Im Vorfeld ihrer nächsten Generalversammlung Ende April 2022 hat die Credit Suisse zu den Fragen der Ethos-Stiftung in Sachen Greensill-Skandal Stellung genommen. Dabei räumt sie ein, dass Problem unterschätzt zu haben.
Die Credit Suisse (CS) hat ihre Antworten an die Aktionärsvertreter am Montag auf ihrer Website aufgeschaltet. Dabei geht sie unter anderem auf die Geschäftsbeziehungen zur Firma Greensill Capital, die Ausgestaltung der Lieferketten-Fonds und die Due-Dilligence-Prüfungen ein.
Ein grosser Teil der Fragen und Antworten beziehen sich auf die Versicherungsabdeckung der erwähnten Fonds mit Blick auf Kreditausfälle und aufgrund welcher Modalitäten und Fristen hier Auszahlungen fällig werden.
Selbst überrascht
Auf die Frage, warum die CS erst sechs Tage vor dem Auslaufen des Versicherungsschutzes der Police von Tokio Marine zur Absicherung des Kreditrisikos informiert wurde, heisst es, dass man davon selbst überrascht worden sei.
«Der Chief Risk Officer und Geschäftsleitung der CS waren ausserordentlich erstaunt darüber, dass der Firmengründer und Chef Lex Greensill sie nur wenige Tage vor dem Ablauf der Versicherung über diesen Umstand orientiert hatte. «Jederman hätte eine frühere Orientierung erwartet, wenn ein derartiges Problem auftaucht», schreibt die CS.
Problem unterschätzt
Auch bei Fragen, ob man nicht frühere Anzeichen für finanzielle Schwierigkeiten bei Greensill hätte sehen müssen, und warum dies nicht von der Risikokontrolle der CS erfasst wurde, gibt die Bank eine bemerkenswerte Antwort: Die Informationen, die man der Presse habe entnehmen können, seien jeweils aufgenommen worden. Man habe Lex Greensill damit auch konfrontiert. «Greensill konnte jeweils zufriedenstellende Erklärungen abgeben, so dass die CS auf weitere Massnahmen verzichtete», heisst es weiter.
Entsprechende Presseberichte seien zwar immer wieder einmal aufgetreten, waren aber 2019 und 2020 «nicht derart gehäuft, dass sie als Zeichen ernstlicher finanzieller Schwierigkeiten interpretiert werden mussten.»
Langwieriger Rechtsstreit steht bevor
Aus den Antworten auf die Ethos-Fragen geht zudem hervor, dass sich die Anleger der Greensill-Fonds auf einen langwierigen Rechtsstreit mit Versicherern und Problemschuldnern um die Rückzahlung ihrer Gelder einstellen müssen. Die Credit Suisse geht von bis zu fünf Jahren aus, bevor abschliessende Entscheidungen vorliegen könnten.
Die Auszahlung hängt davon ab, ob Geld von «schwierigen Schuldnern» eingetrieben werden kann oder ob die Versicherer bereit sind, für die von ihnen gedeckten Anleihen zu zahlen. Ohne Geld aus einer dieser beiden Quellen könnten die Anleger auf hohen Verlusten sitzen bleiben.
Der Versicherer Tokio Marine Holdings erklärte seinerseits am Montag, dass er nicht damit rechne, etwas auszahlen zu müssen. Nur etwa 65 Prozent des grössten Fonds des Unternehmens, der in Greensill-bezogene Vermögenswerte investiert war und 7,2 Milliarden Dollar verwaltet, war Ende Februar an die Anleger zurückgezahlt worden.
Des Betrugs bezichtigt
Tokio Marine, via eine Tochtergesellschaft der Hauptversicherer der Greensill-Fonds, erklärte ebenfalls am Montag, dass er nicht für die Forderungen der CS aufkommen werde. Der Kreditgeber habe es in betrügerischer Absicht versäumt, vor dem Abschluss oder der Erneuerung einiger Warenkreditversicherungs-Policen wesentliche Dokumente vorzulegen, so das Unternehmen.
Tokio Marine und Insurance Australia Group (IAG) waren als Warenkredit-Versicherer für Fonds aufgeführt, die verbriefte Forderungen von Greensill gekauft hatten. Nahezu die gesamte Versicherung, die Greensill für seine Schuldscheine abgeschlossen hatte, stammte von Bond & Credit Company, einem kleinen australischen Versicherungsunternehmen, das von IAG im Jahr 2019 an Tokio Marine verkauft wurde.