Die Banker stehen dieser Tage nicht nur an der Sondersession am Pranger. Jetzt rächt sich ein Berufsverständnis und eine Kultur, die sich immer stärker von der übrigen Gesellschaft entkoppelt haben, stellt finews.ch in einer Einordnung fest.
Die Empörung war gross, die den Bankern während der Sondersession aus dem Parlament entgegenschlug. SP-Ständerätin Eva Herzog zeichnete das Bild des gierigen und skrupellosen Bankers, als sie Leonardo DiCaprio im Hollywood-Streifen «The Wolf of Wall Street» am Rednerpult erwähnte.
Ebenso beissend war die Kritik des SP-Kollegen Roberto Zanetti. Er habe sehr viel mehr Hochachtung vor einem ordinären Bankräuber, weil dieser ein beträchtlich höheres unternehmerisches Risiko in Kauf nehme als «all diese Klugscheisser von der Bahnhofstrasse».
Hochmut kommt vor dem Fall
Im Nationalrat entlud sich die Wut in einer Ablehnung der vom Bund bereits gesprochenen Milliardenkredite, an der nicht zu rütteln war. Deshalb ging die Sondersession, die allerdings lediglich symbolischen Charakter hatte, vorzeitig und ergebnislos zu Ende.
Das Misstrauen aus Bundesbern hat zweifellos sehr viel mit den Parlamentswahlen im Herbst zu tun. Die Breitseiten sind allerdings auch bezeichnend für den Hohn und Spott, der auf die Banker dieser Tage auch im persönlichen Umfeld oder auf der Strasse niederprasselt. Der Fall vom hohen Ross schmerzt in der Schweiz vor allem die rund 40'000 Mitarbeitenden in der Credit Suisse und der UBS, ist aber auch bezeichnend für die Vorbehalte gegenüber einem ganzen Berufsstand.
Grössenwahn an der Spitze
Das Bild des Bankers war schon vor der Notrettung der Credit Suisse lädiert. Vor allem seit der Finanzkrise 2008 galten Banker in der öffentlichen Wahrnehmung oft als zu Grössenwahn neigende Besserwisser.
Diese pauschalen Urteile sind allerdings mit Blick auf Geschäftsbereiche und Hierarchiestufe zu relativieren. Beispielsweise haben Berater, die im laufenden Kontakt mit ihren Kunden stehen und die Bodenhaftung nicht verloren haben, meist kein schlechtes Image. Anders sieht es hingegen in den Teppichetagen aus, wo im Fall der CS auch die gröbsten Managementfehler gemacht wurden.
Zersetzende Dealer-Mentalität
Neben überbezahlten «Nieten in Nadelstreifen» wird als weitere Ursache des schlechten Images häufig das Geschäftsgebaren des bonusgetriebenen Investmentbankers angesehen, das sich in den vergangenen Jahrzehnten gerade in vielen Banken der Schweiz breit gemacht hat.
Den schlechten Ruf einer ganzen Branche einzig diesem Bankentypus anzukreiden, ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit.
Kollektive Verantwortungslosigkeit
Besonders in der Vermögensverwaltung existieren nämlich ebenfalls zahlreiche Fallstricke. Als rufschädigend kann sich etwa herausstellen, wenn die Banker beim Verdacht auf Geldwäscherei zu wenig genau hinschauen. Wohin das führt, erlebte die CS etwa in den USA, wo sie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Milliardenbusse kassierte.
Zum angeknacksten Bild des seriösen Bankers trägt ausserdem die Kultur einer kollektiven Verantwortungslosigkeit bei. Das Wegschauen manifestierte sich bei der CS etwa im leichtfertigen Umgang mit Risiken im Lieferketten-Fonds Greensill oder den Krediten an das Family Office Archegos.
Geringschätzung der Investoren
Schwerwiegende Mängel entdeckte die amerikanische Börsenaufsicht SEC zudem im Berichtswesen der Grossbank. Solche Verfehlungen, welche die Finanzchefs der CS offenbar lange nicht wahrhaben wollten, sind Gift für das Investorenvertrauen der auch in den USA börsenkotierten Bank.
Nicht von ungefähr kennt die mächtige SEC deshalb kein Pardon, wenn börsenkotierte Unternehmen Fehler in der Rechnungslegung einseitig als unwesentlich für die Anleger abtun wollen.
Läuterung in Demut
Zwar dürfen nicht alle Banker über denselben Kamm geschert werden. Beispielsweise sind gewissenhafte Mitarbeiter der First Line of Defense, auf Vermögensverwaltungsapplikationen spezialisierte Requirements Engineers oder regulatorische Business Analysten nicht für das ganze Debakel verantwortlich. Dennoch trifft auch sie jetzt der Spott mit derselben Wucht, sei es aus Bundesbern, am Arbeitsplatz oder am Wohnort.
Als einziger Ausweg aus dieser Sippenhaft bleibt, dass der Berufsstand die Kritik jetzt aushält und kollektiv annimmt - um sich individuell in Demut zu üben und zu einem bescheideneren Arbeitsethos in der Branche beizutragen. Es ist an der Zeit, dass der vielleicht spröde, aber seriöse Banker zurückkehrt, der nicht über, sondern mitten in der Gesellschaft steht.