Boris Collardi hat sich mit 80 Millionen Franken an der Schweizer Privatbank EFG International beteiligt. Er ist sicherlich nicht gekommen, um den Status quo zu pflegen. Darum mehren sich nun auch die Hinweise auf einen grossen Deal im Swiss Private Banking. 

Die Konsolidierung im Schweizer Private Banking ist eine sich seit Jahrzehnten fortschreibende Geschichte, die von Gerüchten und Vermutungen sowie von gelegentlichen Übernahmen und Fusionen lebt.

Auch jetzt mehren sich die Hinweise wieder, dass die Branche in Bewegung ist. Jüngstes Gerücht auf dem Finanzplatz: ein Schulterschluss zwischen EFG International und J. Safra Sarasin.

Markanter Kursanstieg

Beide Institute wollten auf Anfrage keinen Kommentar dazu abgeben.

Während manche Planspiele sehr rasch an wirtschaftlicher Logik entbehren, sprechen in diesem Fall doch einige Argumente für eine solche Paarung. Auffallend ist allein schon die Tatsache, dass der Kurs der EFG-Aktie in den vergangenen drei Monaten fast unbemerkt um 15 Prozent gestiegen ist, während der Swiss-Market-Index (SMI) im selben Zeitraum kaum vom Fleck kam.

Zupackende Art

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Boris Collardi (Bild: Keystone)

Im laufenden Jahr sorgte vor allem ein Ereignis im Zusammenhang mit EFG International für Schlagzeilen: der Einstieg von Boris Collardi als Aktionär. Der langjährige Julius-Bär-CEO und kurzzeitige Teilhaber der Genfer Privatbank Pictet erwarb Ende April 2022 für 80 Millionen Franken eine Beteiligung von 3,6 Prozent.

Der 48-jährige Westschweizer ist als Manager unter anderem auch für seine zupackende Art bekannt. Während seiner Zeit an der Spitze der Zürcher Traditionsbank Julius Bär machte er mit einer Reihe von Übernahmen von sich reden; insbesondere 2012 mit der Akquisition des internationalen Wealth-Management-Geschäfts der US-Bank Merrill Lynch.

Übernahmen und Skandale

Es war der grösste Deal seiner Art im Private Banking der vergangenen zehn Jahre. Er galt als äussert komplex. Doch Collardi gelang es, die Integration in Rekordzeit durchzupauken und damit den Grundstein für jene Dimensionen zu legen, die das Institut heute auszeichnet.

Allerdings geriet die Bank zeitweilig auch an die Grenzen ihrer Risikofähigkeit respektive war mit diversen Skandalen konfrontiert. Das wiederum löste weitreichende Untersuchungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) aus und war letztlich ausschlaggebend für den Abgang Collardis, wie finews.ch verschiedentlich berichtete.

Auch der nobel-diskreten Privatbank Pictet hätte Collardi etwas mehr Leben einhauchen sollen. Doch das gelang ihm nicht. Nachdem er Anfang Juni 2018 als Teilhaber bei den Genfern eingestiegen war, verliess er das Institut bereits Ende August 2021 wieder. Die Untersuchungen der Finma bei Julius Bär erwiesen sich als allzu grosse Hypothek – sie hatten bei bedeutenden Pictet-Kundinnen und -Kunden für grosse Verunsicherung gesorgt.

Deal mit der Finma?

In Branchenkreisen heisst es, Pictet und die Finma hätten sich schliesslich dahingehend geeinigt, dass die Behörde das Verfahren gegen Collardi einstellt, vorausgesetzt, dass die Bank sich nach einer Karenzfrist von ihm trenne.

Seit diesem Jahr ist Collardi nun zurück im Geschäft; ab Oktober 2022 soll er auch in den Verwaltungsrat von EFG International gewählt werden. Auf das gleiche Datum hin wird es darüber hinaus zu einem Wechsel an der Spitze des Aufsichtsgremiums kommen.

Neuer Dreijahres-Plan

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Alexander Classen (Bild: EFG)

Der frühere Coutts-International-Chef und zuletzt als CEO der HSBC Private Bank tätige Alexander «Alex» Classen wird den bisherigen Verwaltungsratspräsidenten Peter Fanconi ablösen. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass sich die beiden «Neuen» dezidiert einbringen werden.

