Vor über einer Woche ist der Vorsitzende einer Investmentbank in China verschwunden. finews.ch zieht eine erste Bilanz.
Zumindest war die Ankündigung so transparent, wie sie nur sein konnte.
Am 16. Februar teilte die Boutique-Investmentbank China Renaissance der Hongkonger Börse mit, dass ihr Verwaltungsrat nicht in der Lage sei, den Präsidenten Bao Fan zu kontaktieren, der auch ihr Geschäftsführer und Hauptaktionär ist.
Damals hiess es, man habe keine Kenntnis von irgendwelchen Informationen, wonach seine «Nichtverfügbarkeit» mit den Geschäften der Bank zusammenhänge.
Trügerische Ruhe
Seither ist nun mehr als eine Woche vergangen. Sowohl die internationalen Investoren als auch die Medien hatten Zeit, die spärlichen Informationen zu verdauen.
In einer Reihe von Artikeln wurde behauptet, der Bankpräsident habe versucht, ein Family Office in Singapur zu gründen (zusammengefasste Google-Suchergebnisse), angeblich in dem Bemühen, Chinas Beschränkungen für Kapitalabflüsse zu umgehen. Die «BBC» stellte Verbindungen zu Renaissances ehemaligem Präsidenten Cong Lin her, gegen den seit letztem Jahr wegen seiner Rolle bei der staatlichen Grossbank ICBC ermittelt wird.
Viele behaupteten, dass das Verschwinden von Fan das Vertrauen der Unternehmen und damit der Investoren untergraben würde. Einige spielten auf ein erneutes hartes Vorgehen gegen die Technologiebranche auf dem Festland an. Dort war Fan ein wichtiger Geldgeber, der einst für die Credit Suisse gearbeitet und viele der wichtigsten Geschäfte des Landes vermittelt hatte.
«Bloomberg» (Artikel kostenpflichtig) wiederum behauptete, dass selbst staatliche Kreditgeber von dem Schritt überrascht waren.
Vergessene Wurzeln
Ein Marktkenner vom Festland, der es vorzog, anonym zu bleiben, hatte seine eigene Meinung zu den Geschehnissen. Er sagte, dass viele Leute vergessen hätten, wie Bao und Renaissance überhaupt erfolgreich wurden.
«Es gibt ein ganzes Ökosystem von Unternehmen, die sehr von den früher fehlenden Vorschriften in China profitiert haben. Es gab viele Schlupflöcher und eine Menge explosives Wachstum», so der Experte.
Dies ändert sich nun, und die Unternehmer müssen sich an das neue regulatorische Umfeld anpassen. Die Situation spiegelt auch den Transparenzvorteil, den Hongkong im Vergleich zu China hat.
«Ich meine, wenn so etwas auf dem inländischen Aktienmarkt passieren würde, würde es so weit wie möglich unter den Teppich gekehrt», so derselbe Experte.
Alarmzeichen an den Börsen
Die Wahrheit ist, dass niemand weiss, was vor sich geht, und dass Spekulationen nicht viel bringen. Das Verschwinden von Fan hat den Aktien der Bank einen schweren Schlag versetzt. Gegenüber dem Stand von Ende Januar - also vor der Ankündigung – verloren sie rund einen Drittel ihres Werts.
Die breiter gefassten Indizes der Hongkonger Börse sind ebenfalls rückläufig. Zugleich überwiegen bei den beiden Connect-Aktienhandelssystemen die Verkäufe deutlich gegenüber den Käufen, obwohl es schwierig wäre, dies direkt China Renaissance zuzuschreiben.
Vielleicht wird die Sache sogar von allen falsch eingeschätzt.
Das Risiko bleibt
Positiv zu vermerken ist, dass das Unternehmen zumindest die Informationen veröffentlicht hat und der Markt weiss, dass Fan etwas passiert ist.
In der Tat könnte dies zu einem quasi permanenten Opportunitätskostenfaktor für Aktienanleger auf dem Festland werden, insbesondere für solche aus dem Ausland.
Solche Ereignisse sind auch nicht auf China beschränkt. Sie können und werden auch in Ländern wie Vietnam, Thailand und sogar Malaysia vorkommen, das im Gegensatz zu den anderen Ländern relativ demokratisch ist.
In der gesamten Region wird dies nicht der letzte Fall dieser Art sein. Die Anleger werden sich wohl oder übel daran gewöhnen müssen.