Mit den Bonuskürzungen habe der Bund ein Zeichen setzen wollen, sagt Timon Forrer zu finews.ch. Der Vergütungsexperte der Beratungsfirma Kienbaum Schweiz warnt, dass die Massnahme relativ junge Kader am härtesten treffen wird.
Die Credit Suisse (CS) musste unter Einsatz staatlicher Garantien gerettet werden – am gestrigen Mittwoch kürzte der Bund nun die Boni der obersten 1’000 Verantwortungsträger der Grossbank. Ist das eine rein populistische Massnahme?
Gemäss Schätzungen betragen die Bonuskürzungen in Summe etwa 50 bis 60 Millionen Franken. Auch wenn dies auf den ersten Blick nach einer hohen Zahl aussieht, so ist der dadurch erzielte finanzielle Effekt in Anbetracht der Grössenordnung der Verluste als marginal zu bezeichnen.
Das heisst?
Es ist tatsächlich davon auszugehen, dass man hier vor allem ein Zeichen setzen wollte. Es sei an dieser Stelle zu erwähnen, dass die variable Vergütung auch in anderen Branchen, etwa die Versicherungs- und Energiebranche, nur sehr bedingt einen Einfluss auf das Geschäftsergebnis hat. Entsprechend vermag eine Kürzung von Boni einen Verlust kaum aufzufangen. Dies soll natürlich nicht bedeuten, dass Boni in jedem Falle auszuschütten sind.
Das ist der Punkt: Boni werden in der Öffentlichkeit als Zusatzvergütung für besondere Leistung betrachtet. Im Banking werde sie aber oftmals als fester Bestandteil des Gesamtlohnes verstanden.
Der aktuelle Fokus kommt etwas gar stark auf der variablen Vergütung zu liegen. Man muss anerkennen, dass Boni einen Teil eines Gesamtpakets, die so genannte Total Compensation, ausmachen. Je nach Vergütungsstrategie bezahlt eine Organisation hohe Boni und dafür eher tiefe Fixgehälter, oder umgekehrt.
«Es wäre wünschenswert, wenn die Diskussion mehr in Richtung Gesamtvergütung ginge»
Mehrere Banken – wie andere Firmen auch – haben in den letzten Jahren die Boni reduziert und gleichzeitig die Fixgehälter erhöht.
Was waren die Beweggründe?
Gerade Banken taten dies nicht zuletzt aus Reputationsgründen, weil der Fokus der Öffentlichkeit eben sehr stark auf den Boni liegt. Dies hat aber auch mit dem Fachkräftemangel zu tun. Mitarbeitende präferieren in der Regel hohe Fixvergütungen, weil diese garantiert sind und das Bedürfnis nach Sicherheit berücksichtigen. Entsprechend versuchen sich Arbeitgeber möglichst attraktiv auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren.
Boni sind also gar nicht so erstrebenswert?
Man kann festhalten, dass Boni nicht per se positive Auswirkung auf die Gesamtvergütung haben. In den meisten Fällen bedeutet dies aus Sicht der Arbeitnehmenden, dass ein zum Teil signifikanter Anteil des Einkommens Risiken ausgesetzt ist. Wie man jetzt gerade gut sehen kann, auch Risiken, die einzelne Mitarbeitende selber kaum beeinflussen können. Es wäre daher wünschenswert, wenn die Diskussion mehr in Richtung Gesamtvergütung ginge.
Um zur Eingangsfrage zurückzukommen: Werden Boni von Bankern als gegeben vorausgesetzt?
Grossbanken definieren den Bonus als Gratifikation, respektive als nicht geschuldete freiwillige Zusatzvergütung. Trotzdem müssen Boni als fester Bestandteil der Gesamtvergütung betrachtet werden, weil die Mitarbeitenden vergangener Ausschüttungen damit rechnen können.
«Viele Mitarbeitenden auf den tieferen Stufen bezahlen ihre Steuern mit dem Bonus»
Oft wird die Grössenordnung eines Bonus auch bereits bei Einstellungsgesprächen informell mitgeteilt. Daran lässt sich erkennen, dass Boni wirklich ein Bestandteil des Gesamtlohnes sind. Auch wenn diese naturgemäss aufgrund der Performance des Unternehmens oder des Individuums schwanken.
Variable Vergütungen werden bei Banken nach komplexen Modellen berechnet. Ist es gemessen an diesen Modellen folgerichtig, wenn man die Boni rein nach dem Massstab der Verantwortung um 100, 50 und 25 Prozent zurückstuft?
Bezüglich der Reduktionen gibt es verschiedene Betrachtungsweisen, und es hängt vom einzelnen Vergütungssystem einer Firma ab. Wenn Boni primär für individuelle Leistung stehen, so ist es aus Sicht der Mitarbeitenden, die ihre Ziele erreicht oder gar übertroffen haben natürlich schwer nachvollziehbar, weshalb sie abgestraft werden – auch im Top Management. Stehen Boni primär für die kollektive Leistung im Sinne einer Erfolgsbeteiligung, so müssten theoretisch die Boni aller Mitarbeitenden gekürzt werden. Aber es gibt auch noch die Dimension der Angemessenheit.