EFG International steht am Anfang eines neuen Dreijahres-Plans, der von 2023 bis 2025 dauern wird. Einzelheiten dazu will die Bank an ihrem Investorentag ebenfalls im Oktober präsentieren. Man darf gespannt sein, zumal sich das Umfeld für die Privatbanken massiv eingetrübt hat.

Kritische Grösse

Zwar dürfte die Branche von den steigenden Zinsen durchaus profitieren. Doch gleichzeitig sind viele Kundinnen und Kunden durch den anhaltenden Krieg in der Ukraine, die hohe Inflation und die drohende Rezession verunsichert. Manche von ihnen haben bereits viel Geld verloren und halten sich entsprechend mit neuen Engagements zurück. Diese Entwicklung dürfte in den kommenden Monaten die Erträge der meisten Banken stark belasten.

Gleichzeitig sinken unter diesen Rahmenbedingungen auch die verwalteten Vermögen (Assets under Management, AuM), eine der wichtigsten Kennzahlen im Private Banking. Vor diesem Hintergrund stellt sich über kurz oder lang die Frage nach der kritischen, sprich erforderlichen Grösse einer (Privat-)Bank. Und in einem solchen Umfeld dürfte es Collardi schwerfallen, sein finanzielles Engagement innert nützlicher Frist zu rentabilisieren.

Viel Geld für die Brasilianer

Hier kommt die Bank J. Safra Sarasin ins Spiel, wie aus Finanzkreisen zu vernehmen ist. Das brasilianisch-schweizerische Finanzinstitut gehört nicht nur zu den erfolgreichsten Geldhäusern hierzulande, sondern auch zu den verschwiegensten. Gleichwohl ist bekannt, dass die brasilianische Eigner-Familie die Gewinne aus den Jahresergebnissen einbehält respektive in das Geschäft reinvestiert.

Dadurch verfügt die Bank über genügend Mittel für Akquisitionen. In schöner Regelmässigkeit verleibt sich das Geldhaus denn auch Teams von der Konkurrenz und sogar ganze Banken ein. Dazu zählen die Übernahme des asiatischen Wealth Management der kanadischen Bank of Montreal oder die Eröffnung einer Niederlassung in Madrid. Ebenfalls hat J. Safra Sarasin in diesem Jahr die Schweizer Bank Zweiplus vollständig übernommen.

Konsolidierer im globalen Private Banking

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Jürg Haller (Bild: J. Safra Sarasin)

«Wir verstehen uns weiterhin als Konsolidierer im weltweiten Private Banking», sagte J.-Safra-Sarasin-Präsident Jürg Haller vor einigen Monaten gegenüber finews.ch und betonte, dass sich die Schweizer Banken bei der Beurteilung von potenziellen Akquisitionen nicht von anderen Häusern unterscheiden würden. «Insofern sind Zukäufe über alle Geographien hinweg möglich», betonte Haller.

Im Verbund mit EFG International (155,7 Milliarden Franken an AuM) käme die Bank J. Safra Sarasin (224,7 Milliarden Franken an AuM) auf 380 Milliarden Franken an Kundengeldern. Sie würde sich damit vor die Genfer Privatbank Lombard Odier einreihen, die gemäss den letzten, verfügbaren Zahlen auf knapp 360 Milliarden Franken kommt. J. Safra Sarasin beschäftigt weltweit 2'300 Mitarbeitende an mehr als 25 Standorten, teilweise an denselben wie EFG International mit 40 Standorten und 3’000 Beschäftigten.

Brasilianer unter sich

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Überlappungen gäbe es bei einem Schulterschluss durchaus. Doch das war auch der Fall, als Julius Bär das internationale Wealth-Management-Geschäft von Merrill Lynch übernahm. Collardi beseitigte diese souverän. Mit dieser Erfahrung bringt er ein enormes Know-how in entsprechende Verhandlungen ein. Verhandlungen, die sich noch in einer anderen Hinsicht als äusserst vertraut abspielen könnten.

Denn die Brasilianer von J. Safra Sarasin würden bei EFG International auf ihre Landsleute der brasilianischen Bank BTG Pactual treffen. Diese verfügen als zweitgrösste Aktionärsgruppe hinter der griechischen Gründerfamilie Latsis über eine Beteiligung von 23,9 Prozent an EFG International.

Zumindest das kulturelle Verständnis wäre damit fürs Erste gegeben. Sehr zum Gefallen von Boris Collardi.