews.ch berichtete. Seine Nachfolge steht dabei noch nicht fest – was sich seither als Quelle von einigen Unsicherheiten und auch Einflussnahmen auf die SNB entpuppt hat.
Die von der UBS befragten Analysten gaben nun der Geldpolitik unter Jordan grossmehrheitlich gute Noten; nur rund 15 Prozent bezeichneten diese als zu expansiv oder zu restriktiv. Vor allem aber gingen 90 Prozent der Umfrageteilnehmenden davon aus, dass der Rücktritt des Präsidenten keine Konsequenzen für die Geldpolitik hat.
Fast die Hälfte will das «Schweden-Modell»
So traut die Hälfte der Analysten dem Dreierdirektorium weiterhin zu, die Geschicke der SNB zu lenken. Dies, nachdem in vergangenen Tagen auch von prominenter Stelle eine Erweiterung des Gremiums geforderte wurde. Denn die Nationalbank ist an der Spitze schlank aufgestellt. Bei der schwedischen Zentralbank etwa bestimmen fünf Personen die Geldpolitik, bei der Federal Reserve (Fed) in den USA zwölf und bei der Europäischen Zentralbank (EZB) gar 21.
Eine höhere Anzahl Personen verspricht dabei einen höheren Erfahrungsschatz, macht aber ein Gremium in der Regel schwerfälliger. Das haben nun die befragten Marktexperten abgewogen – und immerhin fast 40 Prozent sprechen sich für eine Erhöhung auf fünf Mitglieder aus.