Wie definiert sich diese?
Das Topmanagement ist in Bezug auf seine Vergütung bereits höheren Risiken ausgesetzt, weil ein verhältnismässig grosser Anteil der Vergütung variabel ausgeschüttet wird. So gesehen trifft es diese Kräfte nun besonders hart. Umgekehrt ist es so, dass die meisten Betroffenen diesen Ausfall aufgrund ihrer überdurchschnittlichen finanziellen Situierung problemlos verkraften können. Viele Mitarbeitenden auf den tieferen Stufen sind Boni stärker angewiesen und bezahlen etwa ihre Steuern damit. Noch einmal: Boni sind ein Teil der Gesamtvergütung, und zu einem gewissen Masse rechnen Mitarbeitende dieses Vergütungselement mit ein.
«Man kann nicht von einem Freipass sprechen»
Man sieht an dieser Stelle, dass die nun ergriffenen Massnahmen nicht primär darauf abzielen, den Verlust zu verringern, sondern um ein Zeichen zu setzen. Schliesslich richtet sich der öffentliche Zorn nicht gegen Kundenberater und Kundenberaterinnen am Schalter.
Im Rahmen der staatlichen Engagements ist es dem Bund von Gesetzes wegen erlaubt, auf die Dividenden und Vergütungen der betroffenen Banken Einfluss zu nehmen. Erhält der Staat damit tatsächlich einen Freipass?
Dieses dem Bankengesetz entnommene Recht beschränkt sich nur auf Banken, welche vom Bund direkt oder zumindest indirekt gestützt werden müssen. Damit kann man nicht von einem Freipass sprechen.
Welche rechtliche Handhabe bleibt den betroffenen CS-Bankern, sich gegen die Bonuskürzungen zu wehren – und muss sich der Bund auf eine Klagewelle einstellen?
Das ist ein sehr komplexes Thema, welches nun viele Juristen beschäftigen wird, jedoch weniger uns Vergütungsberater. Vertragstechnisch sind die Banken abgesichert, weil sie schriftlich zum Ausdruck bringen, dass die variable Vergütung nicht geschuldet ist und diese eine Gratifikation darstellt. Dass nun eine spezielle Situation vorliegt, welche zur Kürzung von Boni berechtigt, wird kaum zu bestreiten sein.
Aber?
Trotzdem ist es vorstellbar, dass Angestellte argumentieren werden, dass der Bonus gestützt auf die langjährige Praxis als Gewohnheitsrecht dennoch geschuldet ist.
«Die Jobunsicherheit dürfte für das Topkader das grössere Thema darstellen»
So etwa, wenn Top-Managerinnen oder -Manager bereits lange in derselben Position sind und Jahr für Jahr ähnlich hohe Bonuszahlungen erhielten. Dies erst recht, wenn diese Bonuszahlungen auch in Krisenzeiten ungekürzt erfolgten. Hier könnte durchwegs die Argumentation erfolgen, dass die Ausführungen bezüglich Freiwilligkeit jeweils nur pro forma oder floskelhaft waren und man sich daher auf vergangene Zahlungen abstützen könne.
Das Mitleid für die von den Bonuskürzungen betroffenen Bankkader und -manager wird sich in engen Grenzen halten, sie gelten als vermögend. Wie einschneidend wird die Massnahme für deren Lebensstil sein?
Gemessen am bisherigen Einkommen sind die Rückschritte signifikant. Einkommensrückgänge von mehr als 30 Prozent werden keine Seltenheit darstellen. Ob das auf den Lebensstil einen Einfluss hat, ist eine andere Frage. Typischerweise haben Personen auf solchen Stufen sehr hohe Sparquoten, sprich die meisten werden den Lebensstandard halten können, zumal die meisten auf Angespartes zurückgreifen können.
Und in den Linien darunter?
Gefährdet sind am ehesten vergleichsweise junge Arbeitnehmende, welche schnell Karriere gemacht haben. Wer aufgrund etwa von hohen Mieten, Leasings hohe wiederkehrende Kosten und kaum Erspartes hat, wird sich gegebenenfalls in einer unangenehmen Situation wiederfinden. Ein etwaiger Jobverlust wirkt aber deutlich einschneidender.
Dies mit Blick auf die Tausenden von Stellen, die bei der CS wegfallen könnten?
Die maximale Leistung der Arbeitslosenkasse beschränkt sich auf 148‘200 Franken pro Jahr. Daher dürfte die Jobunsicherheit für das Topkader im Vergleich zu den reduzierten Boni das grössere Thema darstellen. Spannend wird nun auch zu beobachten, wie sich die Gehälter dieser Berufsbilder bewegen werden, da davon ausgegangen werden kann, dass nun viele Top Kader auf den Arbeitsmarkt kommen
Timon Forrer ist Direktor und spezialisiert auf den Bereich Compensation & Performance Management bei Kienbaum Schweiz, einer Executive-Search-Firma mit einem Fokus auf Vergütungsberatung für Unternehmen.