Die Ironie der Geschichte sei, dass es bei der aktuellen Krise wiederum die Gier war, die diese Turbulenzen ausgelöst habe, sagt Daniel Blatter, Head Digital Services bei der InCore Bank, im Interview mit finews.ch. Wenn man seine Assets nicht selbstverwahren wolle, dränge sich jetzt die Verwahrung bei Banken richtiggehend auf.
Herr Blatter, wie überraschend war das FTX-Fiasko für Sie persönlich?
In der Kryptowelt ist man sich einiges gewöhnt: Viele der in den vergangenen Jahren gegründeten Börsen und anderen Dienstleister sind längst verschwunden. Dass nun die zweitgrösste Krypto-Exchange «Chapter 11» anmelden muss, ist aussergewöhnlich.
Die Angst vor einer «Ansteckung» anderer Dienstleister im Kryptobereich hat der Kryptomarkt sofort eingepreist. Nach dem Sturm sind die Handelsvolumina mittlerweile wieder gesunken und bewegen sich im normalen Bereich.
Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus Ihrer Sicht nach diesem Vorfall
Anleger und Finanzdienstleister werden sich nun genau überlegen, bei welchen Anbietern ihre Assets noch sicher sind. Dies erhöht den Druck zu mehr Transparenz, aber auch verstärkter Kontrolle, um das Vertrauen wiederherzustellen.
«Durch die FTX-Pleite wurde dies vielen Kunden erst jetzt bewusst»
Wenn es der Branche gelingt, die Kurve zu kriegen, werden alle profitieren.
Rechnen Sie mit einer Zunahme von Verwahrungslösungen bei den Banken?
Krypto-Exchanges erfüllen im Unterschied zur traditionellen Finanzbranche zwei Aufgaben: die des Handelsplatzes und die einer Bank – auch wenn die meisten von ihnen über keine für Finanzdienstleiter üblichen Lizenzen verfügen. Im Unterschied dazu sind Banken weltweit reguliert. In vielen Ländern sind sie zu einer Einlagensicherung verpflichtet, die Barwerte von Kleinanleger schützen.
Dank der im vergangenen Jahr in der Schweiz eingeführten DLT-Gesetzgebung werden digitale Vermögenswerte hierzulande zudem beim Ausfall einer Bank von der Konkursmasse ausgeschieden und sind somit vor allen Ansprüchen bei einer Liquidation sicher. Alle diese Regeln gelten für die bekanntesten Exchanges leider nicht.
Durch die FTX-Pleite wurde dies vielen Kunden erst jetzt bewusst. Wir spüren den Trend: Der Wert der bei InCore Bank für unsere Kundenbanken verwalteten digitalen Vermögenswerte hat sich in wenigen Tagen mehr als verdoppelt.
Können Sie das noch etwas genauer herleiten?
Bei uns weiss der Kunde, dass seine Assets hochsicher und ausschliesslich durch uns verwahrt werden und nicht durch einen Subcustodian oder an einer Exchange. Dank unseres Handels-Netzwerks können digitale Vermögenswerte ohne Pre-Funding jederzeit und sekundenschnell gekauft oder verkauft werden. Für ausreichende Liquidität ist gesorgt.
«Da wir nicht alles auf eine Karte gesetzt haben, sind wir nicht anfällig auf Volatilitäten im Markt»
Die InCore Bank ist schon seit mehr als einem Jahrzehnt als Anbieter eines diversifizierten Dienstleistungsportfolios im B2B-Bereich tätig und verfügt über eine solide und stabile Eigentümerschaft ausschliesslich aus der Schweiz. Da wir nicht alles auf eine Karte gesetzt haben, sind wir nicht anfällig auf Volatilitäten im Markt. Und natürlich macht es auch einen Unterschied, ob ich Digital Assets bei einer Bank mit Versicherungsschutz oder bei irgendeinem Anbieter ohne diese Dienstleistung deponiere.
Der Ruf nach Regulierung wird nun laut: Wie stehen Sie dazu?
Eine Regulierung ist in ersten Linie bei der Verwahrung von digitalen Vermögenswerte und Fiat dringend notwendig. Bitcoin ist aus der Finanzkrise von 2008 entstanden, als viele Anleger das Vertrauen in zentrale Institutionen, wie Behörden, Nationalbanken, Finanzdienstleistern und Währungen verloren haben. Die Blockchain ist daher vollständig dezentral ausgebaut und löst durch geniale Konzepte das Vertrauensproblem elegant.
Die Ironie der Geschichte ist, dass es bei der aktuellen Krise wiederum zentrale Akteure und letztlich die Gier Einzelner war diese Turbulenzen verursachten. Wenn man seine Assets nicht selbstverwahren will, drängt sich jetzt die Verwahrung bei Banken richtiggehend auf.
«Wir sind mit vielen Banken in Kontakt, die digitale Vermögenswerte auf ihrer Roadmap haben»
Ich kann mir gut vorstellen, dass es Exchanges in Zukunft verboten sein wird, Kundengelder und digitale Vermögenswerte zu verwahren, falls sie über keine Lizenz dazu verfügen. Digitale Vermögenswerte komplett vom traditionellen Bankensystem auszuschliessen oder übermässig stark zu regulieren, ist meiner Ansicht nach nicht der richtige Weg. Digitale Vermögenswerte sind eine Bereicherung und eine überschiessende Regulierung würde das Potential und den Nutzen der Blockchain-Technologie unnötig einschränken.
Wie gross ist das Interesse nach Digital Assets bei der InCore Bank aktuell?
Wir sind mit vielen Banken in Kontakt, die digitale Vermögenswerte auf ihrer Roadmap haben. Das Interesse ist keineswegs abgeflaut. Wir rechnen damit, dass mehr als 10 Prozent aller Schweizer Banken entweder bereits über eine Bewilligung der Finma verfügen oder auf dem Weg dazu sind, mit digitalen Vermögenswerten zu handeln.
Bei den Instituten im Fürstentum Liechtenstein wird es ähnlich sein. Ein Grossteil der Institute beziehen dabei Dienstleistungen von uns.
Daniel Blatter ist Head Digital Services bei der Schweizer InCore Bank. Er ist seit 2015 für das Unternehmen tätig. Er besitzt mehr als 25 Jahre Berufserfahrung in der IT- und Finanzbranche und war zuvor mehrere Jahre bei der Firma Finnova Bankware in der Entwicklung und im Produktmanagement tätig. Er verfügt unter anderem über Abschlüsse der ETH und der Universität Zürich.