Die Grossaktionäre der Credit Suisse haben sich jahrelang mit einer Zuschauerrolle begnügt. Das neuerliche Stühlerücken im Verwaltungsrat könnte nun das Signal zu einem längst fälligen Sinneswandel sein.
Severin Schwan sei eine der Hauptkräfte im Verwaltungsrat der Credit Suisse (CS) gewesen, die auf den Rücktritt des Ex-Präsidenten António Horta-Osório drängten. So wird es wenigstens kolportiert.
Nun verlässt der Chef des Basler Pharma-Riesen Roche selber das CS-Gremium. Wie auch finews.ch berichtete, stellt sich Schwan an der Generalversammlung 29. April nicht mehr zu Wiederwahl – ebenso das Bank-Urgestein Kai S. Nargolwala und Juan Colombas.
Der Rückzug dürfte nicht ganz freiwillig erfolgen. Nach dem erzwungenen Abgang von Horta-Osório vom vergangenen Januar wegen dessen Verstössen gegen Schweizer Corona-Regeln hatten vergangenen Februar offenbar mehrere Grossaktionäre Front gegen Schwan gemacht; jede Verlängerung seiner Amtszeit wäre von diesen Kräften blockiert worden, hiess es damals.
Mehrfach mit Kritik belegt
Schon mehrfach mit Kritik belegt worden war im Kreis der CS-Aktionäre auch Nargolwala. Dies insbesondere wegen seiner langjährigen Rolle im Kompensations-Komitee der Bank, das trotz kriselndem Geschäft oft üppige Boni gesprochen hat. Colombas wiederum galt im CS-Verwaltungsrat als Mann Horta-Osórios. Er geht nun, nachdem er erst vergangenen August zugewählt worden war.
Dass CS-Verwaltungsräte das Handtuch werfen, bevor es zum Krach kommt, ist zwar kein Novum. Im vergangenen Jahr hatte Andreas Gottschling, der den Vorsitz des Risikoausschusses innehatte, den Verwaltungsrat verlassen. Dies, nachdem mehrere Grossaktionäre angedeutet hatten, sie würden gegen seine Wiederwahl stimmen. Die Kadenz, in der auf solche Drohungen hin tatsächlich Rückzüge erfolgen, lässt bei der CS nun aber aufmerken.
Geduldsfaden wird dünner
Denn lange genug haben sich die Grossaktionäre – angelsächsische Finanzinvestoren und Geldgeber aus Nahost – bei der Bank mit einer Zuschauerrolle begnügt. Die meisten von ihnen, allen voran die reiche saudi-arabische Familie Olayan und der Staatsfonds von Katar, sind zudem höchst verschwiegen. Die Ausnahme der Regel bildet die zu Natixis gehörende Fondsfirma Harris Associates, wo Investmentchef David Herro gerne und lautstark für Veränderungen bei der Grossbank weibelt, mit Horta-Osório aber zuletzt offensichtlich auf das falsche Pferd setzte.
Das «verlorene Jahrzehnt» bei der Grossbank in der Ära von Ex-Präsident Urs Rohner kann daher auch dieser scheinbaren Lethargie der Eigner zugeschrieben werden. Das Doppel-Debakel um die Schliessung der CS-Greensill-Fonds und die Milliardenverluste mit der New Yorker Finanzfirma Archegos haben aber den Geduldsfaden der Grossinvestoren wohl sehr dünn werden lassen – und könnten nun eine neuen Phase des Aktivismus’ im Aktionariat einläuten.
Aktie nahe dem Allzeit-Tief
Zumal der Aktienkurs der CS auch Eigentümer mit ganz tiefen Taschen alarmieren muss: Anfang März handelten die Banktitel zeitweilig unter 7 Franken und damit nahe eines Allzeit-Tiefs.
Während der Kurs das offensichtliche Einfallstor für Forderungen von Aktionären ist, vermag nun auch der Kampf gegen den Klimawandel die Investoren zu mobilisieren. So haben sich elf Institutionelle zusammengetan, um mit Aktionärsanträgen die Grossbank zu zwingen, die Finanzierung von Unternehmen aus dem Sektor der fossilen Brennstoffe zu vermindern. Zu ihnen gehören unter anderem die Pensionskasse der Stadt Zürich, die Pensionskasse der Post sowie die Publica, die Pensionskasse der Bundesangestellten. Angeführt wird die Gruppe von der Schweizer Aktionärsrechts-Vertreterin Ethos Stiftung, sowie dem NGO Shareaction.
Zwei weitere Risiko-Profis
Was um Nachhaltigkeit bemühten Investoren von den Firmen sehen wollen, sind dabei nicht nur Rücksicht auf Umwelt und Gesellschaft, sondern auch eine gute Geschäftsführung (Governance). Hier hat sich die Bankspitze um Präsident Axel Lehmann und CEO Thomas Gottstein einem viel strikteren Umgang mit Risiken sowie einem Kulturwandel verschrieben.
Die Nachfolge-Ernennungen im CS-Verwaltungsrat sind deshalb auch unter diesem Aspekt zu betrachten. Mit der Zuwahl von Mirko Bianchi und Mandy Norton würde das Institut zwei weitere, im Umgang mit Risiken höchst erfahrene Bankprofis gewinnen.
Ob dies genügt, um die Grossaktionäre milde zu stimmen, wird sich am 29. April weisen. Die Generalversammlung bietet ein kleines Fenster, durch das die Öffentlichkeit Vorgängen beobachten kann, die sich sonst zumeist hinter den Kulissen des Instituts abspielen.