Hat die Nulltoleranz gegenüber Risiken bei der Credit Suisse die Verwerfungen rund um den Geschäftsbericht ausgelöst? Der vernichtete Börsenwert übersteigt jedenfalls den Gegenwert eines buchalterischen Details bei Weitem.
Der «late call» der amerikanischen Börsenaufsicht SEC vom Mittwoch, wegen dem die Credit Suisse (CS) die Publikation des auf heute Donnerstag terminierten Geschäftberichts verschoben hat, traf offenbar sehr spät am Hauptsitz der Grossbank ein.
Dem Vernehmen nach war in der Schweiz längst der Abend eingebrochen, als sich die New Yorker Behörde mit sechs Stunden Zeitverschiebung noch meldete.
Im Zweifelsfall wird jetzt nachgeprüft
Doch für die CS-Führung, die zu später Stunde alarmiert wurde, war der Fall klar. Sie befahl: das ganze Halt. Das, so ist aus der Bank heraus zu vernehmen, ist Ausdruck der neuen Risikokultur, für die CEO Ulrich Körner, Präsident Axel Lehmann und auch Chefjurist Markus Diethelm stehen. Im Zweifelsfall, so die Devise, wird jetzt nachgeprüft. Und wenn der Absender einer Intervention die mächtige amerikanische Börsenaufsicht SEC ist, erst recht.
Der Reflex steht der Schweizer Grossbank nach einer langen Serie von Skandalen und dem zweiten Jahresverlust in Folge gut an. Doch einmal mehr war den CS-Entscheidungsträgern das Glück nicht hold: An der Börse verloren die Aktien der Bank zeitweilig 5 Prozent an Wert. Die Kalamität mit dem verschobenen Geschäftsbericht kostete das Unternehmen damit kurzfristig eine halbe Milliarde Franken Buchwert.
Erneute Kommunikationspanne?
Das Zeichen des Wandels, das die Bankkführung mit der Reaktion auf den SEC-Call setzen wollte, wurde demnach von den Investoren missverstanden. Und die Risikokultur, wie sie an der Spitze der Bank neu gelebt wird, entpuppte sich zumindest in diesem Fall erst einmal als Bumerang.
Es ist auch nicht auszuschliessen, dass der Bank erneut eine Kommunikationspanne unterlaufen ist. Denn nach den wenigen Information zu folgern, die zum Vorfall öffentlich sind, wurde zwischen der CS und der SEC offenbar ein buchhalterisches Detail diskutiert. Die britische Finanzzeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) hat dazu mehr in Erfahrung gebracht und spricht von einer Diskrepanz von 70 Millionen Dollar, die in der Rechnung der Bank 2021 durch die Neubewertung des Cashflows entstanden sei.
Wording nur leicht anpassen
Angesichts der am Donnerstag vernichteten gut 500 Millionen Franken Börsenwert wären dies Peanuts.
Das New Yorker «Wall Street Journal» (Artikel bezahlpflichtig), das bei der SEC näher an der Quelle sitzt, gab demgegenüber zu bedenken, dass die Behörde bei kleineren Meinungsverschiedenheiten mit Firmen durchaus zufrieden sei, wenn das Wording leicht angepasst werde. Eine grössere Überarbeitung des Geschäftsberichts deute daraufhin, dass bei der Berichterstattung wirklich etwas im Argen liege. Dies, obwohl Geschäftsberichte von Grossbanken wie der CS immer auch von externen Prüfern begutachtet werden.
Analysten warnen
Analysten wiederum erklärten am Donnerstag, dass eine Intervention der US-Börsenaufsicht in Fragen der Buchhaltung grundsätzlich negativ für ein Unternehmen sei.
Kurz, genaueres weiss bisher niemand. Umso mehr hat sich die Unsicherheit einmal mehr als schwere Last für den Aktienkurs der CS erwiesen. Das erinnert daran, dass das Grundproblem der Bank im mangelnden Vertrauen liegt. Mit vagen Angaben zu folgenschweren Massnahmen ist diesem kein Dienst getan.